Verschiedene Probleme bei der Verwirklichung von Forderungen

Dr Franke Ghostwriter
Hier könnte so eine Art Online-Lerngruppe für BGB IV - Verwirklichung von Forderungen - entstehen. Stellt Eure Probleme ein, bietet Antworten an und diskutiert fleissig!
 
B betrieb die Zwangsvollstreckung gegen K aus einem Vollstreckungsbescheid. In seinem "Auftrag" pfändete Gerichtsvollzieherin GV bei K dessen PKW, dessen geschätzter Wert aber den Wert der titulierten Forderung nicht erreichte.

Drei Tage nach dem Besuch der GV überwies K 1.500 € an die GV unter Angabe seines Namens und des Aktenzeichens des Vollstreckungsbescheids. Der Betrag entsprach in seiner Höhe der titulierten Forderung plus der aufgelaufenen Kosten und Zinsen.

GV gab daraufhin den PKW nicht frei, verrechnete 61 € aus der Zahlung auf die Forderung aus dem VB des B und überwies diesen Betrag auch von ihrem Dienstkonto auf das Konto des B. Den Restbetrag i.H.v. 1.439 € verrechnete die GV auf Forderungen anderer Gläubiger, von denen sie ebenfalls mit der Pfändung beauftragt worden war.

Daraufhin erhebt K Vollstreckungsgegenklage beim zuständigen Gericht. Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?

Abwandlung:

Wie, wenn die GV den Restbetrag (1.439 €) an Gläubiger des K weitergeleitet hätte, von denen sie keinen Vollstreckungsauftrag vorliegen hatte?
 
freiwillige Zahlung: K gegen B, § 767 ZPO

Hier mal der Anfang vom Versuch einer Lösung Teil I:


A. K gegen B auf Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]I. Zulässigkeit [FONT=Cambria,Cambria]
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]1. Statthafte Klageart [FONT=Cambria,Cambria]
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]K müsste eine statthafte Klage erheben.
[FONT=Calibri,Calibri]Statthaft ist die vom Gesetz vorgesehene Klageart, mit deren Hilfe das klägerische Begehren prozessual erreicht werden kann. In Betracht kommen hier die Vollstreckungsgegenklage, § 767 und die Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung, § 766. Beide Klagearten schließen sich gegenseitig grundsätzlich aus.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]a) Erinnerung, § 766 [FONT=Cambria,Cambria]
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Die Erinnerung könnte hier nicht statthaft sein. Mit der Erinnerung können die Beteiligten einer Zwangsvollstreckung Verfahrensfehler des Vollstreckungsorgans rügen. Vorliegend ist K als Vollstreckungsschuldner Beteiligter der Zwangsvollstreckung, er rügt auch eine Handlung des Vollstreckungsorgans, nämlich dass der Gerichtsvollzieher den PKW nicht freigibt und den Titel nicht aushändigt. Allerdings wendet K sich nicht gegen einen formalen Fehler, sondern stellt darauf ab, dass er die der Vollstreckung zugrundeliegende Forderung durch Zahlung erfüllt habe. Er erhebt mithin eine materielle Einwendung und keine das formelle Verfahren betreffende, die Erinnerung ist nicht statthaft.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]b) Vollstreckungsgegenklage, § 767 [FONT=Cambria,Cambria]
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Statthaft könnte aber die Vollstreckungsgegenklage sein, § 767. Sie ist gegeben für materielle Einwendungen gegen „den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst", § 767 I. Vorliegend bringt K vor, der im Vollstreckungsbescheid titulierte Anspruch sei durch Erfüllung erloschen, durch die Zahlung an den GV unter Angabe seines Namens und des Aktenzeichens des Vollstreckungsbescheids habe er den titulierten Anspruch erfüllt. K wendet sich also gegen den titulierten Anspruch selbst,
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]c) Ergebnis zu 1. [FONT=Cambria,Cambria]
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]mithin ist statthafte Klageart die Vollstreckungsgegenklage, § 767.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]2. Formulierung des Klageantrags [FONT=Cambria,Cambria]
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]K sollte entsprechend dem Wortlaut des § 775 Nr. 1 beantragen, die Zwangsvollstreckung aus dem genau bezeichneten Vollstreckungsbescheid für unzulässig zu erklären.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]3. Rechtsschutzbedürfnis [FONT=Cambria,Cambria]
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]K müsste für die Erhebung der Vollstreckungsgegenklage auch Rechtsschutzbedürfnis zuzuerkennen sein. Das geschieht, wenn der Kläger einen triftigen Grund dafür vorbringt, wegen des geltend gemachten Rechts ein Gericht anzurufen. Das ist i.Z.m. § 767 der Fall, wenn die Zwangsvollstreckung unmittelbar droht, aber noch nicht vollständig beendet ist. Vorliegend hält B noch immer den Titel (Vollstreckungsbescheid, § 794 I 1 Nr. 4) in Händen. Der PKW ist gepfändet, aber noch nicht versteigert. Der endgültige Verlust des PKW durch Versteigerung droht, die Zwangsvollstreckung ist also noch nicht vollständig beendet. K kann die Aufhebung der Pfändung außerdem ausschließlich mit § 767 erreichen und weitere Vollstreckungsmaßnahmen nur mit § 767 verhindern. Denn wegen des Formalismus der Zwangsvollstreckung würde der Gerichtsvollzieher einen entsprechenden Antrag – der bei Stattgabe einfacher, aber ebenso effektiven Rechtsschutz gäbe - abweisen. Zur Prüfung materieller Fragen ist er nicht befugt. K steht also auch kein zumutbarer, einfacherer Weg der Rechtsdurchsetzung zur Verfügung. Ihm ist daher Rechtsschutzbedürfnis für die Klage aus § 767 zuzuerkennen.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]4. Ergebnis zu I. [FONT=Cambria,Cambria]
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Die Vollstreckungsgegenklage ist zulässig.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]II. Begründetheit [FONT=Cambria,Cambria]
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Sie müsste auch begründet sein. Die Klage aus § 767 ist begründet, wenn materiell begründete Einwendungen i.S.d. § 767 gegen die titulierte Forderung vorgebracht werden, die nicht präkludiert sind.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]1. Einwendung der Erfüllung [FONT=Cambria,Cambria]
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Erfüllung durch freiwillige Zahlung an die GV ist Einwendung i.S.d. § 767, denn sie betrifft das Erlöschen der titulierten Forderung und damit „den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst", § 767 I. Diese Einwendung müsste im vorliegenden Fall materiell begründet sein.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]a) Erfüllung i.H.v. 61 €, §§ 362 I, 267 I BGB [FONT=Cambria,Cambria]
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Die titulierte Forderung könnte i.H.v. 61 € durch Erfüllung, § 362 I, 267 I BGB, erloschen sein. Zur Erfüllung muss die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt, der Leistungserfolg also eingetreten sein. Bei einer Banküberweisung tritt der Leistungserfolg ein, sobald der Gläubiger endgültig über den geschuldeten Betrag frei verfügen kann, was gem. § 676f BGB mit Gutschrift auf dem Empfängerkonto der Fall ist.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria](1) geschuldete Leistung
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Es müsste gerade die geschuldete Leistung erbracht worden sein. § 362 BGB geht bei einer Geldschuld grundsätzlich davon aus, dass Barzahlung geschuldet ist. Die Parteien können jedoch auch abweichend Banküberweisung vereinbaren. Vorliegend ist davon auszugehen, dass K und B eine solche Vereinbarung getroffen haben, so dass mit der Banküberweisung eine Leistung der geschuldeten Art vorliegt.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria](2) an den Gläubiger bewirkt
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Weiter müsste die Banküberweisung gerade an den Gläubiger bewirkt sein. Gerade B müsste also endgültig über den geschuldeten Betrag verfügen können. Vorliegend kann B jedoch nur über 61 € frei verfügen, denn nur dieser Betrag ist seinem Konto gutgeschrieben. Über den Restbetrag i.H.v. 1.439 € kann er nicht verfügen, da dieser sich auf dem Dienstkonto der GV befindet und B keine Verfügungsmacht über dieses Konto hat. Mithin kann die Leistung höchstens i.H.v. 61 € bewirkt gem. § 362 I BGB sein, nicht jedoch hinsichtlich des Restbetrags von 1.439 €, da dieser nicht an den Gläubiger B bewirkt ist.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria](3) Leistung durch einen Dritten (§ 267 I BGB)
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Zudem dürfte es nicht schaden, dass die Überweisung durch die GV bewirkt wurde und nicht durch K. Der Schuldner muss die Leistung nur dann durch eine eigene Handlung bewirken, wenn er „nicht in Person zu leisten" hat, also keine höchstpersönliche Leistung geschuldet ist. In allen anderen Fällen führt auch jede Erfüllung durch einen Dritten, § 267 BGB oder Erfüllungsgehilfen, § 278 BGB, zu einer ordnungsgemäßen Erfüllung. Eine Pflicht zur höchstpersönlichen Leistung ergibt sich vorliegend weder aus Gesetz, noch aus Vereinbarung oder der besonderen Natur des Schuldverhältnisses, so dass es nicht schaden kann, dass [FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]GV [FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]die 61 € auf das Konto des B überwies und nicht K.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria](4) Ergebnis zu a)
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Mithin erlosch die titulierte Forderung mit Gutschrift der Überweisung der GV auf dem Konto des B i.H.v. 61 € gem. §§ 362 I, 267 I BGB durch Erfüllung.

Fortsetzung im nächsten Beitrag.
 
frewillige Zahlung: K gegen B, § 767 ZPO Teil II

Teil II:

[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]b) Erfüllung i.H.v. 1.439 €, §§ 362 II, 185 BGB
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Umfänglich der restlichen 1.439 € könnte die titulierte Forderung auch nach §§ 362 II, 185 BGB nicht [FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]erloschen sein. Gem. § 362 II BGB ist Erfüllung der zwischen Gl. und Sch. bestehenden Forderung auch durch Leistung an einen Dritten möglich. K könnte insofern durch Überweisung an GV erfüllt haben. Aufgrund der Rechtsfolgenverweisung in § 362 II BGB auf § 185 BGB muss der Gl. jedoch der Erfüllung durch Leistung an den Dritten zustimmen. Zustimmen kann der Gl. nach § 185 I BGB schon vor Erbringung der Leistung durch Einwilligung, oder nach § 185 II BGB auch noch nach Leistungserbringung durch Genehmigung.
[FONT=Calibri,Calibri]Vorliegend ist aber gerade fraglich, ob der Gl. B der Leistung an die GV zugestimmt hat.
[FONT=Calibri,Calibri]Der Vollstreckungsantrag des B an die GV bedarf der Auslegung, inwieweit er als eine solche Einwilligung anzusehen ist. Maßgebliche Kriterien sind die Interessenlage des B und die rechtliche Einordnung des Dreiecksverhältnisses zwischen Gl., GV und Sch.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria](a) Interessenlage des Gl. (B)
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Die Interessenlage des B spricht für eine Auslegung des Vollstreckungsantrags als Einwilligung i.S.d. § 362 II BGB. Denn der Vollstreckungsgläubiger strebt beim Zahlungstitel regelmäßig bevorzugte Befriedigung vor allen anderen Gläubigern an. Zahlt also ein Sch. freiwillig an den GV mit der Bestimmung, die Schuld eines bestimmten Gl. begleichen zu wollen, so spricht nichts dafür, dass der Gl. seine über §§ 362 II, 185 BGB zu erreichende bevorzugte Befriedigung an seiner eigenen Zustimung scheitern lassen wollte. Die Auslegung, dass der Gl. mit seinem Vollstreckungsantrag konkludent auch seine Einwilligung erklärt, dass der Sch. auch an den GV als „Dritten" i.S.d. § 362 II BGB erfüllen kann, würde das Interesse des Gl. realisieren. Daher ist vorliegend von einer Einwilligung des B auszugehen. Im weiteren kann nur noch zweifelhaft sein, inwieweit diese Einwilligung zur Rechtsfolge der Erfüllung führen kann.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria](b) Rechtsfolgen unter Berücksichtigung des Dreiecksverhältnisses Gl. - GV – Sch.
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Zu berücksichtigen sind Antragsverhältnis (Gl. – GV), Vollstreckungsverhältnis (Gl. – Sch.) und Eingriffsverhältnis (GV. – Sch.). Der historische ZPO-Gesetzgeber von 1877 sah in den §§ 753, 754 den GV als privatrechtlichen Stellvertreter des Gläubigers (Vertretertheorie, siehe noch heute: „Auftrag" in §§ 753, 754). In diese Sichtweise würde sich die Rechtsfolge Erfüllung nach §§ 362 II, 185 BGB nahtlos einpassen. Die Forderung wäre nach dieser Ansicht bereits mit Zahlung an die GV erfüllt. Allerdings steht das Zwangsvollstreckungsrecht heute in einem Spannungsverhältnis zwischen privatem und öffentlichem Recht, insbesondere im Hinblick auf den im öffentlichen Interesse gebotenen Schuldnerschutz, so dass auf der anderen Seite die Vertreter der Amtstheorie den GV ausschließlich hoheitlich tätig sehen wollen. Allerdings kommen auch die Amtstheoretiker bei der Anwendung der oft lückenhaften ZPO-Regelungen nur unter Zuhilfenahme privatrechtlicher Normen zu sinnvollen Ergebnissen, so dass richtigerweise das grundsätzlich auch auf die Zwangsvollstreckung anwendbare private Recht durch öffentliches Recht nur begrenzt und nicht vollständig verdrängt wird. In welchem Ausmaß, das kann konkret jedoch nur im Einzelfall sinnvoll bestimmt werden. So bestimmt zwar § 754, dass der Gl. den GV „beauftragt", „Zahlungen (...) in Empfang zu nehmen". Das kann aber den GV nicht an der pflichtgemäßen Bestimmung hindern, [FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]für welchen [FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]von mehreren Gl. er die Zahlung in Empfang nimmt. Diese Bestimmung hat der GV aufgrund seiner Amtspflicht – der GV ist gem. § 154 GVG Beamter und übt kraft seines Amtes staatliche Hoheitsgewalt aus – unter Berücksichtigung der grundlegenden Prinzipien und Normen des Zwangsvollstreckungsrechts zu treffen. Stehen also der Weiterleitung der freiwilligen Zahlung an den vom Sch. bestimmten Gl. keine zwingenden Bestimmungen entgegen, die der GV zu beachten hat, so spricht auch nichts dagegen, mangels expliziter gesetzlicher Regelung der freiwilligen Zahlung an den GV die privatrechtlichen Normen §§ 362 II, 185 BGB anzuwenden und die Rechtsfolge der Erfüllung eintreten zu lassen – mithin die reine Vertretertheorie anzuwenden. Liegen dem GV dagegen gleichzeitig mehrere Vollstreckungsanträge vor und hat mindestens einer der anderen Gl. einen besseren Rang, so stehen der Rechtsfolge der §§ 362 II, 185 BGB zwingende öffentliche Grundsätze und Normen entgegen. Im Zwangsvollstreckungsverfahren ist nämlich erstens zwingend der Prioritätsgrundsatz zu wahren. Vorrangige Gl. sind vorrangig zu befriedigen. Das private Recht kann seine Rechtsfolgen hier nur soweit entfalten, wie der Prioritätsgrundsatz nicht berührt ist. Daher scheidet eine Rechtsansicht aus, die in einem solchen Fall den GV rein als privatrechtlichen Vertreter des Gl. ansieht. Der GV kann nicht aufgrund des privatrechtlichen „Auftrags" so weit gebunden sein, dass er zu Lasten der anderen Gl. den Prioritätsgrundsatz verletzt. Zweitens darf der GV aber hoheitlich nur aufgrund einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung tätig werden. Seine Zwangsbefugnisse bei der Pfändung – etwa die Wegnahme von Geld - darf er überhaupt nur ausüben, weil §§ 754 f., 808 ihn dazu ermächtigen. Keine umfassende gesetzliche Ermächtigung hält das Gesetz dagegen für den Fall der freiwilligen Zahlung des Sch. an den GV bereit. Nimmt der GV also eine freiwillige Zahlung des Sch. entgegen, die nach der Bestimmung des Sch. der Befriedigung eines bestimmten Gl. dienen soll, verteilt der GV diese Zahlung dann aber entgegen dieser Bestimmung, so greift er in Eigentum und Privatautonomie des Sch. ein, ohne dazu gesetzlich ermächtigt sein. Gegen einen etwaigen privatrechtlichen Auftrag verstiesse er sowieso. Daher sollte der GV in einem solchen Fall die ihm vom Sch. zunächst freiwillig geleistete Zahlung zusätzlich pfänden. Diese Pfändung hat er, damit sie später auch gerichtlich überprüfbar ist, in einem Pfändungsprotokoll zu dokumentieren, §§ 762, 763 und den Sch. von der Pfändung in Kenntnis zu setzen, § 808 III. Ist das Geld dann ordnungsgemäß gepfändet, bewegt sich der GV wieder auf dem Terrain der gesetzlichen Ermächtigung. Jetzt darf, ja muss er das Geld des Sch. nach den §§ 815, 827
[FONT=Calibri,Calibri]entsprechend der von den Gl. besetzten Ränge verteilen bzw. bei Widerspruch eines Gl. das Geld hinterlegen, bis über die richtige Verteilung dann im Verteilungsverfahren, §§ 872 ff. entschieden ist. Von der hier dargestellten Rechtsansicht geht im Ergebnis offensichtlich auch § 168 Nr. 1, 2 GVGA aus, der als Verwaltungsvorschrift freilich bloß interne Wirkungen entfaltet und daher nicht verbindliche Norm für eine gerichtliche Entscheidung – und damit auch nicht für ein Fernunistudentengutachten – sein kann.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria](c) Subsumtion
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]So sind diese dargestellten rechtlichen Grundsätze endlich auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Die GV war im Grundfall von mehreren Gl. mit der Pfändung beauftragt worden. K zahlte freiwillig durch Überweisung mit der Maßgabe, damit nur B zu befriedigen. Nimmt man an, was der Sachverhalt jedoch nicht mitteilt, die GV habe, nachdem sie von dem Eingang dieser Zahlung auf ihrem Dienstkonto mit dem entsprechenden Verwendungszweck Kenntnis erlangte, das Geld gepfändet, die Pfändung protokolliert und den K von der Pfändung in Kenntnis gesetzt, so bliebe kein Raum für die reine Vertretertheorie. Die Wirkung der §§ 362 II, 185 BGB wäre durch die Normen des Zwangsvollstreckungsrechts verdrängt. Hinsichtlich der 1.439 € könnte daher im Schuldverhältnis B – K keine Erfüllungswirkung nach §§ 362 II, 185 BGB eingetreten sein. Nimmt man dagegen an, die GV habe pflichtwidrig die Pfändung der zunächst freiwilligen Zahlung unterlassen, so kann die Erfüllungswirkung der Zahlung nach §§ 362 II, 185 nicht begrenzt sein, da die bestimmungswidrige Verteilung der Zahlung durch die GV von keiner gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt wäre. Wo keine zwingenden öffentliche-rechtlichen Erfordernisse es verlangen, muss die reine Vertretertheorie zum Zuge kommen. Die Zahlung des Sch. hinge bzgl. ihrer Rechtsfolgen sonst „in der Luft". Das muss gelten, auch wenn dies etwaige Folgeprobleme bzgl. der Haftung des GV (dann aus Verletzung des privatrechtlichen Vollstreckungsauftrags oder doch Amtshaftung?) aufwirft. Diese Probleme sind an anderer Stelle sachgerecht zu lösen. Die private Haftung des GV kann im vorliegenden Fall durch den Amtshaftungsanspruch verdrängt sein, obwohl die Frage nach der Erfüllung gem. §§ 362 II, 185 BGB privatrechtlich gelöst wurde. In der Abwandlung des Falls endlich kann nichts anderes gelten. Die GV leitet dort die 1.439 € pflichtwidrig an andere Gl. weiter, obwohl sie von diesen keinen Vollstreckungsauftrag vorliegen hat. Im Verhältnis B – K ist dennoch gem. §§ 362 II, 185 BGB von Erfüllung auszugehen. Das pflichtwidrige Verhalten eines Amtswalters kann daran nichts ändern.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria](d) Ergebnis zu b)
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Da aus dem vorliegenden Fall nichts ersichtlich ist, was auf ein pflichtwidriges Verhalten der GV hindeuten würde, ist davon auszugehen, dass die GV pflichtgemäß handelte, mithin das zunächst freiwillig gezahlte Geld nach der Empfangnahme für alle beauftragenden Gl. gepfändet hat. Hinsichtlich der 1.439 € kann vorliegend im Verhältnis B – K auch keine Erfüllungswirkung nach §§ 362, 185 BGB eingetreten sein, da dem Eintritt dieser Rechtsfolge das zwingende Verfahrensrecht der Zwangsvollstreckung entgegen steht, insbesondere die §§ 815, 827. Die titulierte Forderung erlosch daher hinsichtlich der 1.439 € auch nicht. (Vielmehr trat, da keiner der Gl. der Verteilung widersprochen hat, in jedem Schuldverhältnis zwischen K und den einzelnen Gläubigern insoweit Erfüllungswirkung nach §§ 362, 185 BGB ein, als die GV die Zahlung an jeden einzelnen Gläubiger verteilt hat.) In der Abwandlung dagegen trat im Verhältnis B – K Erfüllungswirkung nach §§ 362, 185 BGB auch hinsichtlich der 1.439 € ein. Das pflichtwidrige Verhalten der GV, die die Zahlung bestimmungswidrig und ohne dazu gesetzlich ermächtigt zu sein, an andere Gl. verteilte, kann daran nichts ändern. In der Abwandlung erlosch mithin die titulierte Forderung insgesamt.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]c) Ergebnis zu 1.
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Bisher ist die Einwendung der Erfüllung umfänglich der 61 € in jedem Fall materiell begründet. Umfänglich der 1.439 € ist die Einwendung im Grundfall mangels Erlöschen der titulierten Forderung unbegründet, in der Abwandlung erlosch die Forderung insgesamt, die Einwendung der Erfüllung ist in der Abwandlung daher auch hinsichtlich der 1.439 € und damit insgesamt materiell begründet.
[FONT=Calibri,Calibri]
[FONT=Calibri,Calibri]Fortsetzung im nächsten Beitrag.
 
freiwillige Zahlung: K gegen B, § 767 ZPO (Teil III)

[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]Fortsetzung (Teil III)

[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]2. § 815 III analog: Fingierte Erfüllung bzw. Wegfall der Leistungspflicht aufgrund Gefahrtragung
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]K könnte in seiner Vollstreckungsgegenklage aber eine erfolgreiche Einwendung erheben, wenn § 815 III entsprechend anwendbar ist. Diese Einwendung wäre dann in Grundfall und Abwandlung – insgesamt (umfänglich 1.500 €) materiell begründet. § 815 III gibt dem Sch., dem vom GV Geld gepfändet (weggenommen, §
[FONT=Calibri,Calibri]808 I, II) wurde, eine Einwendung gegen die weitere Vollstreckung. Die Norm kann analog auch auf den vorliegenden Fall angewendet werden, in dem der Sch. freiwillig an den GV zahlte. (Hier wäre eine ausführliche Begründung dieser Analogie erforderlich, ich verweise dazu auf NJW 2009 Heft 15, 1085 bzw. BGH, Beschl. v. 29.1.2009 – III ZR 115/08 bzw. ZJS 3/2009, Meller-Hannich, Die freiwillige Leistung in der Zwangsvollstreckung bzw. JuS 2009, 575). Hinsichtlich der Rechtsfolgen ist dogmatisch umstritten, ob § 815 III die Erfüllung fingiert oder als Gefahrtragungsregel zu verstehen ist, wegen der sich der Gl. nicht darauf berufen darf, der GV habe ihm das Geld nicht ausgehändigt. In jedem Fall greift die Einwendung des Sch., er habe an den GV gezahlt. So kann vorliegend auch K erfolgreich einwenden, er habe die Forderung in voller Höhe der GV bezahlt. Seine auf § 815 III analog gestütze Einwendung ist damit umfänglich der gesamten 1.500 € begründet.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]3. keine Präklusion
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Die Einwendung ist auch nicht gem. § 767 II, III präkludiert.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]4. Ergebnis zu II.
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Die Vollstreckungsgegenklage ist begründet.
[FONT=Cambria,Cambria][FONT=Cambria,Cambria]III. Ergebnis zu A.
[FONT=Calibri,Calibri][FONT=Calibri,Calibri]Die Vollstreckungsgegenklage des K gegen B ist zulässig und begründet. Das Gericht wird die Zwangsvollstreckung aus dem (genau bezeichneten) Vollstreckungsbescheid für unzulässig erklären. Nach Vorlage des Urteils wird der GV pflichtgemäß die Pfändung des PKW aufheben. (B kann von K auch nicht mehr Zahlung von 1.439 € verlangen. Vielleicht haftet wegen einer Pflichtverletzung der GV aber der Staat).
 
Oder doch besser die Kurzfassung?

Fall: S erhebt gegen G Vollstreckungsabwehrklage auf Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung. G hatte den Gerichtsvollzieher geschickt, der einen PKW pfändete. Drei Tage später überwies S einen Betrag in Höhe der titulierten Forderung plus aller angefallenen Kosten und Zinsen auf das Dienstkonto des Gerichtsvollziehers. Diesr jedoch reichte die Zahlung bisher nicht an G weiter. G besteht daher darauf, dass der PKW versteigert wird, er will außerdem eine Gehaltspfändung ausbringen. Wie wird das Gericht entscheiden?

Lösung:

Die Klage ist zulässig. Sie könnte auch begründet sein, da S an den Gerichtsvollzieher die Forderung plus aller Kosten und Zinsen bereits freiwillig gezahlt hat. Bezahlt der Schuldner freiwillig an den Gerichtsvollzieher, so kann er dies im Prozess (§ 767 ZPO) erfolgreich einwenden. Die Zwangsvollstreckung wird dann für unzulässig erklärt. Ob sich dies dogmatisch aufwendig aus einer Erfüllung gem. §§ 362 II, 185 BGB oder aus der Bestimmung des § 815 III ZPO, der nach h.M. auch bei freiwilliger Zahlung entsprechend anwendbar ist, herleiten lässt - auch hier gibt es viel Streit, ob § 815 III ZPO nur eine Gefahrtragungsregel darstellt oder die Erfüllung fingiert, das ist im Ergebnis völlig unbeachtlich. Hat der Schuldner an den Gerichtsvollzieher gezahlt, so kann er dies in jedem Fall im Prozess erfolgreich einwenden. Da S die titulierte Forderung plus aller Kosten und Zinsen an den Gerichtsvollzieher bezahlt hat, ist die Klage begründet, die Zwangsvollstreckung aus dem genau bezeichneten Titel wird das Gericht für unzulässig erklären. Mit dem Urteil kann S zum Gerichtsvollzieher gehen, der daraufhin die Pfändung des PKW aufheben wird. Einer etwaigen Gehaltspfändung könnte S ebenfalls das Urteil entgegen halten.
 
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