Unterschiede zwischen § 326 IV und V?

Dr Franke Ghostwriter
vielleicht kann jemand von euch mir bei meinem Denkproblem helfen:

Schadensersatz statt der Leistung (§ 280 III, 283); Berechnung und Vorgehen bei gegenseitigen Verträgen, wenn
a) die Leistung des Gläubigers noch nicht erbracht wurde: nach Differenz- oder Surrogationsmethode möglich
b) die Leistung bereits erbracht wurde:
- nach Surrogationsmethode nur möglich, wenn die Gegenleistung nicht zurückgefordert (§ 326 IV) wird, oder der Gläubiger nicht zurücktritt (§ 326 V)?
- nach Differenzmethode, wenn der Gläubiger die Gegenleistung zurückfordert (§ 326 IV)? [ist es also möglich, dass der Gläubiger zunächst leistet - obwohl er nicht muss -, dann das Geleistete zurückfordert und anschließend Schadensersatz verlangt?]
- im Ergebnis ähnlich wie Differenzmethode, wenn der Gläubiger vom Vertrag zurücktritt (§ 326 V)?

Sind das die Möglichkeiten? Und wo genau ist der Unterschied zwischen § 326 IV und V? Bei § 326 V Rücktritt = Rückabwicklungsverhältnis, bei § 326 IV weiterbestehen des Schuldverhältnisses? Hmm... :runzel: klingt nich sehr logisch, was ich mir da so zurecht denke...

Wär schön, wenn mir jemand den richtigen Schubs geben könnte, damit da in meinem Kopf mal Klarheit herrscht!
 
Hi zusammen, vielleicht kann jemand von euch mir bei meinem Denkproblem helfen:

Schadensersatz statt der Leistung (§ 280 III, 283); Berechnung und Vorgehen bei gegenseitigen Verträgen, wenn
a) die Leistung des Gläubigers noch nicht erbracht wurde: nach Differenz- oder Surrogationsmethode möglich
b) die Leistung bereits erbracht wurde:
- nach Surrogationsmethode nur möglich, wenn die Gegenleistung nicht zurückgefordert (§ 326 IV) wird, oder der Gläubiger nicht zurücktritt (§ 326 V)?
- nach Differenzmethode, wenn der Gläubiger die Gegenleistung zurückfordert (§ 326 IV)? [ist es also möglich, dass der Gläubiger zunächst leistet - obwohl er nicht muss -, dann das Geleistete zurückfordert und anschließend Schadensersatz verlangt?]
- im Ergebnis ähnlich wie Differenzmethode, wenn der Gläubiger vom Vertrag zurücktritt (§ 326 V)?

Sind das die Möglichkeiten? Und wo genau ist der Unterschied zwischen § 326 IV und V? Bei § 326 V Rücktritt = Rückabwicklungsverhältnis, bei § 326 IV weiterbestehen des Schuldverhältnisses? Hmm... :runzel: klingt nich sehr logisch, was ich mir da so zurecht denke...

Wär schön, wenn mir jemand den richtigen Schubs geben könnte, damit da in meinem Kopf mal Klarheit herrscht!

Sehr geehrte Frau Lüthke,

zum Schadensersatz: Es ist so, wie Sie sagen.

zu § 326 IV/V: Die Vorschriften haben sowohl unterschiedliche Rechtsfolgen als auch einen unterschiedlichen Anwendungsbereich.

1. Bei § 326 IV tritt der Rückforderungsanspruch automatisch ein, ohne daß der Gläubiger etwas dafür tun müßte (oder dagegen tun könnte). Bei § 326 V tritt der Rückforderungsanspruch erst durch die Erklärung des Rücktritts ein.

2. Der Unterschied im Anwendungsbereich wird durch § 326 I 2 verständlich:

§ 326 IV setzt voraus, daß die Gegenleistung "nach dieser Vorschrift" (gemeint: § 326 I-III, also insbesondere § 326 I) zwar nicht geschuldet ist, aber dennoch bewirkt wurde. Ist also die Leistung des Schuldners unmöglich, entfällt ja nach § 326 I 1 der Anspruch auf die Gegenleistung. Wurde diese trotzdem geleistet, kann der Gläubiger sie zurückfordern, § 326 IV. Ein Rücktritt im Sinne des § 326 V ist dann unnötig.

Wenn es aber so ist, daß lediglich die Nacherfüllung (!) unmöglich ist (Beispiel: Es wird ein spezifischer Gebrauchtwagen geschuldet und geliefert, wobei vereinbart wird, daß es sich nicht um einen Unfallwagen handelt; in Wahrheit ist es jedoch ein Unfallwagen - dann ist Nachbesserung nicht möglich, weil das ein Unfallwagen bleibt, auch Ersatzlieferung ist nicht möglich, weil der Wagen ein Unikat ist), so gilt § 326 I 1 gemäß § 326 I 2 nicht. Somit ist auch § 326 IV nicht anwendbar. Wenn der Gläubiger seine Leistung zurückhaben will, muß er zunächst nach § 326 V zurücktreten. Das ist auch sinnvoll, denn der Gläubiger will ja möglicherweise den Wagen auch als Unfallwagen behalten und lediglich den Kaufpreis mindern. Diese Möglichkeit würde ihm durch § 326 I 1, IV de facto genommen, weil durch diese Vorschriften das ganze Austauschverhältnis gegenstandslos wäre und der Schuldner seinerseits die mangelhafte Sache nach §§ 326 IV, 346 zurückfordern könnte.

Fazit: Bei Unmöglichkeit der Primärleistung findet § 326 IV automatisch Anwendung, ohne daß der Gläubiger etwas dagegen tun könnte. Der Gläubiger will auch nichts dagegen tun, weil ja die ganze Leistung bereits unmöglich ist. Bei Unmöglichkeit der Nacherfüllung (also bei mangelhafter Leistung) hingegen findet § 326 V Anwendung, und der Gläubiger kann sich für einen anderen Rechtsbehelf als den Rücktritt entscheiden, mit der Folge, daß das Austauschverhältnis grundsätzlich aufrechterhalten wird und er die Sache behalten kann.

Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Kreße
 
Danke, dass Sie sich diese schnelle und ausführliche Antwort (ich vermute mal) aus dem Ärmel geschüttelt haben.
Aber ein Problem bleibt mir noch:
Sie sagen, bei Unmöglichkeit der Primärleistung findet § 326 IV automatisch Anwendung. Der Gläubiger erhält seine nicht (mehr) geschuldete Gegenleistung also zurück, ohne dass er sich darauf berufen muss? Aber die Formulierung ist doch "..., kann das Geleistete zurückgefordert werden".
Wird dann folgendermaßen vorgegangen?
Bei Unmöglichkeit der Primärleistung des Schuldners hat der Gläubiger (aus welchen Gründen auch immer) trotzdem zunächst seine Gegenleistung erbracht, obwohl er gem. § 326 I 1 nicht gemusst hätte. Dadurch ist der Tatbestand des § 326 IV erfüllt, so dass der Gläubiger das Geleistete automatisch zurückerhält. Ist dies geschehen, kann er SchE nach der Surrogationsmethode verlangen, wobei er seine Leistung (nochmals) erbringt und (statt der Leistung des Schuldners) SchE erhält?
 
Sie sagen, bei Unmöglichkeit der Primärleistung findet § 326 IV automatisch Anwendung. Der Gläubiger erhält seine nicht (mehr) geschuldete Gegenleistung also zurück, ohne dass er sich darauf berufen muss? Aber die Formulierung ist doch "..., kann das Geleistete zurückgefordert werden".
Wird dann folgendermaßen vorgegangen?
Bei Unmöglichkeit der Primärleistung des Schuldners hat der Gläubiger (aus welchen Gründen auch immer) trotzdem zunächst seine Gegenleistung erbracht, obwohl er gem. § 326 I 1 nicht gemusst hätte. Dadurch ist der Tatbestand des § 326 IV erfüllt, so dass der Gläubiger das Geleistete automatisch zurückerhält. Ist dies geschehen, kann er SchE nach der Surrogationsmethode verlangen, wobei er seine Leistung (nochmals) erbringt und (statt der Leistung des Schuldners) SchE erhält?

Naja, es stimmt schon, der Gläubiger kann das Geleistete zurückfordern, muß es aber natürlich nicht. Er hat aber jedenfalls (automatisch) den Anspruch; geltend machen muß er ihn natürlich nicht (muß ein Anspruchsinhaber nie). Anders als im Falle des § 326 V kann er aber eben z. B. nicht mindern. § 326 V wird vor dem Hintergrund verständlich, daß der Gläubiger entweder zurücktreten oder mindern (wegen § 441, der auf die Rücktrittsvoraussetzungen verweist) kann; dieses Wahlrecht hat er bei § 326 IV nicht; es ist im Falle der Unmöglichkeit der Primärleistung, bei der der Gläubiger ja gar nichts, auch keine mangelhafte Leistung, erhält, auch nicht nötig. Er hat also automatisch den Rückgewähranspruch - den nicht geltend zu machen ihm natürlich (wie immer) freisteht.

Zu Ihrer Frage: Ja, das kann theoretisch so laufen wie Sie sagen, z. B. beim Tausch. Die Tauschleistung des A ist unmöglich, deshalb muß B seine Tauschleistung gleichfalls nicht erbringen. B weiß aber nichts von der Unmöglichkeit und leistet daher an A. Anschließend erfährt er von der Unmöglichkeit, fordert die Leistung zurück, verlangt SE nach der Surrogationstheorie, muß seine Tauschleistung erbringen und erhält im Gegenzug SE statt der Leistung (§ 283) in Geld.

Häufiger geht es aber doch um Austauschverträge gegen Geld, z. B. Kaufverträge. Dann kommt SE nach der Surrogationstheorie nicht in Betracht, denn die Unmöglichkeit nach § 326 I 1 kann sich ja nur auf die gegenständliche Leistung (z. B. des Verkäufers V) beziehen; genauer: Wenn der Käufer wegen Unwissenheit trotz Unmöglichkeit der Verkäuferleistung den Kaufpreis gezahlt hat, anschließend von der Unmöglichkeit der Verkäuferleistung erfährt und den Kaufpreis zurückfordert, was er nach § 326 IV darf, so ist im Falle eines anschließenden SE-Begehrens des K nach der Differenzhypothese zu verfahren, weil sich zwei Geldleistungen gegenüberstehen: Auf der einen Seite der geldliche (§ 251 I) SE-Anspruch des K, auf der anderen Seite der Kaufpreisanspruch des V. Das wird dann verrechnet.

Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Kreße
 
Ergänzung

Daß der Gläubiger zunächst seine Leistung zurückfordert und sodann trotzdem noch SE statt der Leistung verlangt, wird etwa geschehen, wenn er erst nachträglich erfährt, daß er eigentlich ein besonders gutes Geschäft gemacht hat. Dann will er finanziell nicht so stehen, als sei das Geschäft gar nicht abgeschlossen worden (sprich: Rückabwicklung), sondern die günstigen wirtschaftlichen Folgen des Geschäfts für sich sichern, so etwa, wenn in meinem Tausch- oder Kaufbeispiel die Leistung des Schuldners/Verkäufers objektiv wertvoller war als die Leistung des Gläubigers/Käufers. Dann ist es besser, er fordert den Wert der vom Schuldner/Verkäufer geschuldeten Sache und erfüllt seinerseits die von ihm selbst geschuldete Leistung, als wenn er das Schuldverhältnis nur rückabwickelt und damit seinen Gewinn nicht realisiert.

Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Kreße
 
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