Frage zum Zugang eines Bußgeldbescheids

Dr Franke Ghostwriter
Fall:

Ein deutscher Staatsbürger, der in Österreich wohnhaft und berufstätig ist - er heißt S - wird auf einer deutschen Autobahn geblitzt. Zu wenig Abstand = 1 Monat Fahrverbot und 100,- € Geldbuße. Er fuhr den auf seine Mutter - sie heißt M - zugelassenen PKW, die Mutter ist in Deutschland wohnhaft.

Viechtach schickt der Mutter einen Anhörungsbogen. Sie gibt an, daß ihr Sohn gefahren ist. Als Anschrift ihres Sohnes gibt die Mutter sowohl die österreichische Postadresse ihres Sohnes an als auch ihre eigene deutsche Anschrift.

Viechtach schickt den Bußgeldbescheid an die von der Mutter angegebene deutsche Adresse des S, es handelt sich um eine "förmliche Zustellung", also ein gelber Umschlag, der Postbote notierte Zeit und Ort des Einwurfs in den Briefkasten. Auf dem Briefkasten steht nur der Nachname. M und S haben den selben Nachnamen. S erhält auch sonst unter dieser Anschrift Post, weshalb sich der Postbote wohl auch nichts dabei dachte, den Brief in den Briefkasten an der Anschrift einzuwerfen, an der S gar nicht gemeldet ist.

Nun stellt sich die Frage, ob der Bußgeldbescheid nach Ablauf von zwei Wochen seit Zustellung an der "falschen" Adresse rechtswirksam wird. Nach weiteren zweich Wochen würde dann das Bußgeld fällig, nach spätestens 4 Monaten würde das Fahrverbot wirksam werden, sofern S nicht schon bereits vorher den Führerschein in amtliche Verwahrung gibt.

Fallvariante 1: M ignoriert den Brief.

Fallvariante 2: M öffnet den Brief, ruft S an, informiert ihn über den Inhalt, weder S noch M beachten den Brief weiter.

Fallvariante 3: M schickt den Brief nach Viechtach zurück mit dem Hinweis, daß S nicht an der angegebenen Adresse wohne.

Liegt ordnungsgemäßer Zugang vor ?

bzw.: Muß S sich das Verhalten von M zurechnen lassen ?

P.S.: Werden Bußgeldbescheide nach Österreich verschickt und falls nein: Was passiert in diesem Fall mit dem Fahrverbot ?!?


P.P.S.: Natürlich geht es unterm Strich darum, das Fahrverbot noch weiter hinaus zu zögern
 
hierzu findet sich etwas in den "44 wichtigsten Fällen" von Hemmer.

Entscheidend ist nicht, ob jemand an der angegebenen Adresse tatsächlich wohnt, oder eventuell nicht mehr wohnt, weil er bereits umgezogen ist (und sich z.B. vergessen hat abzumelden), sondern entscheidend ist, ob die Empfangseinrichtungen zum Empfang von Post vom Adressaten einge-
richtet wurde. D.h. § 130 BGB wird analog angewendet.

Ein VA wird nur durch Bekanntmachung wirksam. Dazu muss das Schreiben so in den Machtbereich des Empfängers gelangen, dass unter gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Gut, im Beispielsfall ist das ziemlich wackelig. Weil eben einerseits der Betroffene gewöhnlich über die Adresse seiner Mutter Post bekommt, aber dort ja offiziell ja überhaupt nicht gemeldet ist. Da dürften die Chancen 50 : 50 stehen, ob hier ein Richter die Bekanntmachung bejaht oder nicht ...

Naja, eigentlich war die Behörde doof ! Zwischen Österreich und Deutschland gibt es doch in Sachen Bußgeldbescheide ein bilaterales Abkommen. Oder irre ich mich?

Naja, an der Stelle des Betroffenen würde ich die Bekanntmachung des VA bestreiten. Ob es hier etwas bringt, weil eben regelmäßig Post für den Sohn zugestellt wird (was eben auch der Postbote bezeugen könnte), weiß ich nicht ... Jedenfalls würde hier die Behörde die Beweislast tragen.

Dann stellt sich noch eine Frage. Wie doof kann eine Mutter sein, die in einem Anhörungsbogen angibt, dass ihr Sohn gefahren ist *kopf schüttel*.

1. Die Behörde ist beweispflichtig. Die muss quasi nachweisen, dass die Mutter gefahren ist.

2. Es hätte gereicht, wenn die Mutter geschrieben hätte, dass sie nicht gefahren wäre.

3. Damit hätte die Verwaltungsbehörde die Sache an die zuständige StA weiterleiten müssen. Die hätte dann ermittelt. Da die Mutter ihren eigenen Sohn nicht belasten muss, hätte sie mit allem über den Berg halten können, bis zur mündlichen Verhandlung ...

4. Auf dem Foto hätte der Richter dann schließlich erkannt, dass die Frau den Wagen offensichtlich nicht gefahren hat.

5. Die Sache wäre bereits verfristet gewesen, wenn der richtige Beschuldigte ermittelt gewesen wäre.


Übrigens, genau so etwas ist meinem Vater passiert.

Er ist vor mehreren Jahren - nichts ahnend - wie gewöhnlich 126 km auf der Autobahn gefahren. Er hat in seiner Routine nicht bemerkt, dass die Polizei für eine LKW-Kontrolle die Geschwindigkeit auf 60 km gedrosselt hatte (und natürlich geblitzt hatte).

Der Bußgeldbescheid bzw. die Anfrage der Verwaltungsbehörde ging erst zu seiner Geschäftszentrale (es war der Geschäftswagen) nach Böblingen. Die haben jedoch einen Arbeitskollegen meines Vaters als "Schnellfahrer" an-
gegeben.

Naja, der bekam dann den VA und das entsprechende Fahrverbot. Über 60 km zu schnell, war auch damals ein Hammer 😉

Der Kollege war jedoch cool. Hat immer nur Widerspruch eingelegt und eben gesagt, dass er nicht die beschuldigte Person auf dem Foto wäre. Irgendwann kam es dann man zur mündlichen Verhandlung, in der selbst ein "blinder Richter mit Krückstock" bemerken musste, dass der Kollege nicht mit der abgebildeten Person auf dem Foto der Polizei identisch ist.

Freispruch!

Naja, und die Sache war für meinen Vater verfristet 😉


Grüßle


Sandra
 
Danke für die Tips - ein Richter gab privat ähnliche Tips - ist jetzt aber zu spät, vielleicht aber auch ganz heilsam für den Geblitzten 🙂

Was man aber auch nicht vergessen darf ist, daß der Mutter immer das Fahrtenbuch blühen kann, wenn sie sich bei der Auskunft, wer mit dem auf sie zugelassenen Fahrzeug gefahren sein könnte, dumm stellt ... . Außerdem neugierige Blicke der Nachbarn, wenn die Polizei durchs Haus geht und Fragen stellt ...

Aber gut zu wissen, wenn mal ein Fahrverbot droht, das partout nicht zur rechten Zeit kommt 😀

Schöne Grüße, Markus

(warst Du nicht mal im schönen Allgäu seßhaft - jetzt Senden ?)
 
Das Fahrtenbuch kann bei folgender Einlassung in der Regel vermieden werden:

1. Ich bin nicht gefahren
2. Ich weis wer gefahren ist
3. Ich verweigere die Aussage gem. §§ 46 OWIG, 52 StPO

Allerdings muss mensch dann in der Regel damit Rechnen, dass die Polizei mit dem Foto durch die Nachbarschaft läuft und versucht herauszubekommen wer es denn nun war. Im Vorliegenden Fall wäre der gute Mann u.U. auch noch gut beraten gewesen sich seine Fahrerlaubnis in eine österreichische umschreiben zu lassen - das müsste doch eigentlich in der EU ganz einfach gehen 😉

der noma
 
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