Anwendung der EuGVO im Bezug auf Dänemark

Dr Franke Ghostwriter
Hallo,
ich habe mir gerade klausurvorbereitend die Videobesprechung zur Klausur vom 16.03.2011 angeschaut, die ich vorher eigenständig bearbeitet habe.

Mir wird nicht klar, weshalb bei der Prüfung des räumlichen Anwendungsbereiches der Staatsvertrag Dänemarks mit der EU zur Anwendung der EuGVO thematisiert wird.

In meiner Lösung habe ich dies erst beim Prüfungspunkt „Zuständigkeitsordnung eröffnet?“ getan, als ich feststellen musste, ob der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat der EU hat. H klagt doch vor einem deutschen Gericht und Deutschland ist zweifellos ein Mitgliedsstaat der EU. Der Anwendungsbereich der EuGVO ist doch nicht erst dann eröffnet, wenn beide Staaten Mitglied der EU sind, oder?

Der Obersatz lautet doch regelmäßig:“Die EuGVO müsste räumlich anwendbar sein. Dies ist der Fall, wenn ein Gericht eines Mitgliedsstaates mit der Sache befasst wird (Art.1 Abs.3 EuGVO).


In Frage 2 käme ich dann noch auf das Problem mit dem Staatsvertrag und würde feststellen, dass über den Staatsvertrag die Sache vor einem Dänischen Gericht genauso liegen würde, also das dänische Gericht die internationale direkte Zuständigkeit wegen des Staatsvertrages auch nach der EuGVO prüfen würde.



Über Euro Antwort auf meine Fragen würde ich mich sehr freuen.
Liebe Grüße Alex
 
mysticboy,

bin mir nicht sicher, ob ich die Lösung für dein Problem habe, aber schau mal in Fn. 1 der EuGVO. Dort steht:

" Die Verordnung ist für die Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme Dänemarks ... in Kraft getreten. Sie ersetzt von diesem Zeitpunkt an im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander das Brüsseler Übk. über die gerichtliche Zuständigkeit..."

Ich verstehe das so, dass demnach beide "Mitgliedstaaten" i.S.d. Art. 1 III EuGVO Mitglieder der EU sein müssen.

100 % sicher bin ich mir aber nicht. Vielleicht hat ja noch jemand eine Meinung dazu?!

Grüße, siope
 
Da habe ich auch dran gedacht. Im Prüfschema steht auch "Geltung gegenüber Dänemark staatsvertraglich vereinbart". Das kann aber auch heissen, dass die dänischen Gerichte die EuGVO mittelbar wegen des Staatsvertrages anwenden müssen.
Es gibt einige EAs mit Bezügen zu Staaten, die nicht Mitgliedsstaaten sind (z.B. Schweiz oder USA), wo vor einem deutschen Gericht geklagt wird und es unerheblich ist, ob der Beklagte aus einem Nichtmitgliedsstaat kommt. Ich weiss einfach nicht, weshalb das bei Dänemark anders sein soll. Abgesehen davon hätte man meiner Meinung nach denklogisch erst bei den Staatsverträgen prüfen müssen und erstmal die Anwendbarkeit sachlich wie räumlich verneinen müssen. Im vorliegenden Fall (Klausur vom 16.03.2011) wäre das meiner Meinung nach erst bei der Frage 2 interesant geworden, weil diese gerade darauf abzielt, ob sich bei einer Klage vor einem dänischen Gericht etwas am Ergebnis ändert. Meine Antwort wäre dann: Nein, es ändert sich nichts an der internationalen Zuständigkeit, weil die EuGVO wegen des Staatsvertrages mit der EG mittelbar anwendbar ist. Lediglich könnte das dänische Gericht anstatt auf den Efolgsort auf den Handlungsort abstellen und so zu einem abweichenden Ergebnis kommen.
 
Abgesehen davon hätte man meiner Meinung nach denklogisch erst bei den Staatsverträgen prüfen müssen und erstmal die Anwendbarkeit sachlich wie räumlich verneinen müssen.

Ich denke auch, dass man es in einer Hausarbeit so machen sollte, also erst die direkte Anwendbarkeit ablehnen und dann aber über die staatsvertragliche Regelung die Anwendung bejahen. Für eine Klausur, bei der vielleicht der Schwerpunkt woanders liegt, wäre das wohl zu viel Aufwand, bzw. würde einfach zu viel Zeit in Anspruch nehmen.
Ganz nachvollziehen kann ich das auch nicht, da sonst in den EAs immer, wie du schon gesagt hast, der Standard-Passus "Die EuGVO müsste räumlich anwendbar sein. Dies ist der Fall, wenn ein Gericht eines Mitgliedsstaates mit der Sache befasst wird" verwendet wird.
 
Hab mir das Video der Klausurbesprechung (und zwei weitere) nochmal angesehen und bin zwischenzeitlich zu dem Ergebnis gekommen, dass mein erster Beitrag wohl nicht richtig ist 🙁

In den Besprechungen (SS 2008, SS 2009) wird ausgeführt, dass der räumliche Anwendungsbereich nach Art. 1 III EuGVO eröffnet ist, "wenn das Gericht eines Mitgliedstaats mit einem grenzüberschreitenden Sachverhalt befasst ist". Danach kommt es also tatsächlich nur auf darauf an, dass das angerufene Gericht in einem Mitgliedstaat i.S.d. Art. 1 III EuGVO liegt. Hätte man die Klausur nach diesem Schema geprüft, käme man - wie du - zu dem Punkt, ob Dänemark ein Mitgliedstaat ist, erst unter "2. Zuständigkeitsordnung eröffnet"

In der Besprechung der Klausur vom 16.03.2011 wird das unter 1. b) jedoch nicht mehr angesprochen. Hier heißt es nur: "Gem. Art. 1 III bezieht sich dieser VO auf Mitgliedstaaten."

Da stellt sich für mich doch die Frage, was passiert, wenn z.B. ein Schweizer einen Deutschen in Deutschland verklagt. Nach den älteren vom LS vorgegebenen Lösungsmöglichkeit wäre die EuGVO anwendbar, da:
1. b) räumlich - das Gericht eines Mitgliedstaats (Dtl.) mit einem grenzüberschreitenden SV befasst ist (+) UND
2. der Beklagte (Deutscher) seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat

Nach der Besprechung der Klausur vom 16.03.2011 ist das nicht mehr so klar, da hier geprüft wird:
1. b) räumlich - bezieht sich die EuGVO auf Mitgliedstaaten --> die Schweiz ist kein Mitgliedstaat --> hieße ja dann, dass die EuGVO nicht anwendbar ist (was ich mir nicht vorstellen kann) 😕

Ich glaube, ich werde einfach das Schema der älteren Besprechungen verwenden und fragen, ob das Gericht eines MS befasst ist - auch auf die Gefahr, dass der LS hier seine Ansicht geändert hat....
 
Ich bin froh, dass es jemanden gibt, der das auf den Punkt genauso sieht wie ich. Die Zuständigkeitsordnung wäre nämlich eigentlich auch nicht eröffnet, weil der Wohnsitz des Beklagten nicht in einem Mitgliedsstaat (im Sinne der EuGVO) liegt.
Hier müsste man dann meiner Meinung nach ausführen, dass Dänemark aufgrund des bilateralen Staatsvertrages mit der EG doch als Mitgliedsstaat gilt.

@ Gera: Ich glaube, dass gerade hier der Klausurschwerpunkt liegt. Der Rest war einfach nur das finden der richtigen Norm.

Ich wüsste nicht, was ich am Mittwoch schreiben sollte, wenn dieses Dänemarkproblem nochmal abgefragt würde.
 
Mysticboy,

das war zwar eher allgemein gemeint, aber auch auf den konkreten Sachverhalt bezogen, war es anscheinend auch relativ kurz und einfach zu lösen.

Zitat aus der Videobesprechung zu der Klausur, Dr. Prinz von Sachsen Gessaphe:

"Art. 1 Abs. 3 EuGVO sagt eindeutig, diese Verordnung bezieht sich auf Mitgliedstaaten und Mitgliedstaaten iSd Verordnung sind alle mit Ausnahme Dänemarks. […] Jetzt ist aber eine Fußnote 14 die auf einen Erwägungsgrund 21 hinweist, die das näher erläutert und es steht da, dass Dänemark sich nicht an diesen Politiken beteiligt und hier wiederum ist eine Fußnote 9, die auf das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark hinweist. Demzufolge die EuGVO nun auch für Dänemark gilt. Das steht übrigens auch in der Kurseinheit wiederholt drinnen.

Also, die richtige Antwort auf die Frage nach dem räumlichen Anwendungsbereich wäre gewesen zu sagen, dass Dänemark zwar kein Mitgliedstaat im Sinne des Art 1 Abs. 3 der EuGVO ist, dass aber die Geltung der EuGVO mit Dänemark staatsvertraglich geregelt ist und damit die EuGVO anwendbar ist."

Ich glaube, man darf einfach den Ausdruck "Schwerpunkt einer Klausur" nicht missverstehen. Ein Schwerpunkt setzt nicht immer voraus, dass es viel dazu zu schreiben gibt, sondern, dass man um eine bestimmte Problematik weiß. Weiß man das nicht, nimmt man einen falschen Weg, der unweigerlich zum Nichtbestehen führt.

Gerade in Hinblick auf die bevorstehende Klausur, denke ich, wäre es falsch bei einer eventuell auch zu prüfenden Zuständigkeit mit Bezug zu Dänemark, eine lange Diskussion/Prüfung anzustellen, da der erklärte Schwerpunkt in der Kurseinheit 4 liegt.

 
@ Gera:
aber das ist meiner Meinung nach gerade nicht die richtige Antwort, weil es an diesem Prüfpunkt (räuml. AB) für mich nicht relevant erscheint, da laut Sachverhalt ein deutsches Gericht mit der Sache befasst ist und nicht ein dänisches. Bezogen auf Frage 2 hättest Du mit Deinen Ausführungen Recht. Ich möchte mich hier aber nicht so weit aus dem Fenster lehnen, denn wenn Siope und ich Recht hätten, wäre die Klausurbesprechung falsch und einige Leute wären zu Unrecht durch die Klausur gefallen. Das kann ich mir nicht vorstellen, ich habe sicher etwas wesentliches übersehen und hätte gerne gewusst was. Das Video beantwortet diese Frage jedenfalls nicht, da nicht erklärt wird, wo steht, dass beide Staaten für die Anwendbarkeit der EuGVO Vertragsstaaten sein müssen. Wir sind ja nicht beim CISG, sondern bei der EuGVO, wo es normalerweise nur auf das mit der Sache befasste Gericht ankommt.
Trotzdem Danke für die Stellungnahme und Hilfe.
Liebe Grüße
 
@ Gera:
wie würdest du dann die Frage nach dem räumlichen Anwendungsbereich in dem von mir beispielhaft gebildeten Fall beantworten, wenn ein Schweizer einen Deutschen in Deutschland verklagen würde? Stehe grad auf dem Schlauch...
 
@ Gera:
aber das ist meiner Meinung nach gerade nicht die richtige Antwort, weil es an diesem Prüfpunkt (räuml. AB) für mich nicht relevant erscheint, da laut Sachverhalt ein deutsches Gericht mit der Sache befasst ist und nicht ein dänisches.

Ja, da hast du eigentlich schon Recht. ... Erwägungsgrund 21 sagt aber auch, dass die EuGVO nicht nur nicht bindend für Dänemark ist, sondern ihm gegenüber auch nicht anwendbar ist.

Dazu noch Erwägungsgrund 9:
Beklagte ohne Wohnsitz in einem Mitgliedstaat unterliegen im Allgemeinen den nationalen Zuständigkeitvorschriften, die im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats gelten, in dem sich das angerufene Gericht befindet, während Beklagte mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, der durch diese Verordnung nicht gebunden ist, weiterhin dem Brüsseler Übereinkommen unterliegen.


Oder vielleicht machen wir uns hier aber auch zu verrückt - es kann ja auch sein, dass das in der Videobesprechung nur klarstellend gennant worden ist. Es sind ja anscheinend sehr viele schon an dieser Stelle auf Dänemark eingegangen und haben dann gleich Abstand von der EuGVO genommen haben.

Und du bist doch, so wie es sein sollte, in deiner Prüfung zur räumlichen Anwendbarkeit der EuGVO gekommen, oder? Ich versteh schon, dass du es verstehen willst, aber ich würde mir jetzt, wie gesagt, für die Klausur eher noch mal etwas anderes als die EuGVO anschauen.

Ach so, siope, bei der Schweiz würde ich (und hab's in einer EA) auch nur auf das angerufene Gericht stützen. Da gibt es ja aber auch keine Erwägungsgründe.

Wenn's euch keine Ruhe lässt, würde ich einfach beim Fachbereich nachfragen, dann wisst ihr es sicher.
 
@ Gera:
aber das ist meiner Meinung nach gerade nicht die richtige Antwort, weil es an diesem Prüfpunkt (räuml. AB) für mich nicht relevant erscheint, da laut Sachverhalt ein deutsches Gericht mit der Sache befasst ist und nicht ein dänisches. Bezogen auf Frage 2 hättest Du mit Deinen Ausführungen Recht. Ich möchte mich hier aber nicht so weit aus dem Fenster lehnen, denn wenn Siope und ich Recht hätten, wäre die Klausurbesprechung falsch und einige Leute wären zu Unrecht durch die Klausur gefallen. Das kann ich mir nicht vorstellen, ich habe sicher etwas wesentliches übersehen und hätte gerne gewusst was. Das Video beantwortet diese Frage jedenfalls nicht, da nicht erklärt wird, wo steht, dass beide Staaten für die Anwendbarkeit der EuGVO Vertragsstaaten sein müssen. Wir sind ja nicht beim CISG, sondern bei der EuGVO, wo es normalerweise nur auf das mit der Sache befasste Gericht ankommt.
Trotzdem Danke für die Stellungnahme und Hilfe.
Liebe Grüße

wenn du das beweisen kannst ist ein 50er für dich drin
 
Ja selbstverständlich, weshalb die EuGVO eben auch für Dänemark bindend (Frage 2) und ihm gegenüber anwendbar ist. Darüber besteht ja kein Zweifel (jedenfalls hier nicht, in der Klausur war das wohl anders).

Ich habe lediglich gesagt, dass Erwägungsgrund 21 der Grund dafür sein kann, dass eben, anders als sonst in den Falllösungen, laut der Video-Besprechung der Klausur, nicht nur nach der Mitgliedstaatlichkeit des befassten Gerichts, sondern darüber hinaus, hier auch nach Dänemarks Verhältnis zu der EuGVO gefragt war.

Wenn nach Erwägungsgrund 21 die EuGVO Dänemark gegenüber nicht zur (direkten) Anwendung kommt, dann ist es m.E. schon legitim, das kurz (anders war es in der Besprechung auch nicht) im Rahmen der räumlichen Anwendbarkeit der EuGVO zu thematisieren. Also iSv: Art. 1 Abs. 3 EuGVO - Fn 14: siehe Erwägungsgrund 21 - Fn 9 = Problem gelöst.
 
Stimmt, so kann man durchaus argumentieren.
Ich hätt´s jetzt persönlich logischer gefunden den Vertrag mit Dänemark erst unter "Zuständigkeitsordnung eröffnet" zu erwähnen, aber die haben´s ja im Klausur-Schema auch schon unter räumlicher Anwendungsbereich stehen.
 
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