Andy,
m.E. hast Du die Rechtslage für den Fall zutreffend erkannt.
Sicher liegt eine "Unmöglichkeit" i.S.d. § 275 vor. Konkret eine vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit, und zwar eine nachträgliche.
Rechtsfolge ist, daß der
Anspruch auf Leistung ausgeschlossen ist (weil es sich spätestens mit dem Verpacken und Versenden um eine Stückschuld handelt) und gleichzeitig auch der
Anspruch auf die Gegenleistung entfällt. Da die Gegenleistung aber bereits erbracht ist, ist diese zurückzugewähren, wenn der Gläubiger vom Vertrag zurücktritt.
Die Rechte des Gläubigers bestimmt § 275 IV. Demnach kann der Gläubiger
nach seiner Wahl
- zurücktreten, § 326 V. Die Fristsetzung ist hier sogar entbehrlich, der Rücktritt regelt sich nach § 323. Da hier bereits bezahlt wurde, gilt auch § 326 IV: Der Gläubiger kann das Geld nach den §§ 346 - 348 zurückfordern.
- oder aber Herausgabe des für den geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatzes nach § 285 verlangen. Das wäre hier in der Tat die Versicherungsleistung, die der Schuldner vom Paketdienst erlangt. Es wäre hier aber doch eher für den Gläubiger nachteilig, die Verischerungsleistung zu verlangen, weil er dann gleichzeitig auch zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet bliebe, natürlich unter Anrechnung der Versicherungsleistung. Rücktritt und Ersatzverlangen schließen sich gegenseitig aus.
Wenn der Gläubiger hier einfach den Rücktritt wählt, dann erspart er sich das ganze Bitten und Betteln dafür, daß der Schuldner endlich in die Gänge kommt, um die
ihm (= dem Schuldner, hier dem Verkäufer) zustehende Versicherungsleistung vom Paketdienst geltend zu machen. Rücktritt ist hier doch der wesentlich unkompliziertere Weg.
Der Verkäufer sollte also am besten:
- Den Rücktritt erklären, am besten nachweislich, also mit eingeschriebenem Brief
- die Rückzahlung des Kaufpreises mit Fristsetzung verlangen
- und wenn der Schuldner nicht fristgerecht zahlt, Mahnverfahren einleiten.
Wer nun was zu beweisen hat, also ob der DPD das Paket tatsächlich pflichtwidrig "abgeliefert" hat, das überfordert mich jetzt leider ...
Knackpunkt ist jedenfalls, daß wegen des Verbauchsgüterkaufs die Gefahr des zufälligen Untergangs nicht bereits mit der Übergabe der Sache an den Paketdienst auf den Käufer überging. Würde es sich um einen Vertrag zwischen zwei Privatpersonen handeln, dann wäre der Käufer hier tatsächlich der Dumme.
Es kann vom Gläubiger auch nicht verlangt werden, ständig in "Annahmebereitschaft" zu sein (§ 299, "vorübergehende Annahmeverhinderung"). Der Gläubiger geriet hier also nicht schon deswegen in Annahmeverzug, nur weil er zum Zeitpunkt der "Lieferung" nicht anwesend war.
Der Gläubiger muß aber vielleicht dem Schuldner erst einmal eine angemessene Zeit gewähren, damit dieser überprüfen kann, wo das Paket ist - das kann er durch einen Nachforschungsauftrag beim Paketdienst, um sich selbst davon zu überzeugen, ob das Paket tatsächlich abhanden gekommen ist, das ergibt sich wohl aus § 242. Wenn der dann vom DPD die Auskunft bekommt, das Paket wäre ordnungsgemäß abgeliefert und eben nicht verloren, dann haben wir wieder die Beweisproblematik, die ich aber wie gesagt nicht beantworten kann.
Vermutlich kann auch der Gläubiger hier - anhand einer Sendungsnummer - in den Datenbestand von DPD einsehen und daraus ersehen, welchen Ablieferungsvermerk der Paketbote beim Abstellen des Pakets in seinen mobilen Computer eingetippt hat. Dieser Vermerk hat - schlag mich tot, hab keine Ahnung - glaube ich den Wert eines Anscheinsbeweises, der aber nicht so schwer zu erschüttern sein wird.
Es würde sich lediglich dann nicht um ein "Verschulden" des DPD handeln, wenn zwischen DPD und Gläubiger ein Vertrag bestünde, nachdem Pakete an der entsprechenden Stelle einfach abgestellt werden dürfen. In diesem Fall läge eine ordnungsgemäße Übergabe vor, die Gefahr des zufälligen Untergangs, hier des Abhandenkommens, läge dann beim Käufer und er müßte wohl oder übel zahlen.
Vorsicht: eine solche Vereinbarung könnte sich auch konludent daraus ergeben, daß der Paketdienst in der Vergangenheit bereits widerspruchslos Pakete einfach im Flur abgelegt hat - der DPD könnte sich dann darauf berufen - woraus ergibt sich das? - wohl auch aus § 242, Treu und Glauben. Dann dürfte der Gläubiger sich auf den "Pflichtverstoß" des Paketdienstes nun nicht mehr berufen - ich glaube, das wäre eine Verwirkung - vielleicht kann man auch aus den bisherigen "geglückten" Lieferungen eine konludente Vereinbarung konstruieren, daß Pakete auch im Flur abgestellt werden sollen / dürfen.
Zum Schadensersatz: Da den Schuldner hier kein Verschulden trifft, scheidet Schadensersatz gegen ihn aus ? Käse ...
Vielleicht muß er sich das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen. § 278 ? Er hat sich zur Erfüllung seiner vertraglichen Haupleistunspflicht "Übergabe" aus § 433 des Paketdienstes bedient. Nach § 278 hat er also auch das Verschulden des Paketdienstes in gleichem Maße zu vertreten wie eigenens Verschulden, hier also nach § 276 Vorsatz und Fahrlässigkeit - es dürfte sich um Fahrlässigkeit handeln. Anspruchsnorm ist dann wohl § 280, "Pflichtverletzung"
Schadensersatz gegen den Schuldner also prinzipiell ja, die Frage wäre nur, welche Schäden entstanden sind und auch geltend gemacht werden können ... - dafür habe ich jetzt keine Zeit mehr, sorry
🙂
Schadensersatz gegen den Paketdienst direkt ? - nur Frage ich mich, aus welchem Rechtsgrund ... - nicht aus Vertrag, nicht aus unerlaubter Handlung (der Bote handelte nicht rechtswidrig), nicht aus cic, auch kein gesetzliches SV - also eher nicht.
Zu beachten:
Die Überlegungen gehen davon aus, daß tatsächlich eine
Schickschuld vorliegt. Nur dann hat der Schuldner das für die Leistung seinerseits erforderliche getan und die Gattungsschuld konkretisiert sich in eine Stückschuld.
Nach der Rechtsprechung übernimmt auch der Verkäufer im Versandhandel i.d.R. keine Bringschuld - dann sähe es hier anders aus, dann müßte der Verkäufer nämlich nochmal liefern, solange aus der Gattung noch eine Lieferung möglich ist.
Wenn nichts anderes vereinbart ist, dann liegt also - nach der Verkehrssitte - eine Schickschuld vor.
Der Verkäufer könnte natürlich per AGB etwas anderes "vereinbart" haben - das müßte man dann nach dem AGB-Gesetz prüfen.
Sollten Auskünfte vom Verkäufer einzuholen sein, so ergibt sich seine Auskunftspflicht aus dem Kaufvertrag i.V.m. § 242, denn Treu und Glauben begründen für das Schuldverhältnis über die primäre Leistungspflicht hinaus auch Anzeige-, Hinweis- und Offenbarungspflichten. Die wären auch einklagbar - was aber den Aufwand nicht lohnt, Rücktritt ist hier wohl die eleganteste Lösung für den Käufer.
Wenn man ganz pingelig ist, dann könnte man noch näher differenzieren, ob die Leistung wirklich ganz "unmöglich" i.S.d. § 275 I ist, oder ob "lediglich" die Einrede aus " 275 II möglich ist (das Paket könnte ja noch existieren, was die Unmöglichkeit ausschließen würde ...) - im Ergebnis ist es aber praktisch egal, denn die Rechtsfolgen von " 275 I und II sind insofern identisch, nur muß sich bei § 275 II der Gläubiger von sich aus auf die Einrede berufen.
Verwirrend finde ich übrigens, daß bei der Schickschuld Erfolgs- und Erfüllungsort auseinanderfallen. Zwar hat der Schuldner bereits "geleistet", der Leistungserfolg ist aber noch nicht eingetreten, da der Erfolg auch am Erfolgsort eintreten muß, der bei der Schickschuld ausnahmsweise dort liegt, wo die Sendung hin soll. Sonst könnte ja auch gar keine Unmöglichkeit vorliegen, denn dann hätte der Schuldner ja bereits "geleistet", indem er die Sendung dem Paketdienst übergab - irgendwie total verwirrend und gigantische Denkfehlerquelle...
Schöne Grüße, Markus