Wer muß Hinsendekosten beim Verbraucherwiderruf tragen ?

Dr Franke Ghostwriter
Verbraucher K kauft beim Unternehmer V über dessen Internetshop einen Artikel im Wert von 15,- €. Zusätzlich bezahlt er die Versandkosten i.H.v. 6,- € (Hinsendekosten).

K gefällt die Ware nach Erhalt jedoch nicht. Er sendet sie ordnungsgemäß zurück, wofür er die Versandkosten bezahlt.

V erstattet rechtzeitig 15,- €, die Hinsendekosten jedoch weigert er sich zu erstatten.

Zu Recht ?

Abwandlung: Jetzt beträgt der Kaufpreis 1.500,- €. Macht das einen Unterschied ?
 
Wie verträgt sich die deutsche Regelung mit der EU-Fernabsatz-Richtlinie, nach der die einzigen Kosten, die dem Verbraucher aufgrund des Widerrufs auferlegt werden dürfen, die unmittelbaren Kosten des Rückversands sind ?

Der deutsche Gesetzgeber hat (neben einer zweiten Variante) für Käufe zum Preis weniger 40,- € in § 357 II 3 BGB bestimmt, daß der Verbraucher beim Widerruf die Kosten für beide Versandwege zu bezahlen hat, (sofern dies vertaglich vereinbart wurde). Das widerspricht aber Art. 6 FernAbsRL. Diese Richtlinie ist nach Art. 14 FernAbsRL zwingendes Recht, von dem die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in nationales Recht nur dann abweichen dürfen, wenn sie damit ein höheres Schutzbiveau für den Verbraucher schaffen. Hier schuf der deutsche Gesetzgeber ein für den Unternehmer höheres Schutzniveau - zu Lasten der Verbraucher.

Nach der RL dürfte der Unternehmer dem Verbraucher die Rücksendekosten auferlegen, nicht jedoch die Hinsendekosten - unabhängig von der Höhe des Verkaufspreises und unabhängig davon, ob die Rechnung bereits beglichen ist oder nicht. Im Fall des Widerrufs soll der Verbraucher also höchstens die Kosten für einen Versandweg bezahlen müssen.

Nach deutschem Recht soll dagegen bei Sachen teurer 40,- € der Verbraucher die Kosten der Hinsendung, der Unternehmer die Kosten der Rücksendung tragen. Eigentlich gerecht - dennoch im Widerspruch zur Richtlinie? Nach dieser soll der Verbraucher höchstens die Kosten der Rücksendung tragen, nicht jedoch die der Hinsendung. Ob es sich nun gerade um Kosten der Hin- oder der Rücksendung handelt, dürfte relativ unerheblich sein, nachdem der Versand ein und derselben Ware wohl jeweils gleich teuer ist. Jede Partei muß eben einen Versandweg bezahlen. Das Risko, wegen eines Widerrufs auf Versandkosten sitzen zu bleiben, ist auf beide Parteien zu gleichen Teilen verteilt. Also eine zulässige Abweichung von der RL ?

Bei Sachen unter 40,- € soll der Verbraucher dagegen beide Versandwege bezahlen müssen, wenn dies vertraglich vereinbart ist, § 357 II 3 BGB. Das Risiko, daß trotz Bemühungen des Unternehmers, dem Verbraucher etwas zu verkaufen, im Ergebnis doch kein Geschäft zustande kommt, soll also nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers der Verbraucher allein tragen. Sollen wir demnächst auch bei Media-Markt am Ausgang uns an den Fixkosten für die Bereitstellung der Verkaufsräume - Strom, Miete, Personalkosten etc. - beteiligen, wenn wir den Laden wieder verlassen, ohne etwas zu kaufen ?!

Darf ich also den § 346 BGB richtlinienkonform teleologisch reduzieren, oder muß ich in der Klausur den EUGH anrufen ? 😱

Oder muß man in diesem Fall den § 357 II 3 BGB für unwirksam erklären ? Wie macht man das methodisch richtig ?

Man könnte doch einfach das zugrunde liegende Rechtsgeschäft für unwirksam erklären: Nach § 357 II 3 BGB beruht die zusätzliche Belastung des Verbrauchers mit den Rücksendekosten nämlich auf einer vertraglichen Vereinbarung. Diese Vereinbarung verstößt aber gegen Art. 6 FernAbsRL und ist somit nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig - kann man das so sehen ?


Nach dieser Ansicht hätte K noch Anspruch auf Rückerstattung der Hinsendekosten 🙂 Danke EU !
 
Schade, noch keine Antwort. Ich hab auch nichts klärendes beizutragen, wäre aber brennend an einem Lösungsvorschlag interessiert.
Kann das Ganze aber noch verkomplizieren:
Wie ist es, wenn der Verbraucher mangelhafte Ware zurücksendet?
Ich hatte neulich unglaubliches Theater mit einem gewerblichen Ebay Verkäufer, der der Meinung war, dass ich mich zwischen Widerruf und Reklamation entscheiden müsse, und wenn ich Widerruf wähle, die Versandkosten komplett tragen müsse, weil Kaufpreis unter 40 Euro, oder bei Reklamation ihn nachbessern lassen muß. In allen offiziellen Widerrufsbelehrungen steht der Passus "der Käufer trägt die Versandkosten, es sei denn, der Warenwert liegt über 40 Euro ODER die glieferte Ware entspricht NICHT der bestellten."
Kann da noch jemand was zu sagen? Also wie sich das genau aus dem Gesetz ergibt?
 
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