Fallrepetitorium Fall 1

Dr Franke Ghostwriter
Kapitalgesellschaftsrecht (Ein Fall aus Maischdro`s Feder 😀 )


In einer Stadt mit ca. 25.000 Einwohnern im Oberallgäu geht im Jahr 2005 das einzigste größere Kaufhaus in der Innenstadt pleite. Fortan sind die Bürger der Stadt gezwungen, zum Einkauf in die nächstliegende größere Stadt (30 km) zu fahren, was insbesondere angesichts der Allgäuer Wetterverhältnisse im Winter äußerst mühsam ist.

Natürlich ist der Stadtrat bemüht, die heimische Wirtschaft anzukurbeln. Hierzu entschließt sich der Stadtrat (S) eine „Wirtschaftsförderungsgesellschafts-GmbH“ mit einem Stammkapital i.H.v. 2.500.000.- € zu gründen. In der notariell beurkundeten Satzung wird Bürgermeister Oberschlau (B) der Stadt u.a. zum Vorstand bestellt, während die Tätigkeit des Geschäftsführers vom Hauptamtsleiter Dussel (H) übernommen wird. Die Geschäftsanteile sollen zu 100 % in Händen der Stadt verbleiben. Das Stammkapital soll in Höhe von 2.100.000.- € durch die Stellung einer Sacheinlage erbracht werden, der Rest durch eine Bareinlage in entsprechender Höhe. Zu einem Preis von 2.133.000.- € erwirbt die Stadt das Kaufhaus vom ehemaligen Besitzer und bringt dieses Gebäude ordnungsgemäß als Sacheinlage ein. Allerdings ist das Gericht mit dem Wertansatz des Gebäudes in Höhe von 2.100.000.- € nicht ganz einverstanden und setzt aufgrund des Sachgründungsberichts (Mängel der Bausubstanz) lediglich einen Wert von 1.600.000.- € fest. Daher gewährt der Stadtrat über die vereinbarte Stammeinlage in Höhe von 400.000.- € noch einen „einmaligen Zuschuss“ in Höhe von 500.000.- € für dieses Projekt. Letzteren Betrag überweist die Stadtverwaltung auf ein bereits um 615.439.- € im Debet stehendes Geschäftskonto der GmbH i.Gr. bei der Sparkasse Oberallgäu.

Noch vor Eintragung in das Handelsregister vereinbart der Stadtrat mit B und H, dass die von der Stadt zur Verfügung gestellten Mittel möglichst schnell wieder an die Stadt zurückfließen sollen. Schließlich wolle man mit diesem Projekt nur kurzfristig die heimische Wirtschaft ankurbeln. Nur vorübergehend könne man noch den dringend erforderlichen Umbau des städtischen Gymnasiums hinausschieben.

Die Zeit vergeht. Leider findet sich für die riesige, leerstehende Immobilie im Zentrum der Innenstadt kein Käufer bzw. Investor. Die Geschäfte der GmbH laufen überhaupt schlecht, so dass das Stammkapital mit der Zeit beinahe aufgebraucht ist. Zur Unzeit bahnt sich auch noch der Fluss Iller einen Weg durch das kleine Städtchen und verursacht am Gebäude einen immensen Schaden, der natürlich nicht versichert ist. Die ersten Vollstreckungsversuche von Gläubigern gehen ins Leere.

Erst im Herbst 2006 findet sich ein Interessent (I), der das Kaufhaus zu einem Kaufpreis in Höhe von 1.200.000.- € kaufen will. Endlich jemand, der bereit ist, in die Zukunft der Stadt zu investieren! Natürlich stimmt der Stadtrat dem Verkauf der Immobilie zu. Endlich kann man sich den langen Einkaufsweg in die Stadt K sparen. Wie werden sich die Bürger freuen, wenn es hier wieder eine geeignete Einkaufsmöglichkeit gibt! Noch dazu würde sich die angespannte Arbeitsmarktsituation in der Gemeinde durch die neu geschaffenen Arbeitsplätze schlagartig verbessern. Bereits am nächsten Tag wird die bevorstehende Wiedereröffnung des Kaufhauses auf der Homepage der Stadt sowie in der lokalen Presse als Siegeszug der bürgermeisterlichen Politik gefeiert.

Noch vor Eintragung in das Handelsregister war zwischen den Beteiligten B, H und S ja beschlossen worden, dass die städtischen Mittel möglichst schnell wieder in den städtischen Haushalt zurückfließen sollen. Daher überweist H auf Veranlassung des B, dem Beschluss des S folgend, zumindest den Teil des Kaufpreises, welchen er von I erhalten hat, an die Stadt zurück. Dieser Betrag beläuft sich auf 875.000.- €. Am darauffolgenden Tag bewilligt der S der GmbH ein Darlehen mit besonders günstigen Konditionen in Höhe von 1.500.000.- €, mit welchem die GmbH den größten Teil der Kosten, welche durch die dringend notwendige Sanierung des Gebäudes veranlasst waren, abdecken kann.

Nachdem nun die heimische Wirtschaft endlich hinreichende Förderung erfahren hat, braucht man ja keine „Wirtschaftsförderungs-GmbH“ mehr. Der Stadtrat beschließt daraufhin, die GmbH zu liquidieren. Zum Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses beträgt das Vermögen der GmbH noch 156.000.- €. Diesem Vermögen steht jedoch ein Schuldenberg in Höhe von 3.735.000.- € - das städtische Darlehen nicht eingerechnet - gegenüber, da noch mehrere andere Projekte der GmbH „in die Hose gegangen“ sind. Ob I die noch ausstehenden 325.000.- € noch zahlen kann, ist fraglich, da dieser den Betrieb des Kaufhauses wegen Zahlungsunfähigkeit bereits nach drei Monaten wieder einstellen muss. Die zu erwartendende Insolvenzquote beläuft sich auf 1 %. Weitere offene Forderungen hat die GmbH nicht mehr.

Der B, H und S sind sich sicher, dass sie nichts zu befürchten haben, da für die Schulden der GmbH nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Toll, dass man hier einfach so locker auf die privatwirtschaftlichen Rechtsformen zurückgreifen kann und praktisch aus dem „Schneider“ ist! Insbesondere der Kämmerer weist darauf hin, dass die GmbH hier niemand mehr was anginge, da die Stadt das Stammkapital ja vollständig aufgebracht habe. Gut, man habe zwar etwas Geld verloren, allerdings wäre zumindest eine teilweise Rückzahlung des Darlehens zu erwarten.

Besteht die Gefahr, dass sich die lokale Presse trotzdem in nächster Zeit mit dem Fall beschäftigen könnten?


Viel Spass !!!!
 
Lösungshinweise alla Orbis 😉

Unterbilanzhaftung

Zahlung eines "einmaligen Zuschusses" auf ein im Debet stehendes Konto als wirksame Zahlung der Stammeinlage?

Versteckte Sacheinlage?

Kapitalersetzendes Darlehen?

FRAGE: Wie viel muss die Stadt blechen ?????
 
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