Ethik & Moral am Arbeitsplatz

Dr Franke Ghostwriter
Studiengemeinschaft!

Ich möchte gerne mit euch das Thema "Ethik & Moral am Arbeitsplatz" diskutieren.

Faktisch machen wir das Studium (in welcher Form auch immer) nicht, um danach am Kopierer zu stehen oder Regale aufzufüllen, sondern um Tätigkeiten auszuüben, bei denen nicht nur Fachkompetenz gefragt ist sondern auch Entscheidungen gefällt werden müssen, die Weitblick verlangen und von Verantwortungsbewusstsein zeugen.

Sind manche Entscheidungen am Arbeitsplatz ohnehin schon schwierig oder unangenehm(z.B. das Kündigungsgespräch mit einem Mitarbeiter führen), so gibt es Entscheidungen oder Tätigkeiten, die über das Maß an persönlicher Unbehaglichkeit hinaus gehen.

Hier einige Beispiele, was ich mir darunter vorstelle:

- die Tätigkeit in einem Rüstungskonzern

- als angehöriger der oberen Managementebene trotz Rekordgewinnen tausende Arbeitsplätze abbauen

- Produkte vermarkten, bei denen man genau weiß, dass es sich um (juristisch legitime) Abzocke handelt

Die Fragen, die ich mir(und euch) stelle ist: Wann ist Schluß?
Wann lehne ich eine Aufgabe - womöglich den eigenen Arbeitsplatz riskierend - ab, die gegen meine Moralvorstellungen verstößt?

Da ich der Diskussion zu Beginn alle Richtungen frei lassen möchte, sollen die o.g Beispiele und Fragen als Grundstein an dieser Stelle genügen.
Ich werde mich im Diskussionsverlauf noch diverse male einbringen, Fallbeispiele hinzufügen und selbstverständlich auch meinen eigenen Standpunkt dazu äussern.

Ich wünsche allen Teilnehmern eine konstruktive Diskussion und einen guten Semesterstart.
 
Ein weiteres Beispiel wären ja die Wissenschaftler, welche mit großem Eifer die Atombombe entwickelt haben ...

Da wir alle "Wölfe" sind (etwas frei zitiert), können indivuell auferlegte Schranken kein allgemeiner Maßstab sein. Sobald man persönlich profitiert (nicht nur finanziell), verschwimmen die ein Mal aufgestellten Grundsätze zusehends. Davon kann sich wohl niemand völlig frei sprechen.
Letztendlich könnte da nur der objektive Maßstab der Gesellschaft, respektive der Gesetze, für alle zählen. Hier besteht dann nur das Problem, dass Gesetze der Realität immer hinterherhinken und ihre Durchsetzung und Anwendbarkeit im jeweiligen Einzelfall problematisch sind.
Wenn jeder nur seinen individuellen Maßstab anlegt, dann sind wir eben wieder unsere eigenen Wölfe.
 
Ja, das mit den Wissenschaftlern ist eine gute Ergänzung, denn zweifelsohne ist gerade in dieser Branche die Verantwortung für das Schaffen besonders hoch, wie das Beispiel mit der Atombombe zeigt.

Ich denke, dass eine persönliche Grundhaltung und Prinzipien eine wichtige Sache sind.
Es gibt eine Reihe von Unternehmen, deren Produkte ich nicht kaufe, da mir das Verhalten des Hersteller massiv gegen den Strich geht.
Folglich würde ich in einem solchen Unternehmen auch nicht arbeiten wollen.
Ich Frage mich aber selbst was wäre, wenn ich nun arbeitslos bin und von genau einer solchen Firma eine lukrative Tätigkeit angeboten bekommen würde?
Nehme ich das Angebot an, so muss ich einen moralischen Kompromiß machen. Lehne ich es ab, so war ich zwar Prinzipientreu, muss jedoch mit Sanktionen durch das Arbeitsamt rechnen.
Neben diesen beiden Extremlösungen gibt es aber auch den Mittelweg, z.B. ich nehme den Job an und bin bei der nächstbesten Gelegenheit weg.

In Bezug auf den Rüstungskonzern ist es ähnlich schwierig.
Wer mal in einem Magazin wie Wehrtechnik herumgeblättert hat dürfte erstaunt sein, wie viele deutsche Firmen, die uns durch Alltagsprodukte bekannt sind, dort mit ihren Rüstungsartikeln werben.
Wer beispielsweise bei M.A.N. im Einkauf anfängt, muss ggf. damit rechnen, auch Teile für wehrtechnische Artikel zu beschaffen.
Für mich macht es einen Unterschied, ob ich dann Teile für Bundeswehr LKWs beschaffe oder Teile für Personenminen. Womöglich weiss man aber gar nicht wofür die Teile beschafft werden, da sie sich für alles mögliche einsetzen ließen.

Es wird klar, dass diese Maßstäbe individuell festgelegt werden müssen, insbesondere bei Tätigkeiten in diesen Grauzonen.
Hier dürfte Konsequenz das Schlüsselwort sein.
Idealismus verlangt nach Konsequenz und der Bereitschaft Einschnitte hin zu nehmen, da er keine Sache ist die man bei der erstbesten Gelegenheit über Bord schmeissen sollte.
 
Old Indianer,

ich finde, Du hast ein interessantes Thema eröffnet.

Du führst zentrale Begriffe auf, die auch für mich in der Arbeitswelt von Bedeutung sind. Bin voll berufstätig und mache mir ständig Gedanken über Verantwortung, meine persönliche Grundhaltung und Prinzipien. Weiterhin spielen für mich auch Moral, Konsequenz und Idealismus eine Rolle.

Ja, lass uns gerne einsteigen in einen Themenkomplex, der meines Erachtens noch viel zu wenig beachtet wird.

Wichtige Fragen, die für mich dazu gehören, sind zunächst einmal:

An welche Informationen komme ich überhaupt heran, d.h. wie kann ich verifizieren, ob der Betrieb, in dem ich künftig arbeite, "sauber" ist. Bei so offensichtlichen Beispielen, die Du aufführst, ist alles klar. Aber bei manchen Betrieben steckt das Problem im Detail. Das führt immer wieder zu der Frage: inwieweit kann man informiert sein, bzw. was können wir wissen?

Ein weiterer wichtiger Punkt deucht mir im Individuum zu liegen. Für den Anfang mögen einige Fragen andeutungsweise genügen.
Inwiefern sind dem Einzelnen aufgrund seiner Lebenssituation Grenzen gesetzt? Wie kann/muss z.B. ein Familienvater im Gegensatz zu jemandem entscheiden, der ledig und frei ist?

Wie geschrieben, ein spannendes Thema. Ich bin dabei.

Gruss
Lithops
 
also den von Dir angeschnittenen Aspekt bezüglich der Familienväter kann ich nur bestätigen.
In meiner Prä- Abi und Studienzeit war ich Arbeiter.
Gerade bei diesen richtigen "Malocherjobs" habe ich es mehr als ein mal erlebt, dass den Familienvätern die richtige Drecksarbeit aufgedrückt wurde.

Heute habe ich den Eindruck, dass viele an Ihrem Lebensstatus kleben.
Du hast Familie, die Finanzierung für den Wagen will abgestottert werden und das Haus ist auch noch lange nicht abbezahlt.
Hängt man erst richtig in der Konsummühle drin, ist es schwierig wieder rauszukommen und damit wird man moralisch "erpressbar".

Ein Beispiel aus der Praxis:
Jemand in meinem Bekanntenkreis ist Handelsvertreter für einen Versicherungs- und Finanzdienstleister.
Auto & Haus alles auf pump und sich finanziell total übernommen.
Im Gespräch offenbarte er hinter vorgehaltener Hand, dass er wegen der Provision auf eine hohe Zahl von abgeschlossenen Verträgen angewiesen sei, "Da ginge es auch nicht immer ganz sauber zu...".
Ich kann diese Haltung nicht teilen.

In unserer Gesellschaft scheint mir die "Den-Hals-nicht-voll-genug-kriegen" - Mentalität einen erheblichen Beitrag zu moralisch fragwürdigen Handlungen zu leisten.
Gerade der oben genannte Fall dokumentiert, dass die oft mit der Gewinnmaximierung einher gehende moralisch fragwürdige Verhaltens u./o. Vorgehensweise nicht erst bei Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführern anfängt.

Was die von Dir angesprochene Überprüfung des Unternehmens bezüglich ihrer verantwortungsvollen Vorgehensweise angeht, so ist dies sicher primär eine Frage der persönlichen Vorstellungen, was man noch durchgehen lässt und was nicht.
Ein subjektives Beispiel:
Ein namenhafter Fruchtgummihersteller verwendet bei seinen Produkten Gelantine, welche u.a. aus Rind hergestellt wird. In Sachen BSE ist eigentlich nichts geklärt, das Thema ist nur weitestgehend aus den Medien verschwunden.
Ich kaufe daher keine Produkte aus diesem Haus.
Dennoch könnte ich mir vorstellen bei diesem Unternehmen zu arbeiten, denn dem mündigen Bürger sind diese Informationen leicht und frei zugänglich. Ist liegt in der Eigenverantwortung jedes einzelnen sich über die Produkte zu informieren, was natürlich eine den Tatsachen entsprechende Deklaration vorraussetzt.

In Bezug auf das Beispiel mit dem Handelsvertreter stelle ich also fest, dass dort keine korrekte Deklaration erfolgt, sondern eher eine arglistige Täuschung, da die Kunden trotz konkreter Fragen nicht auf bestimmte Risiken hingewiesen werden.
Dies geschieht, damit eine einzelne Person mit schlechter Finanzplanung und Gier ihre Bedürfnisse befriedigen kann.
 
seit einigen Tagen lese ich dieses interessante Thema mit und freue mich über die verschiedenen Aspekte, die bereits eingegangen sind.
Ich möchte den Blickwinkel aber, im Gegensatz zum ersten Beitrag, doch auf die Personen lenken, die auch mal am Kopierer stehen, dem Chef den Kaffee reinbringen und die Briefmarken auf die Umschläge kleben.
Wie sieht es denn mit der Moral und Ethik am Arbeitsplatz in diesen Aufgabenbereichen aus:
Was ist mit der Bäckereifachverkäuferin, der das Brötchen runtergefallen war und die es im nicht beobachteten Augenblick wieder zum Verkauf in den Korb legt?
Was ist mit der Sekretärin des Fleischgroßhändlers, die genau weiß, dass ihr Boss Gammelfleisch falsch etikettiert und in den Handel bringt?
Oder mit der Erzieherin im Kindergarten, die den Verdacht hat, dass ein Kind zuhause mißhandelt wird. Wann sind die Eltern anzusprechen, wann das Jugendamt, wann ist es denunzieren, petzen oder verantwortlich handeln?

Die Gefahr, dass Menschen aus diesen Arbeitsfeldern bei den Vorgesetzten anecken, wenn sie aus moralischen und ethischen Gründen Mißstände anprangern, ist groß und der Arbeitsplatz schnell wackelig. Es gehört schon viel Mut und Unabhängigkeit dazu, aus solchen Positionen zu den eigenen Werten zu stehen und Konsequenzen auszuhalten.

Ich möchte mich weiterhin gerne an der Diskussion beteiligen und wünsche erst einmal einen angenehmen Abend.

Astrid
 
Astrid,

Das sind wichtige Aspkte, die Du da ansprichtst.
Ich hatte das im Ausgangsartikel nur vorläufig ausgeklammert, da ich hier erst mal "zielgruppenspezifisch" ansetzen wollte.

Es ist richtig, dass der kleine Mitarbeiter, der das Gammelfleisch umetikettiert beim Aufbegehren mit anderen Konsequenzen (nämlich dem Verlust des Arbeitsplatzes) rechnen muss, während viele "Nieten in Nadelstreifen" selbst bei Versagen noch den goldenen Handschlag bekommen.

Da dies hier keine billige Talkshow ist, wo jeder möglichst schnell seine undifferenzierte Meinung ausspucken muss, möchte ich über den Aspekt erst mal nachdenken bevor ich mich dazu tiefschürfender äussern werde.
Es ist ja nicht so, dass ich die Antwort auf das Thema wüsste, sondern eher den Klärungs- u. Disskussionsbedarf sehe.
 
eine spannende Diskussion führt Ihr da und ich möchte mich gerne daran beteiligen. Für mich drängen sich ein paar grundlegende Fragen auf!
Ersten - von welcher Moral und Ethik sprechen wir, wie definiert Ihr diese Begriffe, zweitens finde ich es schade, dass sich die Diskussion in der anonymen Masse von Managern, Sekretärinnen und sonstigen Leuten bewegt. Wenn über das Thema diskutieren, dann über die eigene Ethik und Moral, alles andere ist, ohne Euch angreifen zu wollen, aufwärmen von Allgemeinpositionen.
Ich denke, der Maßstab meiner Ethik kann nur ich sein, deshalb ist mein Maßstab die Frage: Kann ich mich in den Spiegel schauen und mich darin wiedererkennen ohne dass mir dabei übel wird. Wenn ich dann besonders übermütig bin, stelle ich mir auch noch die Frage - was ist aus meinen Idealen und Werten geworden, bin ich noch die, die ich vor 10 Jahren vorgestellt habe, heute zu sein?
Um ethnisch und moralisch zu handeln, brauchen wir nicht zu warten, bis uns der tolle Job in der Rüstungsindustrie angeboten wird. Da haben wir täglich genug Gelegenheiten zu tun. Schau ich weg, wenn ich hinschauen sollte, lehne ich mich auf, wenn in meiner Umgebung Ungerechtigkeit geschieht ... Ich bin natürlich auch keine Heilige und handle oft nach Vorteilhaftigkeit, Diplomatie und Bequemlichkeit natürlich aber ich übe mich täglich darin aufrecht zu gehen - wie ein richtiger Mensch
LG Marianne
 
Marianne

Ich denke um eine moralische Standortbestimmung für mich selbst durchzuführen, ist ein Blick über den Tellerrand durchaus sinnvoll.
Da ich in einer Gesellschaft lebe, schaue ich mir natürlich auch die Verhaltensweisen von meinen Mitmenschen an, und Frage mich ob diese Verhaltensweisen nach meinem Gusto richtig oder falsch sind.
Die Auseinandersetzung mit abstrakten Beispielen und Modellen aus der Wirtschaft u./o. dem beruflichen Umfeld führen schnell zu konkreten Einzefällen.
Daher schließt die Disskusion über die o.g. Allgemeinpositionen die Hinterfragung der eigene Haltung nicht aus, und umgekehrt.
Interessant finde ich das Einbringen der Zeitkomponente(die Frage, was mit meinen Idealen in den letzten zehn Jahren passiert ist).
Für mich ist meine Moral keine statische, sondern eine dynamische Größe.
Man lernt im Leben ständig dazu und so fließen die gewonnenen Erkenntnisse selbstverständlich auch in meine Moralvorstellungen ein.
So haben sich meine Ideale in den letzten zehn Jahren selbstverständlich geändert. Die Frage ist nur, wann artet es in eine "heute-hott-und-morgen-hüh" - Verhaltensweise aus.
Du bist kein perfekter Mensch!?!
Willkommen im Club!
Ich denke auch, dass der zentrale Punkt ist, nicht müde zu werden für sich selbst Entscheidungen zu treffen, die unangenehme Konsequenzen haben können, um sich selber treu zu bleiben.

Im Hinblick auf die Frage nach einer Definiton der Begriffe Moral und Ethik biete ich in diesem themenspezifischem Kontext meine Sicht der Dinge an:

In meinem Weltbild ist die Ethik gewissermaßen der theoretische Hintergrund für die Ausführung moralischer Handlungen, sozusagen die "Bedienungsanleitung", die aber auch die Frage nach dem Sinn stellt.
Grundlage hierfür sind meine eigenen Empfindungen in Hinblick auf zerstörerisches Verhalten - sich selbst oder anderen Gegenüber.
Maßgeblich geprägt haben mich die Werke von Erich Fromm und Arthur Schopenhauer. Unter weiterer Involvierung der Menschenrechte und meiner bescheidenen Lebenserfahrungen kam dabei eine Mischung heraus, mit der ich ganz gut leben kann. Einer der Kernpunkte meiner persönlichen Theorie ist, dass nicht alles getan werden muss nur weil es gesetzlich erlaubt ist, und nicht alles unterlassen werden muss, was gesetzlich verboten ist.

Um die Brücke zum Konkreten zu schlagen beziehe ich mich auf den o.g. Fall des Handelsvertreters.
Obwohl noch in der Grauzone der gesetzlichen Bestimmungen handelt dieser Mensch nach meinem Dafürhalten amoralisch, da er die Schädigung anderer bei gleichzeitigem Vertrauensbruch in Kauf nimmt.
In diesem Fall reichte mir eine barsche Kritik an meinem Gegenüber anstatt solche Dinge einfach nur lächelnd abzunicken(wie oft bei Treffen mit Familie o. Bekannten).
Im Falle von Astrids Beispiel mit der Sekräterin im Fleischgroßhandel, die vom Umetikettieren des Gammelfleischs weiß, liegt der Fall etwas anders.
Eine Moralpredigt gegenüber dem Chef mag zwar sehr couragiert erscheinen, spricht meiner Meinung nach aber für eine ausgeprägte Naivität, denn der Chef wird seine Linie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ändern und darüber hinaus die Sekräterin als potenzielles Sicherheitsrisiko einstufen.
Bewegt wurde nichts!
Ich an ihrer Stelle würde nichts sagen, Beweise sammeln und Strafanzeige erstatten. So und nicht anders sind einige der letzten Fleischskandale aufgedeckt worden.
Ich kann jedoch verstehen, dass sich manche Menschen lieber zurückhalten. Nicht selten gehen die Konsequenzen über den Arbeitsplatzverlust hinaus.
 
O.I.
Danke für Deine Antwort.
Der Blick über den Tellerrand ist mir auch sehr wichtig, nur hat er für mich offensichtlich eine andere Blickrichtung. Für mich bedeutet er, dass ich mir anschaue, welche Moral- und Wertvorstellung, welche Ethik andere Menschen, Kulturen, Religionen ... für richtig und wichtig halten. Ich vergleiche dabei also nicht meine Haltung mit der meiner Mitmenschen sondern Hinterfrage meine eigene Wertvorstellung, nicht um sie unbedingt zu ändern sondern um mir immer wieder bewusst zu machen - ja, so sehe ich die Welt, aber es ist nur eine von sechsmillionensechshunderttausend Möglichkeiten die Welt zu sehen. Wenn ich mir das bewusst mache, werde ich sehr vorsichtig mit dem Urteil über andere Menschen. Ich maße mir nicht an, darüber zu entscheiden, was richtig oder falsch ist. Deshalb habe ich auch so meine Probleme mit dem Begriff Moral - ich spreche lieber von Werten. Der Unterschied besteht für mich darin, dass Werte Überzeugungen in mir sind, zu denen ich mich bewusst entschlossen habe, das spezielle Sample das für mich richtig sind, während Moral für mich etwas fremdbestimmtes ist. Moral predigt eine Kirche, ein Staat, eine Institution, fordert vielleicht Handlung und Haltung von mir, die meinem Innerste widersprechen. Natürlich decken sich oft meine Werte mit den Moralvorstellungen der oben genannten Einrichtungen, aber der Unterschied ist - ich hab die Wahl.
Zu Deinen konkreten Beispielen - für mich handeln beide unethisch. Wenn ich für mich weiß, was richtig ist, dann ist jedes Handeln gegen dieses Wissen unethisch. Da wiegt keines der beiden schwerer oder leichter, aber ich will mir kein Urteil anmaßen, ob eines der beiden unmoralischer ist.
LG Marianne
 
Also, nach dem Lesen Deiner Zeilen habe ich den Eindruck gewonnen, dass das, was bei Dir Werte sind, jenes ist, wa ich Moral nenne.
Ein klassischer Fall für die begrifflichen Pluralitäten in unserem Alltag.
Ich habe zu diesem Begriff drei Lexika konsultiert, und in jedem eine andere Definition des Moralbegriffes gefunden.
Ich möchte mir auch nicht anmaßen, was richtig oder falsch ist, da dies bekanntermaßen relativ ist.
Allerdings maße ich mir an zu sagen, dass es falsch ist anderen Menschen Leid zuzufügen.
Für die Nazis beispielsweise war Stauffenberg ein Terrorist und das Töten von Juden "richtig".
Spätestens an dieser Stelle wird klar, dass man sich wohl auf einen kleinsten gemeinsamen humanistischen Nenner einigen kann.

Bezogen auf meinen Arbeitsplatz bedeutet dies, dass ich nicht wissentlich oder vorsätzlich daran mitwirken werde, anderen Menschen Leid zuzufügen.
Diese Position ist wohl naheliegend und einleuchtend.

Wenn ich jedoch auf das oben stehende Beispiel mit dem runtergefallenen Brötchen Bezug nehme, wird es etwas komplizierter.
Das Brötchen soll nicht mehr verkauft werden, weil womöglich bakterielle Anhaftungen den Verzehr zu einem Geundheitsrisiko weden lassen.
Nach meinen Maßstäben ist das zurücklegen also mindestens moralisch fragwürdig.
Es ist aber ein Unterschied, ob die Verkaufskraft über mangelhafte Bildung verfügt und womöglich gar nicht richtig realisiert hat(obwohl man für diese Erkenntnis kein Abi braucht), dass die bakterielle Kontaminierung ein Gesundheitsrisiko darstellt oder ob jemand im vollen Bewusstsein dieser Tatsache agiert(wie der o.g. Handelsvertreter in Sahen "unsaubere Vertragsabschlüsse).

Über die Ignoranz in unserer Gesellschaft bin ich immer wieder erstaunt.
Es scheint zu oft an einem Rechtsbewusstsein zu fehlen (oder auch Moral/Werte).
Ich habe bei diversen Mitarbeitern in meiner bisherigen beruflichen Laufbahn in Sachen massives Fehlverhalten am Arbeitsplatz(Diebstahl, ausgedehnte Privattelefonie,etc.) die dummdreistesten Kommentare von den betreffenden Mitarbeitern gehört("Wieso denn? Ist doch nicht so schlimm!").
Da es sich hier nicht um Singularitäten gehandelt hat, habe ich daraus ableiten können, dass das Problem tiefer liegt - daher dieser Thread.

Ich beschränke mich daher darauf, eine bestimmte Verhaltensweise am Arbeitsplatz als moralisch fragwürdig zu bezeichnen und ggf. zu intervenieren.
Daraus eine menschliche Wertung abzuleiten könnte sich jedoch als schwierig erweisen.....oder doch nicht!?

....muss ich mal drüber nachdenken!
 
Hallo!
Bezogen auf meinen Arbeitsplatz bedeutet dies, dass ich nicht wissentlich oder vorsätzlich daran mitwirken werde, anderen Menschen Leid zuzufügen.
Diese Position ist wohl naheliegend und einleuchtend.
So naheliegend und einleuchtend finde ich diese Position gar nicht.

Ich nehme an, Du versuchst gut zu sein in deinem Job. Wenn Du darin erfolgreich bist, wird das tendenziell die Konkurrenz deines Arbeitgebers schwächen und im Extremfall zur Insolvenz eines Konkurrenten führen. Dem Unternehmer und dessen Angestellten fügst Du in dem Moment Leid zu. Auch wenn dein Beitrag dazu nur infinitesimal klein ist.

Schlußfolgerung: Du darfst nicht mehr arbeiten gehen!

Oder nicht?


Gruß,
Florian
 
Spätestens an dieser Stelle wird klar, dass man sich wohl auf einen kleinsten gemeinsamen humanistischen Nenner einigen kann.

Das ist halt eine Folge der Aufklärung:

Seitdem man sich nicht mehr auf Gott als letzte Instanz für Moral berufen darf, hat jegliche Schreiberei von Kant bis Rawls keinen allgemein verbindlichen und akzeptablen Moralmaßstab mehr liefern können. So interessant das Studium dieser Ideen auch ist, moralische Handlungsanweisungen sind nicht zu erwarten, schon gar keine Verbindlichkeit.

Aus philosophischer Sicht kann man sagen, dass nach Wegdiskutierung der göttlichen Autorität allen anderen Ethiken die Letztinstanzlichkeit fehlt.
 
Vorher gab es dummerweise auch nicht nur einen Gott bzw dessen Gebote. Von der Auslegung nebulöser Offenbarungen mal ganz zu Schweigen.
 
Vorher gab es dummerweise auch nicht nur einen Gott bzw dessen Gebote.

Lassen wir die Antwort auf die Frage nach der denkbar möglichen Anzahl von Göttern mal außer Betracht, das ist ein Glaubensfrage, zu der man stehen kann, wie man will.

Mir ging es um den Begriff der Letztinstanzlichkeit:

Kants kategorischer Imperativ ist die Wiederholung der Goldenen Regel von Jesus.

Der Unterschied zwischen Kant und Jesus ist nun allerdings der, dass bei Kant niemand annimmt, dass er mehr als ein gewöhnlicher Mensch war. Das führt dazu, dass man seinen kategorischen Imperativ schulterzuckend zu Kenntnis nehmen kann, ohne mit der persönlichen Entscheidung darüber gleich eine Glaubensentscheidung zu treffen.

bei Jesus ist das was anderes: Entweder man akzeptiert ihn als Sohn Gottes, dann braucht man über die Gültigkeit seines Kategorischen Imperativs nicht mehr zu diskutieren. Akzeptiert man ihn aber nicht - was ja jedem freisteht - und damit auch seine Regel nicht, trifft man damit gleichzeitig eine Glaubensentscheidung.

Ohne eine Wertung vornehmen zu wollen, ging es mir lediglich darum festzustellen, dass ohne übermenschliche Instanz keine Ethik denkbar ist, die universelle Gültigkeit beanspruchen kann. Und darin sehe ich eine wesentliche Ursache für die moralischen Probleme, die OI hier schildert.

Kann jemand meinen Gedanken folgen?
 
Lassen wir die Antwort auf die Frage nach der denkbar möglichen Anzahl von Göttern mal außer Betracht, das ist ein Glaubensfrage, zu der man stehen kann, wie man will.

Mir ging es um den Begriff der Letztinstanzlichkeit:

Kants kategorischer Imperativ ist die Wiederholung der Goldenen Regel von Jesus.

Der Unterschied zwischen Kant und Jesus ist nun allerdings der, dass bei Kant niemand annimmt, dass er mehr als ein gewöhnlicher Mensch war. Das führt dazu, dass man seinen kategorischen Imperativ schulterzuckend zu Kenntnis nehmen kann, ohne mit der persönlichen Entscheidung darüber gleich eine Glaubensentscheidung zu treffen.

bei Jesus ist das was anderes: Entweder man akzeptiert ihn als Sohn Gottes, dann braucht man über die Gültigkeit seines Kategorischen Imperativs nicht mehr zu diskutieren. Akzeptiert man ihn aber nicht - was ja jedem freisteht - und damit auch seine Regel nicht, trifft man damit gleichzeitig eine Glaubensentscheidung.

Ohne eine Wertung vornehmen zu wollen, ging es mir lediglich darum festzustellen, dass ohne übermenschliche Instanz keine Ethik denkbar ist, die universelle Gültigkeit beanspruchen kann. Und darin sehe ich eine wesentliche Ursache für die moralischen Probleme, die OI hier schildert.

Kann jemand meinen Gedanken folgen?

Ja, ich kann deinen Gedanken folgen! Die Frage, die sich mir stellt ist generell: wie kann es erreicht werden, dass sich Menschen, unabhängig von ihrer Position, in der sie sich zur Zeit befinden diese Fragen überhaupt stellen? Ich habe bei vielen Menschen durch zahlreiche Gespräche eine Ignoranz bezüglich dieses Themas festgelstellt. Sie sind oft nicht bereit, vielleicht auch nicht in der Lage sich solche "Lebensfragen" zu stellen. Ich finde es sehr gut, dass so ein Thema hier zur Diskussion steht, dennoch bin ich persönlich auch schon gescheitert die Sensibilität bei manchen Menchen für derartige Probleme zu wecken und habe keine Antwort auf derartiges Verhalten gefunden.

lieben Gruß Mona
 
Man kann das Denken anderer nicht ändern, allenfalls Anregungen geben.

Nächste These von mir: Jemand hat mal gesagt, "Fernsehen ist Kaugummi fürs Gehirn!" Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Gerät eine der Hauptursachen für die Verdummung und Abstumpfung des modernen Menschen ist.

Andererseits sind wir alle freie Wesen und entscheiden selbst. Wer nicht Denken will, tuts auch nicht, da gibts keinen Ansatz, ihn dazu zu zwingen.
 
Hallo,
Letztinstanzlichkeit ist, wie Absolutheit, mit dem Wesen eines relativen Sein, und die Relativität aller vollstellbarer und unvorstellbarer Möglichkeiten des Seins ist das einzige denkbare Existenzprinzip, nicht vereinbar.
MfG
Sepp

Was für ein Satz - Respekt. Dennoch:

Aufgrund unserer subjektiven Bedeutungslosigkeit bewegen wir uns innerhalb eines geschlossenen Systems, in dem Absolutheit durch Konsistenz zu finden sein kann.

Und das ist das von mir beschriebene Manko der Ethiken seit der Aufklärung. Das - notgedrungen geschlossene - System, in dem wir uns als Menschen real bewegen, wird durch ein theoretisches Konstrukt geöffnet, womit alles relativiert wird.

Nach kurzer Freude über die neu gewonnene - vermeintliche - Freiheit, kommt nunmehr die große Ernüchterung über das verloren Gegangene.
 
Man kann das Denken anderer nicht ändern, allenfalls Anregungen geben.

Nächste These von mir: Jemand hat mal gesagt, "Fernsehen ist Kaugummi fürs Gehirn!" Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Gerät eine der Hauptursachen für die Verdummung und Abstumpfung des modernen Menschen ist.

Andererseits sind wir alle freie Wesen und entscheiden selbst. Wer nicht Denken will, tuts auch nicht, da gibts keinen Ansatz, ihn dazu zu zwingen.


Ja, dem stimme ich zu....übrigens deiner nächsten These auch....für manche Menschen ist es aber doch soooo herrrlich einfach, sich abends nach so einem unendlich anstrengenden Tag aufs Sofa zu schmeißen und sinnlos sich irgendeinen Schrott reinzuziehen....🙄 Glaubst du wirklich, dass sich viele um sich oder andere wichtige Menschen abends noch "einen Kopf" machen möchten....nein, das ist heute leider selten geworden, weil es zu einfach geworden ist sich Verantwortung zu entziehen....
 
Was für ein Satz - Respekt. Dennoch:

Aufgrund unserer subjektiven Bedeutungslosigkeit bewegen wir uns innerhalb eines geschlossenen Systems, in dem Absolutheit durch Konsistenz zu finden sein kann.

Und das ist das von mir beschriebene Manko der Ethiken seit der Aufklärung. Das - notgedrungen geschlossene - System, in dem wir uns als Menschen real bewegen, wird durch ein theoretisches Konstrukt geöffnet, womit alles relativiert wird.

Nach kurzer Freude über die neu gewonnene - vermeintliche - Freiheit, kommt nunmehr die große Ernüchterung über das verloren Gegangene.
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Ja, dem stimme ich zu....übrigens deiner nächsten These auch....für manche Menschen ist es aber doch soooo herrrlich einfach, sich abends nach so einem unendlich anstrengenden Tag aufs Sofa zu schmeißen und sinnlos sich irgendeinen Schrott reinzuziehen....🙄
... und sieh auch das Positive, du kannst dich dadurch ethisch und moralisch über sie stellen, bist sozusagen ein Gutmensch....
Glaubst du wirklich, dass sich viele um sich oder andere wichtige Menschen abends noch "einen Kopf" machen möchten....nein, das ist heute leider selten geworden, ...
... und ich behaupte mal, das war früher auch nicht anders oder wann soll das deiner Meinung nach gewesen sein. :confused
 
... und sieh auch das Positive, du kannst dich dadurch ethisch und moralisch über sie stellen, bist sozusagen ein Gutmensch....

... und ich behaupte mal, das war früher auch nicht anders oder wann soll das deiner Meinung nach gewesen sein. 😕


wann ist früher?? 🙂 Keine Ahnung, ob es früher anders war, ich spreche von heute...😉 ..und manchmal braucht man das, natürlich zur Entspannung....aber nur ????
 
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