Fall 7

Dr Franke Ghostwriter
und hier hatte ich mir für Dresden was Kniffliges ausgedacht😉
(endredigiert von B. Kreße)

SACHVERHALT:

Der Bauunternehmer Gierpickel (G) hat mit seiner Firma „Bauen ohne Leute - BoL GmbH“, deren Geschäftsführer er ist und die ihren Sitz in Bad Kneipenhall hat, einen Auftrag über Estricharbeiten angenommen. Da er für die mühsamen Schleifarbeiten am von ihm hergestellten Estrich wieder mal weder freie Kapazitäten noch Lust hat, will er über die Durchführung dieser Arbeiten einen Werkvertrag mit der kroatischen Firma Nikskostič (N) als Subunternehmer schließen. Vertraglich vereinbarter Gerichtsstand wird Klagenfurt (Hessen).
Der Werkvertrag wird auftraggeberseitig „i. V.“ von G´s Kalkulator Rainer Unsinn (U) sowie dessen Bauleiter Johannes B. Trüger (T) unterschrieben. Da N der deutschen Abkürzungen nicht vollumfänglich mächtig ist, fragt er nach der Bedeutung des Kürzels „i. V.“, das ihm daraufhin von U und T als „in Vollmacht“, was gleichzusetzen sei mit „in Vertretung“, erklärt wird. Da dem N die beiden genannten Begriffe nichts sagen, bittet er um weitere Erläuterungen. Sodann erklären ihm U und T, dass es in ihrer Firma Usus ist, dass sie Verträge, wenn sie nachmittags abgeschlossen werden (und es war 14 Uhr), „i. V.“ , also in Vertretung unterzeichnen, da Chef G nach dem Genuss seiner 3 Weißbiere, die er für gewöhnlich zu Mittag konsumiert, nicht mehr angesprochen werden könne. G habe von dieser Vorgehensweise des U und des T Kenntnis. Daraufhin unterschreibt N den Vertrag.

Als N sich an die Arbeit macht, muss er feststellen, dass der von der BoL GmbH verlegte Estrich erhebliche Unebenheiten aufweist. Noch am gleichen Tag ruft N den T an, unterrichtet ihn über die Unebenheiten und bittet um eine Entscheidung, wie weiter zu verfahren sei. T, wissend um die Personalschwierigkeiten der BoL GmbH, weist N an, „das irgendwie zu erledigen, von der BoL kommt nix“. N „erledigt das“, indem er einzelne Estrichflächen mehrfach behandelt. Für die dadurch notwendig werdenden Kosten erstattet N eine Mehrkostenanzeige in Form eines Nachtrags. Der T bestätigt diesen und verlangt hierfür eine „Abrechnung auf Nachweis“.

Als G die Schlussrechnung des N erhält, lehnt er sich leicht süffisant zurück und die Bezahlung der Rechnung einschließlich des von T bestätigten Nachtrags ab und verweist in diesem Zusammenhang darauf, daß er von der ganzen Angelegenheit nichts wisse.

Zu Recht?

Bearbeitungshinweis:

Nach § 35 I GmbhG ist der Geschäftsführer der gesetzliche Vertreter der GmbH.
Als "Nachtrag" wird bei der Abwicklung von Bauaufträgen die Erweiterung eines Bauvertrags verstanden. Mithin sollen sowohl das Entstehen des Vertrags als auch dessen Erweiterung geprüft werden.
 
LÖSUNGSSKIZZE :

N ./. B Vergütung (Bezahlung des Nachtrags) aus § 631 I BGB

A. Werkvertrag zwischen N & B GmbH

I. Voraussetzung: 2 übereinstimmende WE´s

1. WE der B-GmbH (-)


2. Vertretung der B-GmbH durch G, § 164 I BGB

a) Vertretungsmacht (+) (G gesetzl. Vertreter nach § 35 I GmbHG)
b) eigene Willenserklärung des G (-)
c) Zwischenergebnis (ZE): Vertretung der B durch G (-)


3. Vertretung der B-GmbH durch U&T, § 164 I BGB

a) eigene Willenserklärung der U&T (+)
b) Handeln der U&T in fremden Namen (+)
c) Vertretungsmacht der U&T für die B, § 164 I BGB
aa) Vollmachtserteilung durch B, § 167 I BGB (-)
bb) Vollmachtserteilung gem. § 167 I BGB durch G als gesetzl. Vertreter der B (-)
bc) Duldungsvollmacht gegen B aus den Rechtsscheinstatbeständen der §§ 171, 172 BGB
(1) dauerhaftes, wiederholtes Auftreten der U&T im Namen des Vertretenen (+)
(2) mit Wissen des Vertretenen im konkreten Fall (-)
(3) ZE: Duldungsvollmacht (-)
dd) Anscheinsvollmacht gegen B aus den Rechtsscheinstatbeständen der §§ 171, 172 BGB
(1) dauerhaftes, wiederholtes Auftreten der U&T im Namen des Vertretenen (+)
(hier nur Verweis auf c) (1) )
(2)mit Wissenmüssen des Vertretenen
aa) verkehrsübliche Sorgfalt, Maßstab: Fahrlässigkeit § 276 II BGB (+)
bb) Wissenmüssen (+)
(3) kein Verhindern der Vertretung trotz Möglichkeit (+)
(4) Gutgläubigkeit des Erklärungsempfängers (+)
(5) ZE: Anscheinsvollmacht (+)
d) Vertretungsmacht (+)

4. ZE: Willenserklärung der B (+)

5. Willenserklärung des N (+) (unproblematisch, Urteilsstil „unterschreibt“)

II. Werkvertrag N-B (+)


B. Vertragserweiterung durch den Nachtrag

I. Voraussetzung: 2 übereinstimmende WE´s

1. WE der B-GmbH (-)


2. Vertretung der B-GmbH durch G, § 164 I BGB

a) eigene Willenserklärung des G als gesetzl. Vertreter (-)


3. Vertretung der B-GmbH durch T, § 164 I BGB

a) eigene Willenserklärung des T (+)
b) Abgabe der Willenserklärung des T in fremden Namen (+)
c) Vertretungsmacht des T für die B, § 164 I BGB
aa) Vollmachtserteilung gem. § 167 I durch B oder G als gesetzl. Vertreter der B (-)
bb) Duldungsvollmacht gegen B mangels Wissen des Vertretenen im konkreten Fall (-)
dd) Anscheinsvollmacht gegen B
(1) dauerhaftes, wiederholtes Auftreten des T im Namen des Vertretenen (+)
(2)mit Wissenmüssen des Vertretenen
aa) verkehrsübliche Sorgfalt (+)
bb) Wissenmüssen (+)
(3) kein Verhindern der Vertretung trotz Möglichkeit (+)
(Hinweis: G als gestzl. Vertreter hätte bei Sorgfalt gem. (2) vom Vertrag wissen
müssen, damit konnte er vom Nachtrag wissen und diesen verhindern)
(4) Gutgläubigkeit des Erklärungsempfängers (-)
(5) ZE: Anscheinsvollmacht (-)
d) Vertretungsmacht (-)

4. ZE: Willenserklärung der B (-)

II. Nachtragsvereinbarung für B nicht bindend

III. Anspruch auf Vergütung der Nachtragsleistungen aus § 631 I BGB (-)
 
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