Du bist also der Meinung, das Skript ist in Bezug auf §615 und §326 falsch.
Der in § 326 Abs. 2 Seite 1 Alt. 2 BGB geregelte Fall, dass die Unmöglichkeit zu einem Zeitpunkt eintritt, zu welchem sich der andere Teil im Annahmeverzug befindet, wird im Arbeitsrecht durch § 615 BGB als lex specialis geregelt.
§ 614 regelt nicht das Entstehen eines Anspruchs sondern die Fälligkeit. Der Anspruch entsteht aus Vertrag und geht nicht einfach so unter, wenn der AN nicht leistet. Dafür gibt es im Falle der Unmöglichkeit die §§ 275, 326 BGB.
Nein, das Skript stimmt schon. Es sagt, daß der § 615 einen Spezialfall der Unmöglichkeit regelt. Deshalb ist
in diesem Spezialfall auch nur der § 615 Teil der AGL, auf die §§ 275, 326 ist nicht einzugehen, weil sie von § 615 verdrängt werden.
In Deinem
anderen Fall, wo der AN nicht zur Arbeit kommt, weil er verkatert im Bett lag, muß man ebenfalls nicht auf die Unmöglichkeit zurück greifen, dahinter steckt der selbe dogmatische Grund:
§ 614 regelt tatsächlich die Fälligkeit des Lohnanspruchs, mithin die Fälligkeit des Gegenleistungsanspruchs. Dem § 614
voraus geht aber dogmatisch, daß Arbeit und Lohn in einem
Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, "ohne Arbeit kein Lohn". Dieser Grundsatz kommt auch in § 614 zum Ausdruck. § 614 ist Spezialregelung des § 271 für die Fälligkeit der Vergütung.
Arbeit und Lohn stehen also in einem Gegenseitigkeitsverhältnis - der
AN ist dabei
vorleistungspflichtig. Deshalb ist es doch in dem Fall, daß der AN seine Leistung noch überhaupt nicht erbracht hat sehr naheliegend, den Lohnanspruch bereits daran scheitern zu lassen, daß der Vorleistungspflichtige seine Leistung noch gar nicht erbracht hat.
Du kannst also nicht einfach sagen, daß der Anspruch bereits aus dem Vertrag entstünde und nicht deshalb unterginge, weil der AN nicht leistet -
nein: Der Lohnanspruch entsteht zwar aus dem Arbeitsvertrag, der AN kann ihn aber grundsätzlich erst dann geltend machen, wenn er selbst entsprechend vorgeleistet hat. Zur Frage, ob der Lohnanspruch wegen nachträglicher Unmöglichkeit untergegangen sein könnte, gelangt man gar nicht.
Ich habe nicht behauptet, daß der Anspruch
unterginge. Hinter meiner Argumentation steckt eher ein Art "Einrede des nichterfüllten Arbeitsvertrags", die in § 614 steckt.
Und dann gibt es auch noch die anderen Fälle, in denen noch ein
"Verschulden" des AG hinzukommt (Annahmeverzug, § 615 S.1) oder der
AG ein
Risiko trägt (§ 615 Seite 2,3) oder das Gesetz sonst eine
Ausnahme von der Vorleistungspflicht festlegt (§ 616, vorübergehende Verhinderung, Entgeltforzahlung im Krankheitsfall etc.). Auch all diese Fälle könnte man über die Unmöglichkeit lösen, wozu man aber wegen der Spezialregelungen gar nicht kommt. All das sind Ausnahmen vom Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn" und damit Ausnahmen von der grundsätzlichen Vorleistungspflicht des AN. Die Voraussetzungen, insbesondere wer die "nachträgliche Unmöglichkeit", richtigerweise den Arbeitsausfall "verschuldet" hat, ergeben sich immer bereits aus den Spezialnormen.
Bei der Anwendung des § 326 hätte man doch immer das Problem, daß man ein Verschulden feststellen müßte, § 326 II 1, "Schuldner (...) allein oder weit überwiegend verantwortlich" - gerade die Frage, wer den Arbeitsausfall "verschuldet" hat, ist aber in den Spezialnormen eindeutig festgelegt, man braucht sich nciht den Kopf darüber zu zerbrechen.
Im Fall des faulenzenden AN könnte man natürlich sagen, daß der AN gar nicht mehr vorleisten
können wird, weil er niemals mehr
zur rechten Zeit, die bereits vergangen ist, leisten könnte - mithin also ein Fall der nachträglichen Unmöglichkeit vorliegt. Man käme dann über die Unmöglichkeit der Leistung, § 275, zum Wegfall der Gegenleistung, § 326 I 1 und somit auch zum
Erlöschen des Lohnanspruchs. Da es aber praktisch keinen Unterschied macht, ob der AG nun nicht zahlen muß, weil der AN (noch) nicht vorgeleistet hat oder ob er von der Zahlungspflicht befreit ist, weil der Anspruch erloschen ist, kann man es sich doch einfach machen und die Prüfung schon dort abbrechen, wo der Zahlungsanspruch scheitert. Weiterprüfen müßte man doch nur bei einem anderen Fall, wenn z.B. danach gefragt würde, ob der AN einen Anspruch darauf hat, die versäumte Arbeit
nachholen zu dürfen. Ist nichts vereinbart, dann darf er das nicht, weil die Arbeitsleistung grundsätzlich Fixschuldcharakter hat und die Leistung einer Fixschuld nach Zeitablauf unmöglich ist.