Kurseinheit 2 - gestörte Gesamtschuld Seite 37

Dr Franke Ghostwriter
KE 2 - gestörte Gesamtschuld S. 37

Hallo alle miteinander,

ich hätte da mal eine Frage, ob ich das richtig verstanden habe:

Es geht um die gestörte Gesamtschuld bei gesetzlichen Haftungsprivilegien. Genauer geht es um Privilegien nach den §§ 708, 690, 599 BGB.
Habe ich das richtig verstanden, dass dabei die Lösung zu Lasten des Drittschädigers nicht in Betracht kommt und das Haftungsprivileg nicht absolut wirkt? (Letzter Satz im ersten Absatz auf Seite 37)
Das heißt für mich, dass in diesen Fällen die Lösung zu Lasten des Privilegierten zur Anwendung kommt. Das wiederum ist mir nicht ganz einleuchtend. Warum wird ein Privileg geschaffen, wenn es auf dem Umweg des Regresses quasi nicht zur Anwendung kommt.

Habe ich aus dem von mir erwähnten Satz die falschen Schlussfolgerungen gezogen und er soll lediglich heißen, dass die Lösung zu Lasten des Drittschädigers nicht zur Anwendung kommt und die Lösung zu Lasten des Geschädigten anzuwenden ist? Schließlich hat dieser es (zumindest auch) in der Hand von den gesetzlichen Regeln abzuweichen.

Über eine angeregte Konversation würde ich mich sehr freuen.

by heinereiner
 
Also ich verstehe das wie folgt:

bei den Privilegierungen nach §§ 1664, 1359 entsteht doch gar keine gestörte Gesamtschuld, so dass der Zweitschädiger voll für den entstandenen Schaden haftet (BGH beim Kinderspielplatz und beim Motorboot).
diese Lösung (zu Lasten des Drittschädigers) kommt nach Auffassung des Verfassers unseres Skripts bei den übrigen genannten gesetzlichen Haftungsprivilegien nicht zur Anwendung.

folglich bleiben die Lösungen zu Lasten des Privilegierten und zu Lasten des Geschädigten. welche Lösung gewählt wird, ist unter Auslegung der jeweiligen, das Privileg anordnenden Norm zu entscheiden (Skript Seite 35)

dabei dürfte man normalerweise immer zu einer Lösung zu Lasten des Geschädigten kommen (Skript Seite 35 lit. c 2. Absatz; Seite 34)
 
Also:

eine gestörte Gesamtschuld liegt immer dann vor, wenn mehrere Personen eine andere schädigen, bei einem Schädiger die Haftung aber vertraglich oder gesetzlich ausgeschlossen, bzw. beschränkt ist. Dies ist auch bei 1664, 1359 der Fall: hier ist es halt ein anderer Haftungsmaßstab (dürfte die diligentia quam in suis sein).

Zu den Lösungen (ich habe meine Bachelorarbeit über das Thema geschrieben): eigentlich wird jede Lösung vertreten. Die h. M. besagt eigentlich, dass bei jeder Konstellation der Anspruch des Geschädigten um den Teil, welcher bei bestehender Gesamtschuld auf den Privilegierten entfiele, von vorneherein zu kürzen ist. Meist wird dort kein Unterschied zwischen vertraglichen und gesetzlichen Privilegierungen gemacht. Der BGH sieht das in der Tat bei 1664 anders (ob er das bei 1359 auch tut, wurde noch nicht entschieden, läge aber nah). Dem schließt sich aber die h. M. nicht an. Hr. Wackerbarth und Hr. Kresse dürften insofern eine Ausnahme bilden.

M. E. wären bei diesem Thema noch die vertraglichen Privilegierungen am einfachsten, da man hier mit einer Vertragsauslegung für die vorherige Kürzung argumentieren kann.


Also: eine gestörte Gesamtschuld liegt immer vor, wenn zwei Schädiger aufgrund einer Privilegierung nicht Gesamtschuldner gem. §§ 840, 426 werden. Nach dem Grds der Totalreparation müsste dann eigentlich der eine Schädiger alles zahlen, da keine Gesamtschuld entstünde, wären die Vorschriften über diese auch nicht anwendbar, also kein Ausgleich möglich. Da dies idR für unbillig gehalten wird, werden sämtliche LÖsungen munter diskutiert. Wie gesagt: jeder vertritt alles. Lediglich beim Vertrag kann man sagen, dass die Lösung zu Lasten des Dritten so gut wie gar nicht vertreten wirde (obschon auch dafür Argumente vorliegen!)


Flops
 
Also du - Flops - bist der Ansicht, dass (außer bei § 1664 und wahrscheinlich auch § 1359) der BGH die Lösung zu Lasten des Geschädigten anwendet. Habe ich deinen ausführlichen Beitrag dahingehend richtig verstanden?

@ Björn: Ich denke, wie auch Flops schon sagte, dass auch in den Fällen von §§ 1664, 1359 eine gestörte Gesamtschuld entsteht. Das war glaube ich auch das Ergebnis in KE 4 beim Motorbootfall. Aber auch hier wurde, glaube ich, die Lösung zu Lasten des Schädigers favorisiert. (Ich habe meine Unterlagen leider gerade nicht zur Hand, deshalb bin ich mir jetzt gerade nicht hundertprozentig sicher. Es müsste aber schon so sein)

by heinereiner
 
Ich hab mich wohl missverständlich ausgedrückt: wenn die Privilegierung nach §§ 1357, 1664 greift (also der potentielle Schädiger mangels Verschulden aufgrund der Privilegierung), dann entsteht keine Gesamtschuld

ansonsten wird es wohl so sein wie flops geschrieben hat: in der Klausur wird es egal sein, welche Lösung wir schlussendlich vertreten ... es wird nur auf die richtige Herleitung der gestörten Gesamtschuld ankommen und auf passende Argumente zu den verschiedenen Lösungsmöglichkeiten
 
ich hab mich wohl missverständlich ausgedrückt: wenn die Privilegierung nach §§ 1357, 1664 greift (also der potentielle Schädiger mangels Verschulden aufgrund der Privilegierung), dann entsteht keine Gesamtschuld

Achso, ja dann!

ansonsten wird es wohl so sein wie flops geschrieben hat: in der Klausur wird es egal sein, welche Lösung wir schlussendlich vertreten ... es wird nur auf die richtige Herleitung der gestörten Gesamtschuld ankommen und auf passende Argumente zu den verschiedenen Lösungsmöglichkeiten

Ja, das vwirds wohl sein. Argumentation ist alles.

by heinereiner
 
Nein. Der BGH vertritt nur bei Privilegierungen im Arbeitsrecht (ich glaube das war der § 104 SGB VII oder so) die Lösung zu Lasten des Geschädigten.

Bei vertr. Privilegierungen vertritt er die Lösung, dass der Geschädigte den Nicht-Privilegierten in Anspruch nehmen, dieser dann aber Ausgleich beim Privilegierten suchen kann - also die Lösung zu Lasten des Privilegierten.

Bei § 1664 vertritt er dann die Lösung zu Lasten des Dritten. Dieser wird in Anspruch genommen, ein Ausgleich beim Privilegierten soll nicht möglich sein.



Ach so:

Eine gestörte Gesamtschuld liegt immer nur vor, wenn eine Privilegierung greift! Greift sie nicht, dann stehen beide Schädiger als Gesamtschuldner gem. 840 da. Der Geschädigte kann von jedem den Schaden ersetzt verlangen. Ein Ausgleich findet dann unter diesen nach 426 statt.

Würde nun aber einer, der einen Schaden z. B. zu 50 % verursacht hat, aufgrund einer Privilegierung (weil er z. B. zwar fahrlässig gehandelt hat, aber eben nicht die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten missachtet hat - 1664 also greift) eigentlich nicht haften müssen, so würde der Nichtprivilegierte Zweitschädiger gem. dem Gesetzeswortlaut den vollen Schaden ersetzen. Und dass, obschon er diesen ja nur zur Hälfte verursacht hat.


Ich hoffe, die Thematik ist ein wenig deutlicher geworden.

Grüße,

Flops
 
Ja, die Thematik ist schon deutlicher geworden, aber die Frage was der BGH zu Privilegien nach den §§ 708, 690, 599 BGB sagt ist glaube ich jetzt noch nicht beantwortet worden.

Klar ist:
- Privileg nach §§ 104 ff SGB VII -> zu Lasten des Geschädigten
- Privileg nach § 1664 I (wohl auch § 1359) BGB -> zu Lasten des Dritten



Bei vertr. Privilegierungen vertritt er die Lösung, dass der Geschädigte den Nicht-Privilegierten in Anspruch nehmen, dieser dann aber Ausgleich beim Privilegierten suchen kann - also die Lösung zu Lasten des Privilegierten.

Bezüglich der vertraglichen Privilegien habe ich das Skript auf Seite 33 f aber anders verstanden. Dort stand, dass die Lösung zu Lasten des Geschädigten zu favorisieren sein, oder habe ich das falsch verstanden???


by heinereiner
 
mal noch was anderes. Wie versteht ihr die Aussage von Herrn Dr. Kreße in Moodle?

Kurzes Resumee:
In Termin 6 der KE 4 ging es unter anderem auch um die gestörte Gesamtschuld. Leider fehlt ausgerechnet bei diesem Termin am Ende der Ton von Herrn Prof. Wackerbarth. Und, der Verkettung unglücklicher Umstände nicht genug, ausgerechnet in diesem Teil ging es um die gestörte Gesamtschuld.
Herr Dr. Kreße meinte nun, dass das Problem wohl nicht mehr behoben werden wird und dass er davon ausgeht, dass man die Klausur auch ohne den nichthörbaren Teil gut lösen kann.

Heißt das jetzt, dass die gestörte Gesamtschuld für die Klausur irrelvant sein wird, falls er die Klausur überhaupt schon kennt? Oder einfach nur, dass die Aussagen im Skript dazu ausreichen, wenn die gestörte Gesamtschuld drankommt?

Wie versteht ihr das Ganze? Lasst uns doch mal wild spekulieren.


by heinereiner
 
Also für mich wirds jetzt verworrener ...

die vertraglichen Privilegierungen können wir mal außen vor lassen, da sie von heinereiner nicht angesprochen wurden. hier gehts ja ausschließlich um gesetzliche Privilegierungen

wenn ich das BGH-Urteil zum Spielplatzfall richtig in Erinnerung habe, ist bei Greifen der Privilegierung mangels Verschulden keine Gesamtschuld entstanden:

"n jenen Fällen sind zunächst alle Voraussetzungen für ein Gesamtschuldverhältnis nach § 840 I BGB erfüllt; dieses wird erst dadurch "gestört", daß das Gesetz in Abweichung von dem Grundsatz des § 840 BGB den privilegierten Mitschädiger von seiner Haftung freistellt. In den Fällen dagegen, in denen die Mithaftung an § 1664 BGB scheitert, wächst der so "privilegierte" Mitschädiger schon gar nicht in die Regelung des § 840 I BGB hinein; es fehlt schon an den Grundlagen für ein Gesamtschuldverhältnis, das "gestört" werden konnte."

oder habe ich da was falsch verstanden??

zu den Spekulationen: ich war mir bisher sicher, dass ein familienrechtlicher Schadensfall drankommen wird ... schließlich wurde der Motorbootfall "klausurtauglich" erörtert und wir haben obendrein in der letzten Besprechung die SE-Skripte des BoL bekommen. insofern verwundert mich die jetzt getroffene Aussage von Dr. Kreße schon etwas
 
Nein, da hast du nichts falsch verstanden. Da der eine Schädiger privilegiert ist entsteht kein Gesamtschuldverhältnis gem. § 840. Aber genau das ist das was zu einer Situation führt, die man als gestörte Gesamtschuld bezeichnet. Der Drittschädiger hat den kompletten Schaden zu tragen obwohl er im Innenverhältnis zum (privilegierten) Schädiger ggf. nur zu 20% haften müsste, wenn dieser nicht privilegiert wäre. Das wird im Allgemeinen als unbillig betrachtet. Deshalb wird in den meisten Fällen eine Lösung zu Lasten des Geschädigten angewendet (wenn ich das richtig verstanden habe). Außer in den Fällen des § 1664 (und wahrscheinlich auch des § 1359) hat der BGH sich für eine Lösung zu Lasten des Drittschädigers entschieden.

Zu den Spekulationen kann ich mich dir nur anschließen. Ich dachte auch, dass etwas mit Schaden, Familienrecht und somit wahrscheinlich gestörter Gesamtschuld drankommt. Allerdings würde ich die Aussage von Herrn Dr. Kreße nicht als Absage zu dieser Theorie empfinden. Schließlich kann man die Aussage auch so interpretieren, dass man den nicht hörbaren Teil nicht unbedingt braucht, da das auch im Skript steht.

by heinereiner
 
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