Unterschrift bei der Einlegung von Widerspruch und Klage

Dr Franke Ghostwriter
Beim Durcharbeiten der in moodle eingestellten alten LOTSE-Aufgaben stoße ich widerholt darauf, dass

  • für die Einlegung eines Widerspruchs es keiner Unterschrift bedarf. Ausreichend sei es, wenn sich aus dem Inhalt des Widerspruchs ergibt, wer Widersruchsführer ist.
  • für die Klage hingegen eine Unterschrift zwingend erforderlich sei.
Wenn ich den Wortlaut von den §§ 70 I und 81 I vergleiche, stelle ich hingegen fest, dass in beiden Fällen "schriftlich oder zur Niederschrift" verlangt wird.

Kann jemand erklären, wie es zu der unterschiedlichen Behandlung nicht unterschriebender Widersprüche und Klagen kommt, die beide aufgrund ihres Inhalts denjenigen, der das Rechtsmittel erhebt, erkennen lässt. Ich will es mir nicht nur merken, sondern ganz gerne auch verstehen.

Vielen Dank,

Claudia
 
Also, ich hab in der Widerspruchsstelle gearbeitet und nicht unterschriebene Widersprüche an die Leute zurück geschickt mit dem Hinweis, dass sie bis zum so und sovielten bitte unterschreiben sollten, sonst würde ich als unzulässig verwerfen. Jetzt frag mich nur nicht wo steht, dass der Widerspruch unterschrieben sein muss. Ich hoffe, dass ich das jetzt nicht die ganze Zeit falsch gemacht habe
 
zur Niederschrift bedeutet, dass es für die Klage oder den Widerspruch ein Schriftformerfordernis gibt, was nicht heißt, dass der Widerspruch oder die Klageschrift unterschrieben sein müssen. Müssen sie auch nicht, soweit sich der Urheber zweifelsfrei ermitteln lässt.

Soweit es sich um einen Anwaltsprozess i.S.d § 78 ZPO handelt, so muss ein Anwalt die Klageschrift unterschreiben.
 
beiden,

vielen Dank für Eure Überlegungen, die jedoch leider meine Frage noch nicht beantworten.

Meine Frage zielt nicht darauf ab, dass ich mir der Begrifflichkeit "zur Niederschrift" nicht im Klaren wäre, vielmehr geht es mir um das Tatbestandsmerkmal "schriftlich".

Mein Problem liegt darin, dass, bei aus meiner Sicht identischen gesetzlichen Formerfordernissen in den §§ 70 I und 81 I VwGO, in den Erläuterungen der LOTSE Aufgaben bei Widerspruch und Klage von unterschiedlichen Erfordernissen (Widerspruch = wenn Urheber zweifelsfrei erkennbar ist Unterschrift entbehrlich / Klage = zwingende Unterschrift) ausgegangen wird.

Gruß

Claudia
 
Claudia,

mein Alpmann sagt zu deinem Problem, dass sowohl bei der Klage als auch beim Widerspruch die eigenhändige Unterschrift nicht zwingend erforderlich ist, sofern sich auch anderweitig die Identität und Ernstlichkeit zweifelsfrei belegen lässt.

beim Widerspruch wird auf BVerwG NJW 1995, 2121 verwiesen; bei der Klage auf BVerwG NJW 2003, 1544

ich hoffe, dass das Problem damit geklärt ist :cool
 
Björn,

erst mal vielen Dank!

Aber guck Dir mal beispielsweise Lotse WS 07/08 Aufgabe 6 E an. Da steht für die Klage genau das Gegenteil. Das ist mein Problem, wobei ich das, wenn es klausurrelevant würde, dann einfach so ankreuzen würde. Eine schlüssige Erklärung konnte ich zumindest nicht finden...

Gruß

Claudia
 
also im Skript Teil 2, Seite 95 steht m. E. auch ziemlich eindeutig, dass auch nicht unterschriebene Klagen zulässig sein können, wenn der Urheber eindeutig identifizierbar ist.

ich hab den Lehrstuhl angeschrieben; mal schauen ob rechtzeitig geantwortet wird
 
hier die Antwort vom Lehrstuhl. ich konnte mir in der Kürze der Zeit die zitierte Rechtsprechung noch nicht anschauen. mache ich morgen

Lewis A. Johnston schrieb:
vielen Dank für Ihre Anfrage. Erhellend hierzu ist die Lektüre von BVerwGE 81, 32 und sodann BVerwG NJW 2003, 1544. Wie Sie hieraus erkennen werden, müssen andere Umstände hinzutreten, um eine ohne Unterschrift eingereichte Klage als ordnungsgemäß erhoben zu betrachten. Da Sie leider nicht präzisieren, welche LOTSE die Behauptung aufstellt, dass eine ohne Unterschrift eingereichte Klage grds. unzulässig sein soll, vermag ich nicht genau zu erklären, in welchem Zusammenhang dies geschehen ist. Ihrem Hinweis auf den Skriptinhalt bin ich gefolgt. Das Problem ist an dieser Fundstelle sehr knapp abgehandelt und m. E. lässt sich hieraus keine eindeutige Aussage entnehmen (was an der Formulierung „jedenfalls…“ erkennbar sein dürfte).

Die Frage ist also insgesamt weniger absolut zu beantworten als vielmehr mithilfe des Abgrenzungskriteriums aus E 81, 32. Was den Widerspruch angeht, so ist dieses Verfahren weniger förmlich als das Gerichtsverfahren, sodass gelten muss: Was im Gerichtsverfahren möglich ist, das muss erst recht im Widerspruchsverfahren gelten.
Ich hoffe, dies hilft Ihnen einstweilen weiter.
 
Björn,

vielen Dank, dass Du die Antwort eingestellt hast. Ich habe mir das inzwischen angesehen und verstehe die - doch eher "absoluten" - LOTSE Antworten zu der Frage nach wie vor nicht. Wie auch immer: Das Problembewusstesein haben wir in der Frage auf jeden Fall, wird schon schief gehen.

Viel Erfolg
Claudia
 
BVerwG, Urteil vom 06-12-1988 - 9 C 40/87
Dem Erfordernis der Schriftlichkeit der Klageerhebung gem. § VWGO § 81 VWGO § 81 Absatz I 1 VwGO kann auch ohne eigenhändige Namenszeichnung genügt sein, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Rechtsverkehrswillen ergeben.

BVerwG, Beschluss vom 27. 1. 2003 - 1 B 92/02
Das Fehlen der Unterschrift unter der Begründungsschrift für eine Nichtzulassungsbeschwerde kann bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise unschädlich sein. Diese Umstände müssen aus Gründen der Rechtssicherheit dem Gericht regelmäßig spätestens bei Ablauf der Begründungsfrist bekannt sein. Geht die nicht unterzeichnete Begründungsschrift (hier: wegen überlanger Postlaufzeit) erst nach Fristablauf ein, können nur die bei Eingang des Schriftsatzes erkennbaren Umstände berücksichtigt werden; eine Nachholung der versehentlich unterbliebenen Unterschrift nach Fristablauf ist nicht möglich.
so ganz verstehe ich es zwar immer noch nicht, weshalb ein Unterschied trotz gleichlautender gesetzlicher Vorgaben gemacht wird ... ich werde es in der Klausur aber auch so machen, dass ich bei der Klage zwingend auf einer Unterschrift bestehe.
 
Ad Form/Folgen der fehlenden Unterschrift aus Mu-Lösg-Übungsklausur

"Fraglich ist ferner, ob der Widerspruch nach Maßgabe des 70 VwGO formgerecht eingelegt worden ist. 70 I VwGO ordnet die Schriftform an. Möglicherweise ist in dem Umstand, dass der Widerspruch nicht unterschrieben wurde, ein Formverstoß zu erblicken. Die Schriftform könnte auch das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift beinhalten.

Sinn der der Formvorschrift ist es, die Identität des Absender feststellbar zu machen. Um diesen Zweck zu erfüllen, wäre es ausreichend, wenn sich für die Behörde aus dem Inhalt des Widerspruchs eindeutig und ohne Notwendigkeit für Rückfragen ergibt, wer der Widerspruchsführer ist.

Eine Unterschrift ist demnach keine zwingende Voraussetzung des Widerspruchs. Vorliegend nannte A in dem Widerspruch seinen Namen und nahm Bezug auf die bereits erfolgte Korrespondenz sowie deren Inhalt. Auch gab er zu verstehen, dass er eine neue Entscheidung begehrt. Somit sind die formellen Voraussetzungen erfüllt, die fehlende Unterschrift berührt die Wirksamkeit des Widerspruchs nicht.

Dass die Formvorschrift auch den Zweck hat klarzustellen, dass der konkrete Widerspruch eine gewollte Prozesshandlung darstellt (Willenselement), ist nicht Teil des Skripts (Kurs 2 Teil 1, S. 58), aber gleichwohl h.M. Daher kann eine Darlegung dieses Teilaspektes durch den Bearbeiter nicht erwartet werden"
 
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