Die Nazijuristen

Dr Franke Ghostwriter
Kollegen,
Muss einfach mal loswerden,dass es mich gruselt:
Ich wusste schon lange, dass die meisten deutschen Juristen Mitglieder der NSDAP waren, und mehr oder weniger aktiv die nationalsozialistischen Verbrechen mitgetragen haben . Ich wusste auch, dass nach dem Krieg dieselben Männer wieder hohe Ämter inne hatten in der BRD. Ich hatte nämlich einen Großvater, der zu den Ausnahmen gehörte . Obwohl er ein begabter Jurist war mit Spitzenexamen, musste er als Richter aufhören, weil er sich weigerte, in die Partei einzutreten. Nach dem Krieg durfte er zwar wieder arbeiten am OLG Karlsruhe, aber er hatte genau diese ehemaligen NSDAP-Juristen über sich. Er schrieb deshalb sogar an den Bundespräsdidenten.
So weit wusste ich also Bescheid.

Aber nun bin ich doch etwas geschockt, seit ich den Lebenslauf des Herrn Palandt las. Ein führender Nazi. Und so einer kommt uns heute noch als ehrenvoller Herausgeber des wichtigsten Kommentars ? Wie geht das denn ? Leider war es mit den Herren Maunz und Dürig auch nicht viel besser.
Sagt mal , wusstet ihr das ? Ich würde jetzt am liebsten diese Namen nicht mehr verwenden in Hausarbeiten. Ich beginne zu verstehen ,welche Kränkungen einem integren Juristen wie meinem Großvater angetan wurden. Ist das denn unwichtig, nur weil wir 2011 haben ? Ich denke nicht, denn ich frage mich, wieso Juristen so wenig standhaft waren ? Es liegt wohl eine große Gefahr darin, sich auf das Gesetz zu verlassen. Mein Großvater schrieb einmal : Das Recht ändert sich nicht, nur weil die Lumpen das Gesetz ändern.
Aber wieso müssen wir bis heute solche Nazis wie den Palandt zitieren in unseren Arbeiten ? Auch wenn der Inhalt natürlich entnazifiziert ist, aber das ist, als ob die Mediziner nach " dem " großen Mengele " lenen würden. Die Sache gefällt mir nicht . Was meint ihr dazu ?
 
Aber wieso müssen wir bis heute solche Nazis wie den Palandt zitieren in unseren Arbeiten ?

Beachte dass Du (in den meisten Fällen) nicht den Otto Palandt zitierst wenn Du den "Palandt" zitierst. Viele Autoren waren und sind an dem Kommentar beteiligt, für deren Vergangenheit man sich aber auch interessieren kann.

Ich sehe den Palandt als "Marke" und nicht als Person. Es gibt heute viele Unternehmen, Einrichtungen, Marken, Organisationen, etc. mit Nazivergangenheit, weil es sie schon zur Nazizeit gab. Denke z.B. an die deutschen Automobilhersteller. Wie sieht es mit dem Verlag C. H. Beck aus, in dem der Palandt erscheint? Und Verlagsleiter Heinrich Beck?

Die Verwendung des "Palandt" ist Dir übrigens freigestellt, Du musst ihn nicht verwenden. Inbesondere liegt es in Deinem Ermessen, bestimmte Palandt-Autoren in Deinen Arbeiten nicht zu berücksichtigen.

Liebe Grüße
 
Ich habe die letzten Tage viel gelesen, und bin erfreut, dass zumindet vereinzelt Juristen die Problematik nicht ignorieren. Ich bin viel zu sehr Anfängerstudent, um mir eine abschließende Meinung erlauben zu können. Trotzdem erschreckt mich die Grundhaltung der juristischen Lehre. Nach dem Krieg haben ehemalige Nazis maßgeblich unser Grundgesetz mit erarbeitet. In der frühen BRD saßen sie dann in höchsten Ämtern. Ich las einige interessante Ausführungen zum Grundgesetz, das solche chamäleonschen Wandlungen ermöglichte. Die DDR hat bekanntlich anders reagiert.

Heute haben wir es zu tun mit zunehmendem Rechtsradikalismus, und erneut erscheint unser Staat mit diesem Grundgesetz zu wehrlos und arglos . Ich bin dies Semester im Verfassungsrecht dabei , und finde es schade, dass auch die Fernuni das Thema ausspart. Ich würde gern mehr verstehen, aber dazu kann man wohl die Geschichte des Grundgesetzes nicht ganz ausklammern. Es sind vielleicht doch nicht nur harmlose Traditionen ,wenn die juristische Lehre sich heute noch auf diese Chamäleons beruft.

liebe Grüße
Friedilein
 
Friedilein,

es ist nicht richtig, dass die Fernuni die Rolle der Juristen zur Zeit des Dritten Reiches, der Gründung der Bundesrepublik oder der DDR ausspart.
Das ist alles Thema im Mastermodul Rechtsgeschichte, wo es meiner Ansicht nach auch hingehört.

Gruß

Claudia
 
Claudia,
Danke für den Hinweis. Ist ja schade für mich, hätte mich sehr interessiert. Die Chancen, es bis ins Masterstudium zu bringen, sind für mich nicht hoch. Aber wer weiß ?

LG Friedilein
 
Da gab es auch noch den sog. "Kronjuristen des Dritten Reiches" namens Carl Schmitt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Schmitt

Ein wirklicher brillianter Kopf, jedoch zugleich ein Advokat des Bösen. Es wird immer gefährlich, wenn sich intelligente Leute auf die Seite eines menschenverachtenden Regimes stellen, so wie es der Schmitt getan hat. Der legt dann detailliert dar, warum der Führer das Recht schafft und diesem nicht unterworfen ist. Kaum vorstellbar, dass so jemand derartiges schreiben konnte.

Auf der anderen Seite sind Sätze wie:

"Die Ausnahme ist interessanter als der Normalfall. Das Normale beweist nichts, die Ausnahme beweist alles; sie bestätigt nicht nur die Regel, die Regel lebt überhaupt nur von der Ausnahme. In der Ausnahme durchbricht die Kraft des wirklichen Lebens die Kruste einer in der Wiederholung erstarrten Mechanik."

... schlichtweg richtig und auch dem Inhalt nach nahezu einfach und genial!
 
Die Verwendung des "Palandt" ist Dir übrigens freigestellt, Du musst ihn nicht verwenden. Inbesondere liegt es in Deinem Ermessen, bestimmte Palandt-Autoren in Deinen Arbeiten nicht zu berücksichtigen.

Liebe Grüße
Chrissi

Sorry, aber das ist so leider nicht richtig. Bei einer wissenschaftlichen Arbeit im Zivilrecht steht es dir nicht frei welche Kommentare du zitierst oder nicht. Es müssen alle in Frage kommenden Quellen zitiert werden.
Insbesondere die Standardkommentare wie Palandt, Münchener Kommentar usw. musst du in jedem Meinungsstreit unterbringen. Im ÖR den Maunz nicht zu bringen darf auf keinen Fall passieren.
Diese Aussagen gelten zumindest für Hausarbeiten. Wenn du selber ein gestandener Wissenschaftler bist, dann musst du das nicht mehr machen.

Soviel zu den wissenschaftlichen Gepflogenheiten. Dass Nazijuristen überhaupt wieder zu Ruhm und Ehren gekommen sind ist natürlich zu kritisieren. Aber ich würde an deiner Stelle deinen Unmut über solche Personen nicht dadurch zeigen, dass ich sie in wissenschaftlichen Arbeiten nicht erwähne.
 
Da gab es auch noch den sog. "Kronjuristen des Dritten Reiches" namens Carl Schmitt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Schmitt

Viel schlimmer finde ich ehrlich gesagt z.B. Karl Larenz. Dessen Methodenlehre wird immer in den Himmel gelobt und auch seine Lehrbücher zum BGB AT und Schuldrecht wurden zu meiner Zeit immer gerne zitiert. Und dabei wird gerne "vergessen", dass Larenz auch einer der führenden Nazi-Juristen war. Ich habe mich seit eh und je geweigert, seine Bücher zu zitieren. Punkt.
 
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