Fall aus der Praxis

Dr Franke Ghostwriter
A kauft Anfang November 2005 beim großen Melia-Markt ein Telefon der bekannten Marke Panatonic. Mitte Juni 2006 tritt ein Defekt ein, welchen A bei Melia-Markt geltend macht. Melia-Markt sendet das Telefon daraufhin zum Hersteller Panatonic, um es dort reparieren zu lassen. Nach zwei Wochen erhält A das Telefon zurück, muss jedoch feststellen, dass das Telefon immernoch den gleichen Fehler aufweist. A möchte nun von Melia-Markt den Kaufpreis zurückerstattet haben. Abteilungsleiter B teilt dem A jedoch mit, dass noch ein Reparaturversuch vorgenommen werden soll und erst wenn dieser fehlschlagen sollte, dem A der Kaufpreis zurückerstattet werden soll. Nach zwei Wochen erhält A das Telefon erneut zurück und stellt zu Hause wiederum fest, dass das Telefon nach wie vor defekt ist. A beschwert sich nochmals bei Melia-Markt und möchte den vollen Kaufpreis erstattet haben. Der Angestellte C sagt dem A daraufhin, dass Melia-Markt sich mit Panatonic in Verbindung setzen will, um den Restwert des Telefons zu ermitteln. Dieser Restwert würde dem A dann erstattet werden. A ist wütend und weiß nicht, was er machen soll. Zu Hause liest er im Internet, dass der Händler eine Entschädigungssumme für die Zeit, in der er das Gerät ordnungsgemäß nutzen konnte, zahlen muß. Diese Entschädigungssumme soll jedoch relativ gering sein und bemisst sich an der Lebensdauer des jeweiligen Gerätes.
Rechtslage nach dem zweiten fehlgeschlagenen Reparaturversuch? 😕

Danke im Voraus :rolleyes
 
Ja stimmt, Haifa war sich aber auch nicht ganz sicher und hat -zumindest in der Praxis- noch nie davon gehört, dass das so üblich ist bzw. tatsächlich so gehandhabt wird.
Eliza, du hast geschrieben, dass eine Entschädigung evtl. zu zahlen ist... Von was machst du das abhängig?
Hat jemand ne Ahnung wie hoch dieser Betrag sein könnte bei einem Kaufwert von 60 €? Hab dazu im Internet nichts gefunden.
 
Wenn die Reparatur fehlgeschlagen ist - das ist sie gem. § 440 S 2 hier (zweiter erfolgloser Reparaturversuch), dann hat der Käufer das Recht, vom Vertrag zurück zu treten, §§ 437 Nr. 2, 434, 440, 323.

Nachdem der Verkäufer den Rücktritt wohl so akzeptiert hat, waren wohl alle entsprechenden Voraussetzungen erfüllt.

Durch den Rücktritt wandelt sich der Kaufvertrag in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis um, das durch § 346 näher bestimmt ist.

Nach § 346 I sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren - der Käufer muß die Kaufsache zurück geben, der Verkäufer den Kaufpreis erstatten - und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
  • Nutzungen sind nach § 100 auch die Vorteile, die der Gebrauch einer Sache gewährt.
  • Der Gebrauch eines Telefons gewährt die Vorteile des Telefonierens.
  • Diese können jedoch i.S.v. § 346 II 1 Nr. 1 ihrer Natur nach nicht herausgegeben werden, so daß nach § 436 II Wertersatz für die Gebrauchsvorteile zu leisten ist.
  • Die Ausnahmetatbestände des § 346 III greifen nicht, da es sich um keinen Fall der Verschlechterung oder des Untergangs handelt.
  • Nach § 346 II 2 ist bei der Berechnung des Wertersatzes der Wert der Gegenleistung zu berücksichtigen. Ob dabei auf den objektiven Wert oder die Höhe des Kaufpreises abzustellen ist, will ich angesichts des geringen Werts mal dahingestellt lassen - Ausgangspunkt für die Berechnung des Wertersatzes für die gezogenen Nutzungen ist also der Kaufpreis.
  • Maßgeblich ist der Zeitraum, in der das Telefon genutzt werden konnte, also 7,5 Monate.
  • Der Betrag wird im Prinzip wie die steuerliche AfA (Abschreibung für Abnutzung) errechnet. Man geht von der durchschnittlichen Lebensdauer aus - die beträgt lt. aktueller AfA-Tabelle für ein Telefon 8 Jahre - und schreibt den Anschaffungspreis linear darauf ab.
  • Also: (Kaufpreis / 96) * 7,5 = Wertersatz
Gleichzeitig muß aber auch der Verkäufer die Nutzungen herausgeben, die er aus dem Kaufpreis gezogen hat - er muß ihn m.a.W. für 7,5 Monate verzinsen. Der Käufer kann sich ja mit dem Verkäufer streiten, zu welchem Zinssatz.

Insgesamt hat der Käufer also gegen Rückgabe des Telefons Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises ./. (Nutzungsersatz ./. errechnete Zinsen).

Wenn der M-Markt darauf tatsächlich besteht, hätte er mit mir sein letztes Geschäft gemacht.

Der Käufer sollte sich beim nächsten Mal überlegen, ob er nicht lieber ein Ersatzgerät verlangt, er hat nach § 439 nämlich die Wahl, welche Art der Nacherfüllung er gerne möchte.

Es gibt auch ein aktuelles BGH-Urteil zum Wertersatz - es ging um Ersatzlieferung eines Elektroherds durch Quelle.

Hab ich was übersehen ? Schöne Grüße, Markus
 
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Es gibt auch ein aktuelles BGH-Urteil zum Wertersatz - es ging um Ersatzlieferung eines Elektroherds durch Quelle.

Die Instanzgerichte gaben der Käuferin Recht, die eine Nutzungsentschädigung für das ursprüngliche Gerät nicht zahlen wollte. Sie schlossen sich der auch in der Literatur verbreiteten Kritik an der gesetzlichen Regelung an und korrigierten sie im Wege der Auslegung. Dem ist der BFH nicht gefolgt. Er lehnt eine einschränkende Auslegung angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlautes ab. Allerdings hat der BGH Zweifel, ob die Norm mit dem EU-Recht, insbesondere mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG) im Einklang steht, nach deren Art. 3 Abs.2 bis 4 die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes des Verbrauchsgutes (auch) durch Ersatzlieferung für den Verbraucher unentgeltlich sein muß. Der BGH hat die Sache daher dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt (BGH, Beschluß v. 16.8.2006 - VIII ZR 200/05). 😕

Gruß,
Michael
 
Danke für die Info zum angeführten Urteil.

Man muß noch wissen, daß es dabei um einen Fall der Nacherfüllung ging. Dort verweist § 439 IV auf die §§ 346 bis 348. Obgleich der Wortlaut dieses Verweises eindeutig ist und auch die Gesetzesbegründung der BGB-SMG-Kommission entsprechend eindeutig ist - daß eben auch im Fall der Nachbesserung, wenn also nicht wie beim Rücktritt der gesamte Vertrag rückabgewickelt wird, aus der mangelfreien Kaufsache gezogene Nutzungen herauszugeben sind - haben viele Juristen bei der Anwendung Bauchschmerzen. Die VerbrGüterKRiL fordert nämlich, daß die Nachbesserung für den Käufer in jedem Fall kostenlos ist - de facto ist die Ersatzlieferung für den Käufer jedoch nicht kostenlos, wenn er gleichzeitig ein Nutzungsentgelt für das Gerät bezahlen muß, das er gekauft hat, das ihm gehört und das mit einem Mangel behaftet ist, für den der Käufer sicher weniger verantwortlich ist als der Verkäufer - nach der anderen Ansicht sei die Ersatzlieferung aber doch kostenlos, es fiele nur ein angemessenes Nutzungsentgelt an und der Käufer erhielte ja außerdem - im Extremfall nach 23,9 Monaten - ein neues Gerät.

Für den Rücktritt bezweifelt meines Wissens jedoch niemand, daß ein Nutzungsentgelt bei der kompletten Rückabwicklung angemessen ist.
 
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