Adventskalender

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Dr Franke Ghostwriter
1. Dezember

Rudolph, das Rentier mit der Roten Nase

Hoch oben im Norden, wo die Nächte dunkler und länger und der Schnee viel weißer ist als in unseren Breitengraden, sind die Rentiere beheimatet. In jedem Jahr geht der Weihnachtsmann dort auf die Suche nach den stärksten und schnellsten Tieren, um seinen gewaltigen Schlitten durch die Luft zu befördern. In dieser Gegend lebte eine Rentierfamilie mit ihren fünf Kindern. Das Jüngste hörte auf den Namen Rudolph und war ein besonders lebhaftes und neugieriges Kind, das seine Nase in allerlei Dinge steckte. Tja, und diese Nase hatte es wirklich in sich. Immer, wenn das kleine Rentier-Herz vor Aufregung ein bisschen schneller klopfte, leuchtete sie so rot wie die glühende Sonne kurz vor dem Untergang.

Egal, ob er sich freute oder zornig war, Rudolphs Nase glühte in voller Pracht. Seine Eltern und Geschwister hatten ihren Spaß an der roten Nase, aber schon im Rentierkindergarten wurde sie zum Gespött der vierbeinigen Racker. "Das ist der Rudolph mit der roten Nase", riefen sie und tanzten um ihn herum, während sie mit ihren kleinen Hufen auf ihn zeigten. Und dann erst in der Rentierschule! Die Rentier-Kinder hänselten ihn wo sie nur konnten.

Mit allen Mitteln versuchte Rudolph seine Nase zu verbergen, indem er sie mit schwarzer Farbe übermalte. Spielte er mit den anderen verstecken, freute er sich, dass er diesmal nicht entdeckt worden war. Und im gleichen Moment begann seine Nase so zu glühen, dass die Farbe abblätterte.

Ein anderes Mal stülpte er sich eine schwarze Gummikappe darüber. Nicht nur, dass er durch den Mund atmen musste. Als er auch noch zu sprechen begann, klang es als säße eine Wäscheklammer auf seiner Nase. Seine Mitschüler hielten sich die Rentier-Bäuche vor Lachen, aber Rudolph lief nach Hause und weinte bitterlich. "Nie wieder werde ich mit diesen Blödhufen spielen", rief er unter Tränen, und die Worte seiner Eltern und Geschwister konnten ihn dabei nur wenig trösten.

Die Tage wurden kürzer und wie in jedem Jahr kündigte sich der Besuch des Weihnachtsmannes an. In allen Rentier-Haushalten wurden die jungen und kräftigen Burschen herausgeputzt. Ihre Felle wurden so lange gestriegelt und gebürstet bis sie kupfernfarben schimmerten, die Geweihe mit Schnee geputzt bis sie im fahlen Licht des nordischen Winters glänzten. Und dann war es endlich soweit. Auf einem riesigen Platz standen Dutzende von Rentieren, die ungeduldig und nervös mit den Hufen scharrten und schaurig-schöne Rufe ausstießen, um die Mitbewerber zu beeindrucken. Unter ihnen war auch Rudolph, an Größe und Kraft den anderen Bewerbern zumeist deutlich überlegen. Pünktlich zur festgelegten Zeit landete der Weihnachtsmann aus dem nahegelegenen Weihnachtsdorf, seiner Heimat, mit seinem Schlitten, der diesmal nur von Donner, dem getreuen Leittier gezogen wurde. Leichter Schnee hatte eingesetzt und der wallende rote Mantel war mit weißen Tupfern übersät. Santa Claus machte sich sofort an die Arbeit, indem er jedes Tier in Augenschein nahm. Immer wieder brummelte er einige Worte in seinen langen weißen Bart.

Rudolph kam es wie eine Ewigkeit vor. Als die Reihe endlich bei ihm angelangt war, glühte seine Nase vor Aufregung fast so hell wie die Sonne. Santa Claus trat auf ihn zu, lächelte freundlich und – schüttelte den Kopf. "Du bist groß und kräftig. Und ein hübscher Bursche dazu ", sprach er, "aber leider kann ich dich nicht gebrauchen. Die Kinder würden erschrecken, wenn sie dich sähen." Rudolphs Trauer kannte keine Grenzen. So schnell er konnte, lief er hinaus in den Wald und stampfte brüllend und weinend durch den tiefen Schnee.

Die Geräusche und das weithin sichtbare rote Licht lockten eine Elfe an. Vorsichtig näherte sie sich, legte ihre Hand auf seine Schulter und fragte : "Was ist mit dir?"

"Schau nur, wie meine Nase leuchtet. Keiner braucht ein Rentier mit einer roten Nase!" antwortete Rudolph.

"Das kenne ich", sprach die Elfe, "ich würde gerne im Weihnachtsdorf mit den anderen Elfen arbeiten. Aber immer, wenn ich aufgeregt bin, beginnen meine Ohren zu wackeln. Und wackelnde Ohren mag Santa Claus nicht."

Rudolph blickte auf, wischte sich mit den Hufen die Tränen aus den Augen und sah eine bildhübsche Elfe, deren Ohren im Rhythmus eines Vogelschlags hin und her wackelten.

"Mein Name ist Herbie", sagte sie schüchtern. Und während sie sich so in die Augen sahen, der eine mit einer leuchtend roten Nase, die andere mit rhythmisch wackelnden Ohren, prusteten sie urplötzlich los und lachten bis ihnen die Bäuche weh taten.

An diesem Tag schlossen sie Freundschaft schwatzten bis in die Nacht und kehrten erst am frühen Morgen heim.

Mit Riesenschritten ging die Zeit auf Weihnachten zu. Herbie und Rudolph trafen sich in dieser Zeit viele Male im Wald. Alle waren mit den Vorbereitungen für das Weihnachtsfest so beschäftigt, dass sie nicht bemerkten, wie sich das Wetter von Tag zu Tag verschlechterte.

Am Vorabend des Weihnachtstages übergab die Wetterfee Santa Claus den Wetterbericht. Mit sorgenvoller Miene blickte er zum Himmel und seufzte resigniert : "Wenn ich morgen anspanne, kann ich vom Kutschbock aus noch nicht einmal die Rentiere sehen. Wie soll ich da den Weg zu den Kindern finden?"

In dieser Nacht fand Santa Claus keinen Schlaf. Immer wieder grübelte er über einen Ausweg nach. Schließlich zog er Mantel, Stiefel und Mütze an, spannte Donner vor seinen Schlitten und machte sich auf den Weg zur Erde. "Vielleicht finde ich dort eine Lösung", dachte er. Während seines Fluges begann es in dichten Flocken zu schneien. So dicht, dass Santa Claus kaum etwas sehen konnte.

Lediglich ein rotes Licht unter ihm leuchtete so hell, dass ihm der Schnee wie eine riesige Menge Erdbeereis vorkam. Santa Claus liebte Erdbeereis. "Hallo", rief er, "was hast du für eine hübsche und wundervolle Nase! Du bist genau der, den ich brauche. Was hältst du davon, wenn du am Weihnachtstag vor meinem Schlitten herläufst und mir so den Weg zu den Kindern zeigst?"

Als Rudolph die Worte des Weihnachtsmannes hörte, fiel ihm vor Schreck der Tannenbaum zu Boden und seine Nase glühte so heftig wie noch nie in seinem Leben. Vor lauter Freude fehlten ihm die Worte. Erst langsam fand er seine Fassung wieder.

"Natürlich furchtbar gerne. Ich freu’ mich riesig." Doch plötzlich wurde er sehr traurig. "Aber wie finde ich den Weg zurück zum Weihnachtsdorf, wenn es so dicht schneit?" Im gleichen Moment, in dem er die Worte aussprach, kam ihm eine Idee.

"Bin gleich wieder da", rief er, während er schon in schnellem Galopp auf dem Weg in den Wald war und einen verdutzten Santa Claus zurückließ. Wenige Minuten später kehrten ein Rentier mit einer glühenden Nase und eine Elfe mit wackelnden Ohren aus dem Wald zurück. "Sie wird uns führen, Santa Claus", sagte Rudolph voller Stolz und zeigte auf Herbie. "Mit ihren Ohren hält sie uns den Schnee vom Leibe. Und sie kennt den Weg." "Das ist eine prachtvolle Idee", dröhnte Santa Claus. "Aber jetzt muss ich zurück. Auf morgen dann."

Und so geschah es, dass Santa Claus am Weihnachtstag von einem Rentier mit einer roten Nase und einer Elfe mit wackelnden Ohren begleitet wurde.

Rudolph wurde für seine treuen Dienste am nächsten Tag von allen Rentieren begeistert gefeiert. Den ganzen Tag tanzten sie auf dem großen Marktplatz und sangen dazu : "Rudolph mit der roten Nase, du wirst in die Geschichte eingehen."

Und es muss jemanden gegeben haben, der Santa Claus und seine beiden Helfer beobachtet hat. Sonst gäbe es sie heute nicht, die Geschichte von Rudolph mit der roten Nase.
 
2. Dezember

Der Weihnachtsteller

Als ich zusammen mit meinen gleichaussehenden Kollegen in den bunten
Weihnachtsteller gelegt wurde, war mir schnell klar, jetzt heißt es warten und reifen bis zum Fest. Ich roch herrlich nach Butter und Rum und meine Zuckerglasur stand mir besonders gut.
"He" rief ein dicker Marzipankartoffel neben mir "mach dich nicht so breit."
"Du mußt reden", beschwerte sich eine herrlich aussehende Kokosmakrone rechts von mir, "du machst dich doch breit wie ein fetter Christstollen". Sie lächelte mir freundlich zu und ich strahlte zurück. Was wäre wohl, träumte ich, wenn wir unsere Zutaten zusammenmischten?
Es käme bestimmt etwas besonders süßes heraus.

Ich sah mich um. Ein bisschen eng wars schon auf diesem bunten Teller, aber die Farbenpracht und der Geruch waren einmalig. Ich freute mich schon auf den großen Tag, wenn eine kleine Kinderhand nach mir greifen und mich genussvoll verschlingen würde. Das ist eben für uns Plätzchen die Krönung. Meine nette Kokosmakrone neben mir war eingeschlafen. Ihr zarter Duft machte mich ganz schwindelig.

"Bist du neu hier"? Ich äugte nach links oben von wo diese tiefe Stimme kam und schaute auf den wohl bestgelungensten Gewürzlebkuchen aller Zeiten. Er trotze nur so vor Korinten, Rosinen und Schokostückchen.
"Ja, ich bin noch ganz warm" sagte ich.
"Du siehst sehr appetitlich aus, so rund und saftig" lobte er mich.
"Danke, aber nichts gegen dich. Du bist fantastsich." Der Lebkuchen räkelte
sich richtig unter meinem Kompliment. "Stimmt ich bin wirklich gut gelungen.
Die Hausherrin probierte ein neues Rezept. Sie hat sich sehr viel Mühe gegeben".
"Ach Papperlapapp" schimpfte der dicke Marzipankartoffel auf ein Neues, "Ihr mit eurem Geschwätz. Spätestens bis zum 2. Weihnachtsfeiertag werdet ihr einfach in volle Bäuche gestopft und keiner wird sich mehr an eure Aussehen erinnern, oder an euren Geruch. Ihr seid eingebildete Narren."
"Vielleicht hast Du recht", pflichtete ich ihm bei, "aber unsere Aufgabe ist es nun mal gut auszusehen und zu schmecken."
"Wenn du so weiter meckerst", lachte ein Butterplätzchen schräg oben von uns, "wird dich keiner mehr vernaschen, weil du nämlich bis dahin sauer geworden bist."
Wir lachten alle schallend und der Marzipankartoffel wurde ganz dunkelbraun vor Wut. Meine süße Kokosmakrone war aufgewacht und hatte uns eine Weile wortlos zugehört.
"Versteht Ihr denn den Sinn dieses Festes überhaupt nicht? Es geht doch nicht darum, wer am besten gelungen ist , die schönste Farbe hat und am leckersten schmeckt. Oder wer den besten Platz im runden Teller hat. Wichtig ist nur, daß wir alle wie wir hier liegen, Freude bereiten und dazu-
beitragen, dass es ein gelungenens und frohes Fest wird.

Und wenn wir uns bis dahin alle vertragen werden sich unsere Aromen vermischen und wir alle werden unvergesslich schmecken. "

Es wurde sehr still im buntgemischten Weihnachtsteller. Der Marzipankartoffel rutschte noch ein bisschen weiter nach unten, aber er sagte nichts mehr. Die anderen nickten zustimmend.

Ich schaute stolz auf meine kleine Kokosmakrone, denn was sie gerade sagte ist das beste Rezept was je geschrieben wurde.
 
3. Dezember

Eiskristalle - Botschafter des Winters

Weihnachten etwas ganz Besonderes - es ist das Fest der Wunder. Und Wunder gibt es auf der ganzen Welt.

Deine erste Begegnung führt dich nach Irland in das Land der Mythen und Legenden.
Verschneite Geheimnisse kreuzen deined Weg, schon immer haben diese Menschen fasziniert. Die Magie des Verborgenen, die Seelenliebe der Vergangenheit, mystische Gedanken entführen dich in das Reich der Fantasie.

Irland, ein hartes Land, doch die grünen Hügel und die Burgen, die im Nebel einer Erscheinung gleichen, bezaubern uns. Ein Land, welches Weihnachten in eine magische Faszination hüllt.

An Weihnachten legt sich ein weißes Kleid über das Land, und in den Häusern hört man Lieder, die uns Erinnerungen aus Kindestagen erklingen lassen. Sie erzählen uns Geschichten wie diese:

Stellen dir vor, du sitzt in der warmen Stube, das Kaminfeuer knistert, es riecht nach heißer Schokolade und feinen Plätzchen.

Draußen ist es kalt und der Schnee bedeckt die Welt der Realität. Du blickst aus dem Fenster und plötzlich bekommst du eine Botschaft der Träume. Am Fenster zeichnen sich die Kristalle der eisigen Winde ab. Die Botschaft der kalten Zeit erzählen dir eine Geschichte, eine Geschichte, wie sie immer wieder kommt, jeden Winter Tag für Tag und Nacht für Nacht.

Eine Botschaft der Liebe und des Lächelns oder die der Kälte und der Eiszeit?

Nun schau genau hin! Langsam fügen sich auf dem Fensterglas wunderschöne Kristalle zusammen.

Und wie fühlt es sich an diese Kristalle zu beobachten?

Es ist ein Gefühl von Vertrauen in eine Welt, die schon so uralt ist, dass man sich gerne diese Erinnerung zurückholt.

Nach einigen Minuten siehst du ein faszinierendes Bild am Fenster, welches dir ein Lächeln auf deine Lippen zaubert.

Stück für Stück lüftest du das Geheimnis der Botschaft und spürst wieder diese Erinnerung.

Erinnerungen an Weihnachten, an die Engel der Seele, an den schönen Weihnachtsbaum, das gut riechende Essen auf dem dekorativ gedeckten Tisch zum Abendmahl.

Erinnerungen an den Winter, wie wunderschön und wie traurig. Es ist wie wenn man wieder Kind sein kann, obwohl man bereits erwachsen ist.

Du gehst zum Fenster und öffnest es, um die Kristalle genauer anzusehen. Und dann geschieht das Unaufhaltsame. Die Wärme des Feuers lässt die Kristalle schmelzen.

Du hast es erkannt, dies ist die Botschaft von diesem Jahr: Erwärme die Kristalltränen in deinem Herzen für die Seelen, welche dir nah sind,
dann kannst du die Welt ein wenig zum Guten verändern.

Langsam schließst du das Fenster und setzt dich an den warmen Kamin. Das Feuer lodert und du blickst wieder hinaus in die Ferne und Sekunden später erreicht sie eine neue Botschaft.

Ob du das Fenster wieder öffnest, ist allein deine Entscheidung.
 
4. Dezember

Das Paket des lieben Gottes

Berthold Brecht


Nehmt eure Stühle und eure Teegläser mit hier hinter an den Ofen und vergesst den Rum nicht. Es ist gut, es warm zu haben, wen man von der Kälte erzählt.

Manche Leute, vor allem eine gewisse Sorte Männer, die etwas gegen Sentimentalität hat, haben eine starke Aversion gegen Weihnachten. Aber zumindest ein Weihnachten in meinem Leben ist bei mir wirklich in bester Erinnerung. Das war der Weihnachtsabend 1908 in Chicago.

Ich war anfang November nach Chicago gekommen, und man sagte mir sofort, als ich mich nach der allgemeinen Lage erkundigte, es würde der härteste Winter werden, den diese ohnehin genügend unangenehme Stadt zustande bringen könnte. Als ich fragte, wie es mit den Chancen für einen Kesselschmied stünde, sagte man mir, Kesselschmiede hätten keine Chance, und als ich eine halbwegs mögliche Schlafstelle suchte, war alles zu teuer für mich. Und das erfuhren in diesem Winter 1908 viele in Chicago, aus allen Berufen.

Und der Wind wehte scheusslich vom Michigan-See herüber durch den ganzen Dezember, und gegen Ende des Monats schlossen auch noch eine Reihe großer Fleischpackereien ihren Betrieb und warfen eine ganze Flut von Arbeitslosen auf die kalten Straßen.

Wir trabten die ganzen Tage durch sämtliche Stadtviertel und suchten verzweifelt nach etwas Arbeit und waren froh, wenn wir am Abend in einem winzigen, mit erschöpften Leuten angefüllten Lokale im Schlachthofviertel unterkommen konnten. Dort hatten wir es wenigstens warm und konnten ruhig sitzen. Und wir saßen, so lange es irgend ging, mit einem Glas Whisky, und wir sparten alles den Tag über auf dieses eine Glas Whisky, in das noch Wärme, Lärm und Kameraden mit einbegriffen waren, all das, was es an Hoffnung für uns noch gab.

Dort saßen wir auch am Weihnachtsabend dieses Jahres, und das Lokal war noch überfüllter als gewöhnlich und der Whisky noch wässeriger und das Publikum noch verzweifelter. Es ist einleuchtend, dass weder das Publikum noch der Wirt in Feststimmung geraten, wenn das ganze Problem der Gäste darin besteht, mit einem Glas eine ganze Nacht auszureichen, und das ganze Problem des Wirtes, diejenigen hinauszubringen, die leere Gläser vor sich stehen hatten.

Aber gegen zehn Uhr kamen zwei, drei Burschen herein, die, der Teufel mochte wissen woher, ein paar Dollars in der Tasche hatten, und die luden, weil es doch eben Weihnachten war und Sentimentalität in der Luft lag, das ganze Publikum ein, ein paar Extragläser zu leeren. Fünf Minuten darauf war das ganze Lokal nicht wiederzuerkennen.

Alle holten sich frischen Whisky (und passten nun ungeheuer genau darauf auf, dass ganz korrekt eingeschenkt wurde), die Tische wurden zusammengerückt, und ein verfroren aussehendes Mädchen wurde gebeten, einen Cakewalk zu tanzen, wobei sämtliche Festteilnehmer mit den Händen den Takt klatschten. Aber was soll ich sagen, der Teufel mochte seine schwarze Hand im Spiel haben, es kam keine reche Stimmung auf.

Ja, geradezu von Anfang an nahm die Veranstaltung einen direkt bösartigen Charakter an. Ich denke, es war der zwang, sich beschenken lassen zu müssen, der alle so aufreizte. Die Spender dieser Weihnachtsstimmung wurden nicht mit freundlichen Augen betrachtet. Schon nach den ersten Gläsern des gestifteten Whiskys wurde der Plan gefasst, eine regelrechte Weihnachtsbescherung, sozusagen ein Unternehmen größeren Stils, vorzunehmen.

Da ein Überfluss an Geschenkartikeln nicht vorhanden war, wollte man sich weniger an direkt wertvolle und mehr an solche Geschenke halten, die für die zu Beschenkenden passend waren und vielleicht sogar einen tieferen Sinn ergaben.

So schenkten wir dem Wirt einen Kübel mit schmutzigem Schneewasser von draußen, wo es davon gerade genug gab, damit er mit seinem alten Whisky noch ins neue Jahr hinein ausreichte. Dem Kellner schenkten wir eine alte, erbrochene Konservenbüchse, damit er wenigstens ein anständiges Servicestück hätte, und einem zum Lokal gehörigen Mädchen ein schartiges Taschenmesser, damit es wenigstens die Schicht Puder vom vergangenen Jahr abkratzen könnte.

Alle diese Geschenke wurden von den Anwesenden, vielleicht nur die Beschenkten ausgenommen, mit herausforderndem Beifall bedacht. Und dann kam der Hauptspaß.

Es war nämlich unter uns ein Mann, der musste einen schwachen Punkt haben. Er saß jeden Abend da, und Leute, die sich auf dergleichen verstanden, glaubten mit Sicherheit behaupten zu können, dass er, so gleichgültig er sich auch geben mochte, eine gewisse, unüberwindliche Scheu vor allem, was mit der Polizei zusammenhing, haben musste. Aber jeder Mensch konnte sehen, dass er in keiner guten Haut steckte.

Für diesen Mann dachten wir uns etwas ganz Besonderes aus. Aus einem alten Adressbuch rissen wir mit Erlaubnis des Wirtes drei Seiten aus, auf denen lauter Polizeiwachen standen, schlugen sie sorgfältig in eine Zeitung und überreichten das Paket unserm Mann.

Es trat eine große Stille ein, als wir es überreichten. Der Mann nahm zögernd das Paket in die Hand und sah uns mit einem etwas kalkigen Lächeln von unten herauf an. Ich merkte, wie er mit den Fingern das Paket anfühlte, um schon vor dem Öffnen festzustellen, was darin sein könnte. Aber dann machte er es rasch auf.

Und nun geschah etwas sehr merkwürdiges. Der Man nestelte eben an der Schnur, mit der das "Geschenk" verschnürt war, als sein Blick, scheinbar abwesend, auf das Zeitungsblatt fiel, in das die interessanten Adressbuchblätter geschlagen waren. Aber da war sein Blick schon nicht mehr abwesend. Sein ganzer dünner Körper (er war sehr lang) krümmte sich sozusagen um das Zeitungsblatt zusammen, er bückte sein Gesicht tief darauf herunter und las. Niemals, weder vor- noch nachher, habe ich je einen Menschen so lesen sehen. Er verschlang das, was er las, einfach. Und dann schaute er auf. Und wieder hatte ich niemals, weder vor- noch nachher, einen Mann so strahlend schauen sehen wir diesen Mann.

"Da lese ich eben in der Zeitung", sagte er mit einer verrosteten mühsam ruhigen Stimme, die in lächerlichem Gegensatz zu seinem strahlenden Gesicht stand, dass die ganze Sache einfach schon lang aufgeklärt ist. Jedermann in Ohio weiß, dass ich mit der ganzen Sache nicht das Geringste zu tun hatte." Und dann lachte er.

Und wir alle, die erstaunt dabei standen und etwas ganz anderes erwartet hatten und fast nur begriffen, dass der Mann unter irgendeiner Beschuldigung gestanden und inzwischen, wie er eben aus dem Zeitungsblatt erfahren hatte, rehabilitiert worden war, fingen plötzlich an, aus vollem Halse und fast aus dem Herzen mitzulachen, und dadurch kam ein großer Schwung in unsere Veranstaltung, die gewisse Bitterkeit war überhaupt vergessen, und es wurde ein ausgezeichnetes Weihnachten, das bis zum morgen dauerte und alle befriedigte.

Und bei dieser allgemeinen Befriedigung spielte es natürlich gar keine Rolle mehr, dass dieses Zeitungsblatt nicht wir ausgesucht hatten, sondern Gott.
 
5. Dezember

Der Weihnachtsmann steht vor der Tür

Leise schwebten dicke Schneeflocken vom Himmel. Es war dunkel und niemand mochte auf der Straße sein, selbst nicht die Kinder, die ihre Eltern sonst immer quälten, doch um diese Zeit noch ein paar Minuten im Schnee herumtollen zu dürfen.
Sie saßen vor dem Fernseher oder dem PC und beschäftigten sich mit Videos oder Computerspielen.

Bei Müllers klingelt es. Durch die Gegensprechanlage fragt Herr Müller nach dem Namen und dem Begehr.

"Ich bin der Weihnachtsmann und komme aus dem Himmel!"

Fluchend wendet Herr Müller sich ab und geht ins Arbeitszimmer an seinen PC zurück. Es ist an der Zeit, sich eine Gegensprechanlage anzuschaffen, die aus jedem Zimmer bedient werden kann. Er musste mit dem Surfen im Internet aufhören, weil es klingelte.

"Wer war das denn", fragt Frau Müller?

"Na, irgend so ein Verrückter, oder ein Händler, der es mit einer neuen Masche versucht", antwortet Herr Müller.

"Und was hat er gesagt", fragt Frau Müller zurück?

"Er wäre der Weihnachtsmann, er käme aus dem Himmel", hat er gesagt, "der Trottel glaubt, wir sind noch aus der alten Zeit!"

"Na, bei den vielen Satelliten käme der alte Mann mit seinem Schlitten doch gar nicht durch, ohne dass er einen Unfall baut und wenn doch, dann knallt ihn unsere Flugabwehr ab", schaltet sich Müller Junior aus seinem Zimmer in das Gespräch der Eltern ein.

"So ein Unsinn, morgen ist doch erst Heiligabend", sagt Vater Müller, "hier steht es schwarz auf weiß auf meinem Monitor."

"Papi ich habe dir schon hundertmal gesagt, du sollst dein Datum ändern, seit du damals an der Software herum gefummelt hast, ist dein Datum verstellt und ich darf es dir ja nicht einstellen, weil du zu stolz bist." "Nur nicht zugeben, dass du keine Ahnung vom Computer hast, nicht wahr Papi?"

"Sag mal", fragt Frau Müller, "was glaubst du eigentlich, weshalb du einen ganzen Tag an deinem Computer sitzen kannst?"

"Na weil wir Samstag oder Sonntag haben", antwortet Herr Müller.

"Samstag haben wir übermorgen und dann kommt Sonntag", antwortet Frau Müller.

Erschrocken springt Herr Müller auf und läuft zur Garderobe.

"Das sagst du mir erst jetzt", schreit er erbost, "dann komme ich ja zu spät ins Büro!"

"Das nicht, denn um diese Zeit wärst du doch schon wieder zu Hause", lacht Müller Junior, "Mami will dich doch nur auf den Arm nehmen."

"Gleich werde ich aber ernsthaft böse", schreit Herr Müller, "keiner weiß in diesem Laden, welchen Tag wir haben, welches Datum, welche Uhrzeit, Fremde bezeichnen sich als Weihnachtsmann, bin ich denn hier unter Irren gelandet?"

Frau Müller und ihr Sohn lachen schallend, sie können sich nicht mehr einkriegen vor Lachen.

"Sag du uns doch mal Tag, Datum und Uhrzeit", sagt Frau Müller, "seit du den PC und den Internet Anschluss hast, hast du doch jedes Zeitgefühl verloren!"

"Da habe ich mir etwas besonderes ausgedacht, ich schenke dir zu Weihnachten eine Uhr, die du alle 12 Stunden mit der Hand aufziehen musst, damit du wieder ein Zeitgefühl bekommst!"

"Leider hast du ja den Weihnachtsmann weggeschickt, der dir die Uhr bringen sollte; war nämlich ein Schnäppchen aus dem Fernsehen mit Weihnachtsservice."

"Na "Gott sei Dank" keine Soft- oder Hardware, sonst wäre ich sauer geworden", sagt Herr Müller und verkriecht sich hinter seinem PC.

Der Weihnachtsmann sagt draußen zu einem Englein mit einem großen Buch:

"3x Müller, Weberstraße 15, 3. Stock, Berlin, streichen, keine Anlieferung mehr in den kommenden Jahren!"

Dann geht er auf seinen noch fast voll beladenen Schlitten, knallt mit der Peitsche und die Rentiere galoppieren los.

"Wenn das aber so weiter geht", sagt ein Englein zu einem anderen, dann brauchen wir nächstes Jahr nicht mehr loszufahren. Die paar Pakete, für die, die noch an den Weihnachtsmann glauben und Zeit für ihn haben, die können wir dann mit der Erdenpost billiger und bequemer verschicken.
 
6. Dezember

Wo wohnt der Nikolaus?

Papa, wo wohnt der Nikolaus?" fragte der kleine Jörg. Papa saß gerade am Computer und hörte mal wieder nicht richtig hin. „Weiß nicht", kam die Antwort. „Da musst du mal die Omi fragen, die hat mir das damals auch erklärt. Jörg fuhr mit dem Fahrrad zur Omi. Die saß jedoch auch am Computer und hatte keine Lust, Nikolausgeschichten zu erzählen. „Man Omi du bist echt uncool sagte der kleine Jörg und klebte ihr beleidigt sein Kaugummi auf den Babbel. „Babble Gum", rief Omi und schüttelte sich. Da fiel der Kaugummi auf die Maus und dadurch ging das Computerspiel aus. Auch das Gebiss war futsch. Schließlich fand es sich auf dem Scanner wieder. Omis Lieblingsspielzeug war zerschmettert. Als Omi das Gebiss gerade greifen wollte, wurde es eingescannt. „Oh, Schreck", babbelte Omi, „wie soll ich jetzt mein Mohnbrötchen essen?"
Verzweifelt suchte sie ihre Festplatte ab und schimpfte dabei: „Du bösser, böser Junge, was hasst Du nur wieder angestellt." „Ach Omi", sagte Jörg „ich wollte doch nur wissen, wo der Nikolaus wohnt." Omi war stinksauer: „Ich habe mein Gebicss verloren und du fragcst mich nach dem Nikolaucs. Der wird übrigencs gar nicht gut zu csprechen csein auf kleine Kinder, die Omics Gebicß eincscannen." Als Omi die Windows beenden wollte, entdeckte sie im Hintergrund ihr Gebiss. „Klasse Omi, da ist es ja", rief Jörg. „Cön", grunzte Omi „da nüccen sie mir nitz beim Kauen!"
Jörg war ein böser Junge. Er ging in die Küche, holte ein Kotelett und legte es auf den Scanner. Schwupp - weg war es - „Siehst du Omi, so kannst du viel schneller essen und kannst mir nebenbei erzählen, wo der Nikolaus wohnt. - Soll ich dir noch eine Schnitte Brot einscannen? Den Kaffee kannst du ja noch so trinken - Oder?" Jörg grinste und Omi war sprachlos. „Dein Gebiss ist jetzt als Software installiert. Jetzt müssen wir dich nur noch mit dem Computer verkabeln, dann sind alle deine Probleme gelöst. Du musst dich allerdings vor einem Virenbefall hüten."
Jetzt war Omi richtig in Rage: „Diese Jugend von heute ist das Letczte, was fällt dir blocß ein?" Omi schrieb ihrem Gebiss: „Bitte, liebes Gebiss, komm doch wieder raus." Doch das Gebiss kam nicht wieder raus. Nicht aus Laufwerk A und auch nicht aus Laufwerk D. Auch auf dem Scanner lag es nicht. In ihrer letzten Verzweiflung wollte sie den Brief an ihr Gebiss ausdrucken. Da geschah etwas ganz Schreckliches: Braunverschmiertes Endlospapier kam aus dem Drucker und zu allem Übel bäuerten beide Lautsprecherboxen. „Klasse", rief Jörg begeistert, „Nun kannst du sogar deine Toilette vermieten. Die brauchst du ja nun nicht mehr." Jetzt wurde Omi unruhig und wollte es genau wissen. Sie scannte eine Schokoladenreklame aus der Zeitung ein und noch ein paar schöne Fotos aus ihrem Kochbuch. Nach einer Weile sagte sie: „Du wirst es nicht glauben; aber jetzt bin ich satt." -
„Omi, darf ich heute bei dir schlafen?" „Das fehlt mir gerade noch; wer weiß, was du noch anrichtest." Bitte, bitte Omi, vielleicht lösen wir das Problem ja noch." Omi überlegte kurz, griff zum Telefon und rief ihren Sohn an. Der war froh, als er hörte, dass Jörg bei Omi schlafen wollte. So konnte er weiter an seinem Computer arbeiten. Doch als Omi ihm erzählte, was passiert war, bekam er einen Lachkrampf. Dabei fiel ihm der Hörer aus der Hand. Die Mutter kam aus der Küche gerannt: „Was hast du?" Statt einer Antwort, lachte er immer lauter. Sie sah den Hörer liegen, griff danach und rief: „Hallo!" Jetzt erzählte Omi ihr die verrückte Story.
Sie glaubte kein Wort von dem, was sie hörte. Als sie aufgelegt hatte, packte sie Schlafzeug, Zahnbürste und ein Märchenbuch ein und brachte es zur Omi. „Du hast ja wirklich kein Gebiss drin", sagte sie als sie Omis Gutenabend gehört hatte. „Sag ich doch, sieh dir nur mein Hintergrundbild an, wenn du mir nicht glaubst." Jörg freute sich, dass er nun doch bei Omi schlafen durfte. Schnell zog er sein Schlafzeug an, bevor es sich noch jemand anders überlegen könnte. Dabei fand er das Märchenbuch. Er blätterte darin herum und fand auch eine Nikolausgeschichte - mit Bild.
„Omi, Omi, - ich glaube ich habe die Lösung". Jörg scannte das Nikolausbild ein. Als er das Buch herunternahm, war das Bild von der Seite verschwunden. Omi schaute wieder im Hintergrund nach. Da stand wahrhaftig der Nikolaus und kramte in seinem Sack. Omi schrieb: „Lieber, guter Nikolaus, rücke meine Zähne raus." Der Nikolaus auf dem Monitor grinste und holte ein kleines Päckchen raus. Plötzlich wurde der Drucker aktiviert und klickediklick - fielen alle Zähne einzeln raus.
„So eine Gemeinheit", schrie Omi und scannte die Zähne gleich wieder ein. Der Nikolaus grinste sie aus dem Hintergrund listig an. Omi schrieb: „Du gemeiner Nikolaus, rücke mein ganzes Gebiss wieder raus." Da ertönte die Stimme aus dem Lautsprecher: „Was willst du denn, Zähne oder Gebiss oder was?" „Gebiss", sabberte Omi. Der Drucker wurde wieder aktiviert und tatsächlich kam auch das Gebiss wieder raus. „Endlich brauchte sie nicht mehr zu lispeln. „Siehste Jörg", sagte sie „der Nikolaus wohnt im Computer."
 
7. Dezember

Der kleinste Tannenbaum


Der Mann, der immer zu spät kam, dachte auch zu spät an Weihnachten. Als er nämlich in die Stadt fuhr, um für sich, seine Frau und seine Kinder einen Tannenbaum zu kaufen, waren alle, fast alle Tannenbäume ausverkauft. Nur einen ganz winzigen fand er noch und kaufte ihn.
Das Bäumchen steckte in einem Blumentopf. Bei genauerem Hinsehen merkte der Mann, der immer zu spät kam, daß es gar kein Baum war, sondern Äste, die mit Draht so zusammengebunden waren, daß sie wie ein kleiner Baum aussahen.
Auch die Wachskerzen waren nur mit Draht an den Ästen festgebunden.
Der Mann setzte sich auf die nächste Bank und überlegte hin und her: »Ist das nun ein Tannenbaum oder nicht?«
Je dunkler es wurde, desto eher sah das Gebilde im Blumentopf wirklich wie ein Tannenbaum aus. Da beschloß der Mann, nach Hause zu fahren.
Er kam zum Parkhaus, in dem er seinen Wagen abgestellt hatte. Die große schwere Eisentür des Parkhauses aber war fest verschlossen. Alles war dunkel, kein Mensch zu sehen.
Der Mann, der immer zu spät kam, war auch diesmal zu spät gekommen.
Er klopfte wie wild an die dicke Tür. Sein Klopfen hallte im Innern wider. Nach einiger Zeit - er gab das Klopfen nicht auf- hörte er Schritte, die näher kamen.
»Wir haben uns doch erst in einer halben Stunde verabredet. Du bist zu früh. Geh noch ein bißchen spazieren.«
»Du bist zu früh. du bist zu früh, du bist zu früh« - das hatte er noch nie gehört, und wer hatte das gesagt? Der Mann, der immer zu spät kam, zerbrach sich den Kopf, was dies alles zu bedeuten hätte. Er freute sich, daß er zu früh war. Er wollte eine halbe Stunde warten.
Aber die halbe Stunde schien ihm wie eine Ewigkeit. Immer schaute er auf den Kirchturm - die halbe Stunde wollte nicht vergehen. Immer noch war es zu früh für den Mann, der immer zu spät kam.
Endlich öffnete sich die eiserne Tür einen Spalt weit. Ein bärtiger verwahrloster Mann blickte ihn mit entsetzten Augen an: »Ja, was willst du denn hier? Ich warte auf einen andern.«
»Und ich möchte mein Auto holen«, entgegnete der Mann, der immer zu spät kam; sein Gesicht war ganz unglücklich dabei. »Ich muß doch nach Hause mit meinem Tannenbaum!«
»Ich lass' dich raus, aber du darfst niemandem verraten, daß ich hier wohne«, antwortete der Bärtige, mit einem mitleidigen Blick auf den Blumentopf-Tannenbaum.«
Zusammen, beim Schein der Taschenlampe, schlichen sie die vielen Windungen des Parkhauses hinunter bis zum kleinen roten Auto des Mannes, der immer zu spät kam. Ganz nahe dabei, zu allerunterst, brannten in einer Nische
ein paar Kerzen an einem kleinen Christbaum, einem richtigen Tannenbaum. Eine alte Matratze mit ein paar Decken, ein alter Koffer lagen daneben.
»Also, fahr schon raus, aber leise und ohne Licht! Und niemand soll von mir erfahren, verstanden?« Das klang fast drohend.
Leise öffnete sich das Eisentor vor dem Mann, der immer zu spät kam, und leise schloß es sich wieder hinter seinem kleinen roten Auto. Kurz darauf schaltete er das Licht ein. Er fuhr so schnell, wie er noch nie gefahren war, und sagte sich: »Vielleicht bin ich jetzt nicht mehr der Mann, der immer zu spät kommt?«
Seine Kinder freuten sich über den Tannenbaum. Sie fanden ihn süß und merkten nicht, daß es gar kein richtiger Baum war. Die kleinen Kerzchen brannten; die Kinder sangen.
Die Frau aber sah plötzlich, daß der Mann, der immer zu spät kam, still vor sich hin lachte. Als das Lied zu Ende war, sagte der Mann leise, aber doch so, daß alle es hörten: »Ich bin jetzt nicht mehr der Mann, der immer zu spät kommt.« . Tatsächlich kam dieser Mann von jetzt an oft zu früh, häufig richtig und selten auch zu spät.
Im nächsten Jahr kaufte er genau eine Woche vor Weihnachten einen Tannenbaum und holte sein kleines rotes Auto früh aus dem Parkhaus. Von dem merkwürdigen bärtigen Mann war nichts zu sehen.
 
8. Dezember (1)

Eine nicht ganz so stille Nacht

"Ich sollte mich allmählich zur Ruhe setzen."
Müde stapfte der Weihnachtsmann durch den tiefen Schnee. Sein Atem bildete kleine Wolken in der kalten, kristallklaren Luft, die in immer kürzeren Intervallen geradewegs aus den Tiefen seines schneeweißen Bartes zu kommen schienen. Grundsätzlich besuchte der Weihnachtsmann die Kinder am Weihnachtsabend ja gerne, doch dieser Anstieg durch den Wald den Hügel hinauf war wahrlich kein Vergnügen. Schon gar nicht, wenn man mehrere hundert Jahre alt war, dazu noch einen großen Sack mit sich her-umschleppen mußte und einem als Lichtquelle nur der gute alte Mond zur Verfügung stand, der es sich nicht nehmen ließ, gelegentlich hinter einer Wolke zu verschwinden. "Vielleicht hätte ich doch Ruphus mitnehmen sollen", überlegte der Weihnachtsmann, während er für einen Moment anhielt, um wieder zu Atem zu kommen. Fast ein wenig neidisch dachte er an den Weihnachtselfen, der es sich vermutlich gerade in dem Ren-tierschlitten bequem machte und nichts anderes zu tun hatte, als auf die Rückkehr seines Meisters zu warten. Elf mußte man eben sein. Sein müder Blick wanderte den Hügel hinauf. Ein warmer Lichtschein fiel dort durch die Bäume und wies ihm so auf den letzten Metern den Weg. "Nun gut, die Pflicht ruft. Wäre doch gelacht, wenn ich den Rest nicht auch noch schaffe", seufzte er und setzte sich wieder in Bewegung.


Etwas weiter oben lag Harro, der Hofhund, in seiner Hütte und sinnierte über die Ungerechtigkeit des Lebens. Heute war Heiligabend. Das war nicht zu übersehen. Überall auf dem Hof brannten bunte Lampen, und aus dem Haus roch es zum ersten Mal seit Wo-chen wieder richtig gut. Ganz offensichtlich wurde dort etwas Schmackhaftes zubereitet, nur ihm würde das vermutlich nicht viel nützen. Mißmutig fiel sein Blick auf den Freßnapf, der vor seiner Hütte stand und vor Trockenfutter überlief. "Eigentlich müssen wir ja sparen", hatte sein Herrchen ihm vorhin verkündet und dann sein Futternapf doch bis zum Rand gefüllt. "Aber heute ist Weihnachten. Tut mir leid, alter Junge, aber mehr als Trockenfutter ist nicht drin." Und das zu Weihnachten! Harro war sauer. Am liebsten hätte er jetzt Minka, die alte Hauskatze, über den Hof gejagt und sich ein wenig mit ihr gestritten, doch die war leider diesen Herbst verstorben. Harro vermißte sie. Auch wenn er es ihr nie gegenüber hatte zugeben können, er hatte die alte Katze gemocht. Nun war er das einzige Tier im Haus, und das war langweilig. Noch mehr als er, schien jedoch die fünfjährige Tina unter dem Verlust zu leiden. Seit Minka verstorben war, lief sie nur noch mit Trauermiene herum und schien Harro gar nicht wahrzunehmen. Als ausgewachsener Schäferhund war er eben kein geeigneter Ersatz für eine Angorakatze, egal wieviel Mühe er sich auch gab, ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Das Leben war einfach ungerecht. Ein plötzliches Geräusch lenkte Harro von seinen trübseligen Gedanken ab. Wenn ihn sein gutes Gehör nicht täuschte, schlich sich jemand auf der anderen Seite des Hofes den Hügel hinauf. Das war zur Abwechslung einmal interessant. In freudiger Erwartung bleckte Harro die Zähne. Während andere Hunde nun laut bellend den Eindringling begrüßt hätten, liebte Harro den Überraschungseffekt, den er, sehr zum Leidwesen des örtlichen Briefträgers, bis zur Perfektion eingeübt hatte. Leise schlich er im Schatten der Hauswand zur anderen Seite hinüber, verbarg sich hinter einem großen Rhododendrenstrauch, der unter der Last des Schnees halb begraben war und wartete auf den Eindringling. Der große Weihnachtshund schien ein Einsehen zu haben und ihm etwas zum Spielen zu schicken. Harro würde sein Geschenk gebührend empfangen.


"Meinst du, der Weihnachtsmann hat mich vergessen?"

"Natürlich nicht", beruhigte Maren ihre kleine Tochter. Liebevoll strich sie ihr über das blonde, leicht gewellte Haar und vergaß für einen Moment den ganzen Ärger, der sie zu überrollen drohte. Michael, ihr Mann, hatte vergangenen Sommer seinen Job verloren und bisher keinen neuen gefunden. Mit über vierzig Jahren hatte man ihn bisher überall rigoros abgelehnt. "Zu alt" war die regelmäßige Begründung, auch wenn keiner sich traute, das direkt auszudrücken. Aber zwischen den Zeilen konnte man deutlich lesen, was der wirkliche Grund war. Sie steckten wirklich in der Klemme. Wenn nicht bald ein Wunder geschah, würden sie sogar ihr Haus verkaufen müssen.

"Aber es ist schon spät, und er ist immer noch nicht da."

"Keine Sorge, er wird schon noch auftauchen, Papa hat dafür gesorgt", vertröstete sie die Kleine, "aber ich weiß nicht, ob er dir das Spielzeug schenkt, das du dir wünscht", bereitete sie ihr Kind auf eine mögliche Enttäuschung vor, denn das Geld reichte dieses Jahr nicht für große Geschenke. Mit ihrem Mann hatte sie sogar abgemacht, sich ge-genseitig gar nichts zu schenken und das, obwohl sie doch einen Herzenswunsch hatte.

"Ich habe mir kein Spielzeug gewünscht", erwiderte Tina ernsthaft.

"Was dann?"

"Das darf ich nicht verraten, sonst geht es nicht in Erfüllung."

"OK, verstehe. Na dann lassen wir uns eben überraschen, und nun laß Mami weiter arbeiten. Ich muß noch viel erledigen, bevor der Weihnachtsmann kommt."

"Ist gut." Wie der Wirbelwind verschwand Tina aus dem Zimmer, wobei sie fast Michael umgerannt hätte, der gerade im Begriff war, eine Girlande aufzuhängen.

"Du hast doch den Studentendienst nicht vergessen?", hakte Maren vorsichtig nach. Sie mußten zwar sparen, aber der Weihnachtsmann vom Studentendienst kostete nun wirklich nicht die Welt. Das hatte allerdings auch seinen Grund.

"Nein, obwohl ich das für Unsinn halte. Wenn ich nur an das letzte Jahr zurück denke. Der Typ, den sie uns geschickt hatten, war vor lauter Alkohol so weggetreten, dass er vom Schlitten fiel und die ganze Zeit wie ein Vodoopriester auf Valium vor sich hin grinste."

"Ja, ho, ho, hol mir mal ein Bier", kam wirklich nicht so gut an", gab Maren kleinlaut zu, "aber diesmal haben sie versprochen, jemand mit Erfahrung zu schicken."

"Vielleicht sollte ich mich dort bewerben. Mit meinem Alter wäre doch gut qualifiziert."

"Michael!"

"Tut mir leid, aber ich hatte heute schon wieder Post."

"Absagen?", hauchte Maren ängstlich. Michael nickte.

"Verbunden mit den besten Weihnachtswünschen. Reizend, nicht wahr? Vielleicht sollte ich wirklich auf Weihnachtsmann umsatteln. Das wäre doch einmal ein lockerer Job."


Diese Einschätzung konnte der Weihnachtsmann gar nicht teilen. Nachdem er endlich schwer prustend sein Ziel erreicht hatte, mußte er feststellen, dass dieses von einem Jägerzaun umgeben war. Ihm blieb auch nichts erspart. Natürlich hätte er auch den Weg durch die Gartenpforte nehmen können, aber er wollte ja unbemerkt bleiben. Also wählte er den Weg über die Rückseite des Gartens und hievte ächzend ein Bein über den erstaunlich hohen Zaun. Prompt blieb er mit dem Hosenboden an einem der spit-zen Pfähle hängen. "Verdammt, das fehlt mir noch", fluchte er, während er wenig elegant das zweite Bein über den Zaun beförderte, das Gleichgewicht verlor und erst einmal der Länge nach mit dem Gesicht voraus im Schnee verschwand.


Harro war gelinde gesagt enttäuscht. Einen Einbrecher hatte er sich anders vorgestellt. Gut, der Typ schleppte einen großen Sack mit sich herum, was seine Absichten aus der Perspektive des Hundes hinreichend dokumentierte. Trotzdem, in dem Alter sollte man nach Harros Meinung besser im Schaukelstuhl sitzen und nicht in einem abgefahrenen Kostüm Einbrüche verüben. Harro bezweifelte, dass es Spaß machen würde, den Einbrecher, der sich gerade wie ein altersschwacher Bär aus dem Schnee hoch kämpfte, über den Hof zu jagen. Aber egal, man nimmt was man vor die Schnauze bekommt. Vielleicht würde er ja munterer werden, wenn er ihn mit seinen Zähnen bekannt machen würde. Das war eine gute Idee. Auf steifen Beinen verließ Harro sein Versteck. Das Spiel konnte beginnen.


"Das ist das letzte Mal", fluchte der Weihnachtsmann leise vor sich hin, während er den verbliebenen Schnee von seinem roten Mantel klopfte. Eine Inspektion seiner Kehrseite bestätigte ihm, dass dort ein erschreckend großer Riss klaffte. Verfluchter Jägerzaun. Seufzend brach er die weitere Überprüfung ab. Zumindest hatte er sich nichts gebrochen, und das war die Hauptsache. Nun mußte er nur noch seine Aufgabe erledigen, doch die war nicht gerade leicht. Sein Blick wanderte über die weiße Fassade des hübschen Einfamilienhauses, das mit seinen hölzernen Fensterläden und der bunten Be-leuchtung in dem tief verschneiten, großzügigen Garten fast wie eines dieser Kerzen-häuser aus den Weihnachtsboutiquen wirkte. Sorgfältig musterte der Weihnachtsmann die hell erleuchteten Landhausfenster der ersten Etage, bis sein Blick an einem Fenster hängenblieb, das mit lauter Weihnachtsmalereien geschmückt war. Auf der Fensterbank saß ein Bär, der lässig eine Weihnachtsmütze über seinem rechten Ohr trug und in den Garten hinab sah. Die schwarzen Knopfaugen schienen ihn vorwurfsvoll anzustarren, und der Weihnachtsmann hätte schwören können, dass der Bär mitleidig sein Stoffhaupt schüttelte. Der Weihnachtsmann schnaubte. Wer interessierte sich schon für die Meinung eines altklugen Stoffbären? Zumindest wußte er nun, wo er hin mußte. Mit einem Seufzen langte er nach seinem schweren Sack und erstarrte. Soweit er sich erinnern konnte, bestand dieser aus stabilem, von Elfenhand gewebtem Sackleinen, nicht jedoch aus struppigem Fell. Auch hatte er keine elfenbeinfarbenen Reißzähne gehabt. Erschrocken riss er die Hand zurück.
 
8. Dezember (2)

"Hallo", knurrte Harro in seiner tiefsten Tonlage und stellte erfreut fest, dass die rosigen Wangen des Einbrechers plötzlich blass geworden waren. "Hast du dich verlaufen?"

"Sag mal, hat da nicht eben jemand um Hilfe gerufen?", fragte Maren irritiert. Sie war überzeugt, gerade einen verzweifelten Hilfeschrei, gefolgt von einem freudigen Bellen und Knurren, vernommen zu haben.

"Ich habe nichts gehört."

"Und wenn Harro gerade den Studenten verspeist?"

"Dann sparen wir Trockenfutter."

Maren verzog wütend den Mund. Mit ihrem Mann konnte man im Augenblick wirklich nicht allzuviel anfangen. "Schon gut, dann sehe ich eben nach", schnaubte sie und schritt energisch zur Vordertür.

"Das war wahrlich in letzter Sekunde." Mit dem, was von seinem rechten, roten Ärmel übrig geblieben war, wischte sich der Weihnachtsmann über die schweißnasse Stirn, dann schlug er dem Elfen Ruphus dankbar auf die Schulter. "Was würde ich nur ohne deine Zaubertricks machen?"

"In der Klemme stecken", versetzte der Elf, während er grinsend den armen Harro betrachtete. Der fand das Ganze weniger komisch. Gerade noch hatte er sich so gut mit seinem Spielzeug amüsiert und nun, von einem Moment auf den anderen, konnte er kein Glied mehr rühren. Selbst seine Schnauze, aus der noch einige rote Stoffetzen heraushingen, war wie gelähmt. Er würde sich beim großen Weihnachtshund beschweren und sein Geschenk umtauschen.

"Solltest du nicht auf den Schlitten aufpassen?", versuchte der Weihnachtsmann abzulenken.

"Klar, aber ich kenne Euch ja schon ein paar hundert Jahre, und in letzter Zeit habt Ihr immer Hilfe gebraucht."

"Unsinn", wiegelte der Weihnachtsmann ab, während er beobachtete, wie der Elf mit einer lässigen Handbewegung Harro in seine Hütte zurück beförderte. Es war schon ungerecht, dass Zaubern nur den Elfen vorbehalten war.

"Ich erinnere mich noch gut an das letzte Jahr, als Ihr Euch im Zimmer geirrt hattet und um Haaresbreite als Sittenstrolch verhaftet worden wäret."

"Ach das.." Verlegen rückte der Weihnachtsmann sein mitgenommenes Wams zurecht.

"Oder als man Euch in Texas für einen Viehdieb gehalten und auf Euch geschossen hat. Gut war auch die Geschichte in Australien..."

"Schluss jetzt", unterbrach der Weihnachtsmann die Aufzählung. "Ich habe zu arbeiten, außerdem kommt jemand."

Während Weihnachtsmann und Elf sich in den Schatten der seitlichen Hauswand duckten, ging an der Vorderseite des Hauses die Tür auf. Eine Frau trat ins Freie und sah sich aufmerksam um.

"Und?", erklang eine gelangweilte Männerstimme aus dem Inneren.

"Falscher Alarm, Harro liegt friedlich in seiner Hütte." Die Frau verschwand wieder und schloss die Tür hinter sich. Harro konnte es nicht fassen. Sah denn keiner was hier los war? Dafür atmete der Weihnachtsmann erleichtert auf. "Das war knapp", gab er zu und schritt zur Rückseite des Hauses. Ruphus folgte ihm amüsiert. "Also weiter im Text. Ich muß da oben hinein." Mit dem Finger wies der Weihnachtsmann auf die bemalte Scheibe, hinter der noch immer der Bär thronte. Sein Blick schien zu sagen: Hier kommst du nicht rein.

"Gut, dass Ihr so durchtrainiert seid", spottete Ruphus mit einem bezeichnenden Blick auf den immensen Bauch des Weihnachtsmannes, der sein Wams bedenklich spannte.

"Das macht eine Woche Rentierstriegeln extra", knurrte der Weihnachtsmann beleidigt und begab sich auf die Suche nach einer einfacheren Zutrittsmöglichkeit. Irgendwie würde er schon in dieses Haus kommen. Er spürte, dass die kleine Tina ihn brauchte. Viele Wünsche von Kindern gingen ihm im Laufe eines Jahres auf geheimnisvolle Weise zu. Doch leider wünschten sich diese, sehr zum Mißfallen des Weihnachtsmannes, nur Spiele für ihre Computer oder Spielekonsolen, bei denen regelmäßig ganze Monsterhorden von einem degenerierten Helden unter Zuhilfenahme diverser Hypermegaüberkillaffen vom Bildschirm gepustet wurden. Der Weihnachtsmann seufzte unbewusst. Wo war nur die Zeit geblieben, als er noch mit einer Holzeisenbahn aus seinem Rucksack ein Lächeln auf jedes Kindergesicht zaubern konnte? Vergangen, wie so vieles. Doch bei Tina war das anders, ganz anders. "Lieber Weihnachtsmann", hatte sie ihren Wunsch begonnen, "ich wünsche mir nur zu wissen, dass es Minka im Katzenhimmel gut geht. Mehr nicht! Bitte, bitte sag mir, ob sie gut angekommen ist. Sie ist nämlich schon ein bisschen alt und sieht nicht mehr so gut. Ich wünsche mir nur, dass du ihr hilfst, falls sie sich auf dem Weg nach oben verflogen hat. Ich warte auf deine Antwort." Der Weihnachtsmann war gerührt und hatte Tinas Wunsch ganz oben auf die Liste gesetzt. Klar ging es Minka gut. Liebe Katzen kommen in den Himmel. Keine Frage! Und das würde er Tina mitteilen, außerdem hatte er da noch etwas in seinem Sack, das sie vielleicht ein wenig trösten würde.

"Und, schon eine Möglichkeit gefunden?", riß Ruphus ihn aus seinen Gedanken.

"Hier ist noch eine Tür", erwiderte der Weihnachtsmann leise. Tatsächlich befand sich auf der Rückseite des Hauses eine weitere Tür, hinter der sich eine strahlend hell erleuchtete Küche im Landhausstil verbarg. Wie sie von da allerdings unerkannt ins Zimmer der kleinen Tina gelangen sollten, blieb vorerst ein Rätsel. Dafür tat sich ein neues Problem auf. Während der Weihnachtsmann noch nachdenklich vor der hell erleuchteten Küchentür stand, öffnete sich diese plötzlich wie von selbst, und im Türrahmen erschien ein kräftig gebauter Mann.

"Da sind Sie ja. Wurde auch langsam Zeit", begrüßte er den verdutzten Weihnachtsmann. "Na wenigstens haben Sie das mit der Hintertür nicht vergessen. Aber wer ist das?" Mit erstauntem Gesichtsausdruck deutete er auf Ruphus, der seine spitzen Ohren unter seiner Wollmütze verschwinden ließ.

"Gestatten, Ruphus, Weihnachtself", stellte er sich vor.

"Ich habe nur einen Mann bestellt und werde auch nur für einen bezahlen", knurrte Michael unfreundlich zurück.

"Oh, der ist umsonst", wiegelte der Weihnachtsmann, der allmählich seine Fassung wieder zurück erlangte, ab.

"Na schön, dann kommt rein." Michael trat zur Seite und machte eine auffordernde Handbewegung. Zögernd leisteten Weihnachtsmann und Elf der Einladung Folge. Erfreut stellten sie fest, dass es in der Küche wie in ihrer heimischen Weihnachtsbäckerei am Nordpol roch. Auf der Arbeitsplatte standen fein säuberlich aufgereiht diverse Schüsseln mit selbst gebackenen Keksen, und im Ofen brutzelte irgendetwas vor sich hin, das Ruphus das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.

"Die Maske ist gut", stellte Michael nüchtern fest, nachdem er den Weihnachtsmann näher in Augenschein genommen hatte. "Sie könnten glatt für hundert Jahre durchgehen."

"Danke", erwiderte der Weihnachtsmann erfreut. "Sport lohnt sich eben doch."

Michael sah ihn daraufhin mißtrauisch an. "Sie haben doch nichts getrunken?"

Weihnachtsmann und Elf schüttelten demonstrativ den Kopf. Erst jetzt fiel Michael der zerfledderte Ärmel des Weihnachtsmannes auf, der seiner Aufmerksamkeit bisher entgangen war. "Was ist denn damit passiert?", fragte er irritiert. Verlegen versuchte der Weihnachtsmann seinen Ärmel hinter dem Rücken zu verbergen.

"Motten", half Ruphus dem Weihnachtsmann mit einer Erklärung aus der Patsche.

"Ganz schön gefräßig", stellte Michael beeindruckt fest.

"Oh ja, besonders die eine Plage hatte ziemlich große Zähne." Der Weihnachtsmann nickte bestätigend bei der Erinnerung an Harro, den Hofhund.

"Wann werde ich je erleben, dass die uns einmal einen vernünftigen Mann schicken?" Michael seufzte, worauf der Weihnachtsmann beleidigt das Gesicht verzog. "Na schön, das ist jetzt nicht zu ändern", fuhr Michael fort. "Nehmen Sie Platz, ich erkläre Ihnen gleich, was Sie tun sollen, doch zuerst muß ich dafür sorgen, dass wir nicht gestört werden. Das dauert nicht lange." Ohne ein weiteres Wort verschwand er durch die Küchentür und ließ einen verdutzten Weihnachtsmann nebst Elf zurück.

"Wie meint er das? Er erklärt uns, was wir tun sollen?", fragte der Weihnachtsmann irritiert, während sie sich in die kleine, halbrunde Eßecke, die an der Stirnseite der Küche halb unter dem gemütlichen Küchenfenster stand, zwängten. Er war ja schon eine ganze Weile im Amt, aber so eine Behandlung war ihm noch nicht untergekommen.

"Ich schätze, er verwechselt uns mit jemanden", spekulierte Ruphus, während er sehnsüchtig die Keksschalen ins Auge fasste.

"Wie kann man mich verwechseln? Sehe ich vielleicht aus wie der Osterhase?", fauchte der Weihnachtsmann empört.

"Naja, wenn man da etwas mit den Ohren machen würde..."

"Ruphus!"

"Schon gut, ich denke, er hält Euch für einen Mietstudenten, der den Weihnachtsmann spielen soll", klärte Ruphus ihn auf.

"Oh.."

"Tja, ich schätze, wir bekommen ein ernstes Problem, wenn der echte Miet-Weihnachtsmann hier auftaucht. Vielleicht sollten wir besser wieder verschwinden."
 
8. Dezember (3)

"Nicht bevor ich die kleine Tina glücklich gemacht habe", erwiderte der Weihnachtsmann entschlossen. Liebevoll tätschelte er den großen Sack, aus dem zu Ruphus Erstaunen ein klägliches Miauen ertönte. Doch er zuckte nur die Achseln. Was das Beschenken anging, duldete der Weihnachtsmann keine Kritik. Dafür stellte Ruphus etwas anderes fest.

"Hier ist nicht nur Tina unglücklich", bemerkte er, wobei er sich durch einen großen Haufen Papier wühlte, der plötzlich mitten auf dem Tisch wie von Zauberhand erschienen war. "Ihre Bewerbung" war auf vielen der Schreiben zu lesen, andere trugen die Überschrift "Letzte Mahnung".

"Lass das sofort wieder verschwinden", fauchte der Weihnachtsmann erschrocken.

"Das auch?" In der Hand hielt Ruphus einen zerfledderten Reiseführer über Paris. Neben dem Bild des Eiffelturms, der die Titelseite schmückte, war handschriftlich notiert "Hochzeitstag in Paris?" Weiter unten befand sich eine weitere Notiz. "Wahrscheinlich nicht, schade", war dort zu lesen.

"Scheint so, als ob es hier noch ein wenig mehr Arbeit zu erledigen gibt", seufzte der Weihnachtsmann. Ruphus nickte kurz, und die Ansammlung von Post nebst Reiseführer verschwand auf genauso wunderliche Weise, wie sie erschienen war. Gerade noch rechtzeitig, denn just in diesem Moment öffnete sich die Küchentür, und Michael kehrte zurück, gefolgt von seiner Frau.

"Frohe Weihnacht", begrüßte Maren den Weihnachtsmann nebst Begleitung, die auf sie einen erschrockenen Eindruck machten, so als hätte man sie beinahe bei etwas erwischt. Ihr Blick streifte besorgt den großen Sack der auf dem Boden stand, doch eine kurze Inspektion der Küche lieferte keinen Anhaltspunkt dafür, dass etwas fehlte. Selbst die Kekse sahen noch vollzählig aus.

"Frohe Weihnacht", erwiderte der Weihnachtsmann mit tiefer Stimme. "Und was wünscht du dir zur Weihnachten, Maren?"

"Sie wünscht sich nichts! Und hören Sie auf, uns mit dem Vornamen anzureden", erwiderte Michael. Der Weihnachtsmann sah plötzlich verärgert aus.

"Du bist sehr unfreundlich, Michael! Außerdem stimmt das nicht. Deine Frau hat sehr wohl einen Wunsch. Habe ich Recht?" Auffordernd sah der Weihnachtsmann Maren an, die rot anlief.

"Nun ja, eigentlich schon, aber dieses Jahr wollen wir darauf verzichten", brachte sie zögernd hervor.

"Aber Schatz, ich dachte.."

"Sie wünscht sich eine Reise nach Paris, zum Hochzeitstag, ist doch nicht schwer zu erraten", warf Ruphus lässig ein. Verwirrt irrte der Michaels Blick zwischen Weihnachtsmann, Elf und seiner Frau hin und her.

"Woher wollen Sie das wissen?"

"Das würde mich auch interessieren?", hakte Maren nach. Der Weihnachtsmann lächelte sie gutmütig an.

"Du hast es dir doch gewünscht, und alle Wünsche gehen auf verschlungenen Pfaden dem Weihnachtsmann zu", erklärte er.

"Jetzt verstehe ich." Liebevoll sah Maren Michael an. "Du hast es ihm verraten, um mich zu überraschen. Oh Hase, das war lieb von dir." Sie strahlte über das ganze Gesicht. "Du hast doch an meinen Wunsch gedacht. Hast du schon gebucht?"

Michael fing an zu schwitzen. Er hatte das Gefühl, plötzlich in eine Bärenfalle getappt zu sein, aus der es kein Entkommen gab. "Nun..", stotterte er, während er sich über das gutmütige Grinsen des Weihnachtsmanns ärgerte. "Ehrlich gesagt, habe ich nichts ....." Das Klingeln der Türglocke rettete ihn vor einer Erklärung.

"Wer kann das sein?", fragte Maren erstaunt.

"Ich schätze, ich habe da so eine Vermutung", seufzte Ruphus.

Vor der Tür wartete Thomas, Jura-Student im siebten Semster, in seinem schon leicht mitgenommenen Weihnachtsmannkostüm. Dies war nun schon sein neunter Auftritt für heute, und dementsprechend motiviert war er. Die ersten zwei bis dreimal waren ja noch ganz lustig gewesen, doch spätestens beim vierten Mal hatte ihn der Job zu nerven begonnen. Wahrscheinlich würden ihn die Weihnachtslieder, die die Kinder ihm mit quietschenden Stimmen vorgesungen hatten, noch im nächsten Sommer verfolgen. Zum Glück hatte der eine oder andere Hausherr Mitleid gehabt und ihm gelegentlich etwas zum Trinken angeboten. Das hatte das Ganze ein wenig erträglicher gemacht. Er seufzte bei dem Gedanken, was ihn in diesem Haus wieder erwarten würde, während er erneut auf die Klingel drückte. Wollten die ihn hier erfrieren lassen? Dies war seine letzte Tour für heute, und er wollte endlich nach Hause! Gelegentlich warf er einen nervösen Blick auf die Hundehütte, in der ein beeindruckend großer Schäferhund lag. Doch zum Glück hatte der sich bisher nicht gerührt. Das Drehen des Schlüssels im Schloss der Haustür riss Thomas aus seinen Gedanken. Anscheinend hatte man ihn endlich gehört. Innerlich gab er sich einen Ruck, es war wieder Showtime.

"Ho, ho, ho, von draußen vom Walde komme ich her und ....."

"Das ist doch logisch, schließlich leben wir im Wald", unterbrach Tina, die als Erste zur Tür gerannt und diese geöffnet hatte, Thomas Vortrag. Der war verblüfft. "Ähh, ja, da ist was dran", stotterte er. "Also, Kleine, kann ich mal deine Eltern sprechen."

"Wo ist denn dein Rentierschlitten?" Neugierig sah Tina sich im Garten um, doch alles was sie entdeckte war ein betagter VW-Golf, der vor ihrer Gartentür parkte. Thomas seufzte. Wieder so ein Kind, das ihn mit Fragen quälte. "In der Inspektion", erwiderte er sarkastisch. "Hör mal, ich würde jetzt wirklich gerne deine Eltern sprechen." Tina sah ihn mißtrauisch an. Dieser Weihnachtsmann entsprach so gar nicht den Bildern aus ihren Büchern. So weit sie sich erinnern konnte, trug der Weihnachtsmann auch keine ausgetretenen Turnschuhe und Jeans unter seinem roten Mantel. "Du bist gar nicht der Weihnachtsmann", stellte sie energisch fest.

"Bin ich doch, und ich habe sogar eine große Rute mitgebracht", knurrte Thomas verärgert, dem allmählich klar wurde, dass er sich von seinem Honorar verabschieden konnte, wenn es nicht schaffen sollte, seine Rolle überzeugend zu spielen. Und im Augenblick sah es nicht so aus, als würde ihm das gelingen.

"Wenn du der Weihnachtsmann bist, dann weißt du auch, was ich mir gewünscht habe", gab Tina ihm eine letzte Chance. Hoffnungsvoll sah sie zu ihm auf. Vielleicht hatte sie sich ja geirrt, und dies war wirklich der Weihnachtsmann.

"Na klar, jede Menge Spielzeug", bluffte Thomas aufs Geratewohl.

"Falsch!"

"Hey, mach die Tür wieder auf!" Ein dumpfes Klopfen ertönte, das Tina jedoch unbeeindruckt ließ. Im Eilschritt lief sie den Flur entlang und dann die Treppe hinauf. Beinahe hätte sie dabei zum zweiten Mal an diesem Abend ihren Vater überrannt, der gerade aus der Küchentür trat.

"Wer war denn an der Tür?", rief er seiner Tochter hinterher.

"Ein Betrüger", schallte es von oben zurück, gefolgt von einem lauten Knallen einer Zimmertür. Michael zuckte die Achseln. Heute war wirklich ein verrückter Tag. "Ja, ja, ich komme ja schon", rief er, als erneut das ungeduldige Klingeln an der Haustür ertönte.

"Ho, ho, ho, von draußen vom Walde komme ich...", setzte Thomas zu einem zweiten Versuch an, doch auch diesmal schaffte er es nicht, seinen Vortrag zu Ende zu bringen.

"Was wollen Sie denn hier?", fragte Michael beim Anblick des schlecht verkleideten Studenten, der über eine beachtliche Alkoholfahne verfügte, erstaunt. Der ließ resigniert die Schultern hängen. Entweder hatte sich die gesamte Hausgemeinschaft gegen ihn verschworen oder er war Opfer der versteckten Kamera geworden.

"Ihnen den neuen Hyper-Turbo-Staubsauger mit wieder verwendbarem Jutestaubsack andrehen", brummte er, wobei er Michael seinen Weihnachtssack unter die Nase hielt. "Ich hoffe, ihnen gefällt die Ausführung. Den Besen gibt es gratis dazu."

In der Küche versuchten inzwischen der Weihnachtsmann und Ruphus verzweifelt mitzubekommen, was draußen an der Tür passierte. Doch angesichts des Umstandes, dass Maren ihnen begeistert von Paris vor schwärmte, erwies sich das als aussichtslos. Ein plötzlicher Ruf Michaels unterbrach ihren Vortrag.

"Schatz, kommst du bitte mal. Hier stimmt etwas nicht."

"Sie entschuldigen mich, ich bin gleich wieder da." Maren verschwand aus der Küche.

"Jetzt sitzen wir in der Falle." Der Weihnachtsmann seufzte. Ruphus legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter.

"Keine Sorge, mir fällt schon etwas ein. Wozu kann ich schließlich zaubern?"

Tina lag tief enttäuscht auf ihrem Bett, das Gesicht im Kissen vergraben. Was würde der Weihnachtsmann wohl dazu sagen, wenn er von diesem Betrüger wüßte?, fragte sie sich, als eine tiefe Stimme sie erschrocken hoch fahren ließ.

"Na, wer wird denn am Weihnachtsabend weinen?"

"Bist du der echte Weihnachtsmann?", flüsterte Tina beim Anblick des weißbärtigen, gütig wirkenden Mannes in dem roten Anzug, wobei sie Ruphus argwöhnisch betrachtete. Ihr war schleierhaft, wie die beiden so plötzlich in ihrem Zimmer auftauchen konnten. Fast kam es ihr vor, als sei hier Zauberei im Spiel. Der Weihnachtsmann bückte sich zu ihr hinunter und strich ihr liebevoll über das Haar.

"Ja, ich bin der einzig wahre Weihnachtsmann, und das ist mein Gehilfe Ruphus. Du brauchst keine Angst zu haben."

"Habe ich auch nicht", erwiderte Tina trotzig, obwohl ihre Stimme ein wenig zitterte. "Aber wenn du der echte Weihnachtsmann bist, dann weißt du auch, was ich mir gewünscht habe."
 
8. Dezember (4)

Der Weihnachtsmann nickte und öffnete seinen Sack. Tinas Augen wurden groß, als sie sah, was der Weihnachtsmann vorsichtig zutage förderte. Eine kleine, schwarz weiß gemusterte Katze. "Minka läßt dich übrigens grüßen. Es geht ihr gut im Katzenhimmel, und sie hofft, dass du auf diese Kleine hier aufpassen wirst. Bekommst du das hin?"

Tina nickte stumm, während eine einzelne Träne über ihre Wange lief.

"Danke", flüsterte sie leise, dann sah sie den Weihnachtsmann ehrfürchtig an. "Du bist wirklich echt!", staunte sie. Der Weihnachtsmann schmunzelte. "Oh ja, das bin ich, aber nun muß ich wieder los." Nervös sah er zu Ruphus hinüber. "Hol den Schlitten. Und laß dir etwas für diesen falschen Weihnachtsmann einfallen, damit wir Zeit gewinnen."

"Schon geschehen", antwortete Ruphus amüsiert.

In seiner Hütte stellte Harro begeistert fest, dass er die Kontrolle über seine Gliedmaßen zurückbekommen hatte. Nun war es an der Zeit, den Eindringlingen zu zeigen, wer der Hund auf diesem Hof war. Sein Blick fiel auf den Mann in dem lächerlichen roten Kostüm, der sich heftig mit seinen Leuten stritt. Er sah zwar mit seinem weißen Bart aus wie ein alter Mann, aber Harro konnte riechen, dass das nicht stimmte. Der Mann war ein Betrüger, und Harro mochte keine Betrüger. Er hatte schon eine Idee, wie er sich dem Unbekannten vorstellen würde. In froher Erwartung zog er die Lefzen zurück, so dass sich das Mondlicht auf seinen Zähnen spiegelte. Für einen kurzen Augenblick zögerte er und hob irritiert den Kopf. War da nicht eben etwas Großes lautlos zur anderen Seite des Hauses hinüber geflogen? Ein Schlitten, der von seltsamen Tieren gezogen wurde? Argwöhnisch musterte er den Himmel, an dem jedoch nur der Mond in einem Meer aus lauter kleinen Wolken schwamm. Unwillig schüttelte Harro den Kopf. Jetzt litt er schon unter Wahnvorstellungen. Es war an der Zeit, sich auf das zu konzentrieren, was er vor der Schnauze hatte, und das leuchtete verlockend rot. Harro setzte sich leise in Bewegung.

"Toll, ein echter Rentierschlitten, und er kann fliegen." Tina war begeistert. "Nehmt ihr mich mit?", fragte sie den Weihnachtsmann, der gerade dabei war, mit der Hilfe von Ruphus durch das geöffnete Fenster auf den Schlitten zu klettern. Die Augen des Stoffbären, der bei diesem Manöver wie zufällig von der Fensterbank gefallen war, schienen zu sagen: Das schaffst du nie.

"Das geht leider nicht", ächzte der Weihnachtsmann, während er einen halsbrecherischen Spagat zwischen Fensterbank und Schlittenkufe zu Wege brachte, der jeden Stuntman vor Neid hätte erblassen lassen. "Noch mehr Gewicht verträgt der Schlitten nicht."

Auf der anderen Seite des Hauses ging es inzwischen lautstark zu.

"Sie verschwinden jetzt von unserem Grundstück. Ein betrunkener Student, der dazu noch meine Tochter verängstigt hat, kommt uns nicht ins Haus", fauchte Maren wütend.

"Nicht ohne mein Geld. Wir haben einen Vertrag."

"Das können Sie mit Harro aushandeln."

"Wer ist Harro?"

Statt zu antworten, wies Michael nur lässig auf etwas oder jemanden hinter Thomas. Ein tiefes Knurren, das plötzlich hinter seinem Rücken ertönte, ließ Thomas schlucken.

"Ärgern Sie ihn nicht zu sehr, er ist sehr sensibel", spottete Maren.

"Warten Sie, ich..", setzte Thomas an und brach ab, als er sich unvermittelt der geschlossenen Tür gegenüber sah.

"Meinst du, Harro wird ihm etwas antun?", fragte Maren mit leichter Besorgnis in der Stimme. Immerhin war Weihnachten, da sollte man Milde walten lassen. Michael winkte beschwichtigend ab.

"Ach was, er wird ihn nur ein wenig durch den Garten jagen, wie er es immer mit dem Postboten macht. Das schadet nicht und ist gut für die Fitness. Er wird uns dankbar sein." Ein lautes Bellen, gefolgt von einem heftigen Fluchen, ließ Michael aufhorchen. Dann ertönte das laute Klappen der Gartentür, und einen Augenblick später heulte ein altersschwacher VW-Golf Motor auf. Dem Tempo nach zu urteilen, mit dem er leiser wurde, hatte der Fahrer es eilig, Distanz zwischen sich und dieses Haus zu bringen. "Siehst du, er hat es geschafft."

"Oder Harro fährt den Wagen und jagt ihn jetzt den Berg hinunter."

Michael lachte. "Nette Idee, aber jetzt würde ich zu gerne wissen, wo dieser Weihnachtsmann in unserer Küche herkommt. Der kam mir gleich ein wenig suspekt vor." Energisch schritt Michael den Flur hinunter, öffnete die Küchentür und blieb verblüfft stehen. "Er ist verschwunden", stellte er erstaunt fest.

"Wo ist er hin?"

"Keine Ahnung, vielleicht füllt er gerade seinen Sack mit unserer Stereoanlage."

"Dann sollten wir ihn schleunigst finden."


Eine Etage höher hatte der Weihnachtsmann inzwischen das Wunder vollbracht und war sicher auf dem Schlitten gelandet. Der hatte zwar bedenklich geschwankt, so dass Tina erschrocken die Luft angehalten hatte, aber letztlich war nichts weiter passiert.

"Auf Wiedersehen lieber Weihnachtsmann."

"Auf Wiedersehen Tina, und paß gut auf die Kleine auf", erwiderte er und wies auf die Katze, die es sich auf Tinas Armen gemütlich gemacht hatte. Sie sah mindestens so glücklich aus wie Tina.

"Ach ja, da wäre noch etwas", bemerkte Ruphus, der aus seinem grünen Umhang ein offiziell aussehendes Schreiben hervor zog. "Gib das deinem Vater und sag ihm, ich hätte den Brief vorhin auf dem Weg gefunden. Wahrscheinlich hat er ihn verloren. Vergiss das bitte nicht, es ist wichtig."

Tina nickte stumm und nahm den Brief entgegen, der auf wundersame Weise vom Schlitten ins Zimmer hinüber geschwebt war.

"Und nun leb wohl."

"Auf Wiedersehen", rief Tina, "bis zum nächsten Jahr", dann verschwand der Schlitten wie ein Gespenst in der Nacht.

"Den Brief hast du doch nicht wirklich gefunden", stellte der Weihnachtsmann fest.

"Sagen wir, ich habe ein wenig nachgeholfen, außerdem habe ich noch eine kleine Überraschung vorbereitet", erwiderte Ruphus mit einem Grinsen auf dem Gesicht. Der Weihnachtsmann schnaufte gutmütig. "Ich sehe schon, in ein paar hundert Jahren trägst du einen langen weißen Bart und machst meinen Job."

"Tja, wer weiß, möglich ist alles. Vielleicht sollte ich meine Berufsplanung noch einmal überdenken", bemerkte Ruphus, worauf beide in ein so herzhaftes Gelächter ausbrachen, dass die Rentiere beinahe vom Kurs abgekommen wären. "Na dann wollen wir mal sehen, was uns als nächstes erwartet."

"Was machst du denn da?" Erstaunt betrachtete Maren ihre kleine Tochter, die vor dem offenen Fenster stand und in den Himmel starrte. Erst jetzt entdeckte sie, dass Tina etwas auf dem Arm trug. "Und wo kommt die Katze her?"

"Die hat mir der Weihnachtsmann geschenkt, und er hat gesagt, dass es Minka gut geht. Ist das nicht toll?"

"Ja, das ist toll, mein Schatz. Michael, kommst du mal, ich glaube, sie sind hier hinaus." Vorsichtig ging Maren zum Fenster hinüber und spähte in den Garten hinab, doch da war nichts zu sehen.

"Kannst du etwas entdecken? Hey, Tina, wo kommt denn die Katze her?"

"Hat sie vom Weihnachtsmann", erwiderte Maren an Tinas Stelle.

"Und das hat mir der Weihnachtself für dich gegeben. Er hat es gefunden."
 
8. Dezember (5)

"Zeig mal her." Erstaunt nahm Michael seiner Tochter den Brief ab, öffnete ihn und begann zu lesen. Maren, die inzwischen das Fenster schloss, warf ihm einen besorgten Blick zu. So einen Gesichtsausdruck hatte sie bei ihrem Mann schon lange nicht mehr gesehen. "Was steht denn da drin?", wollte sie wissen.

"Das glaubst du nicht!" Michael jubelte begeistert, worauf die Katze verängstigt von Tinas Armen sprang und sich unter einem Stuhl versteckte. "Ich habe einen neuen Job!"

"Was?" Aufgeregt rannte Maren zu Michael hinüber und riß ihm den Brief aus der Hand. Ihre Augen flogen über den Text. "Tatsächlich", stellte sie ungläubig fest. "Das ist ein Wunder." Als hätten sie den gleichen Gedanken gehabt, fuhren ihre Köpfe zum Fenster hinüber, wo angeblich der Weihnachtsmann verschwunden war.

"Glaubst du ..?", fragte Maren zögernd.

"Ehrlich gesagt ...." Michael stockte. Seine Welt war mit einem Mal ins Wanken geraten. Hatte er etwa wirklich den Weihnachtsmann in seine Küche geschleppt? Tinas Blick irrte zwischen ihren Eltern hin und her. Konnte das sein, dass die etwa nicht an den Weihnachtsmann glaubten? Energisch stampfte sie mit dem Fuß auf.

"Natürlich war das der Weihnachtsmann!", stellte sie kategorisch fest.

Michael nickte, bückte sich und hob die kleine Katze auf, die noch immer unter dem Stuhl hockte. Er sah fragend zu Maren hinüber, die unbemerkt von Tina ihre Zustimmung signalisierte, dann wandte er sich seiner Tochter zu. "Natürlich war das der Weihnachtsmann", sagte er und stellte erstaunt fest, dass er selbst ein wenig daran glaubte, "und einen neuen Hausbewohner hat er uns auch noch gebracht. Wenn das kein Grund zum Feiern ist! Und nach Paris kommen wir auch noch." Liebevoll zwinkerte er seiner Frau zu.

Harro hatte inzwischen seine Posten am Gartentor aufgegeben. Er bezweifelte, dass sein Opfer noch einmal zurückkehren würde. Das war schade, denn es hatte Spaß gemacht, den Fremden durch den Garten zu jagen. Während er zurück zu seiner Hütte trottete, meldeten sein feines Gehör ihm, dass seine Leute etwas taten, was sie als Singen bezeichneten und Harro regelmäßig in den Ohren weh tat. Doch da sie immer nur dann sangen, wenn sie glücklich waren, nahm Harro es gelassen hin. Wenigstens ging es seinen Leuten gut. Plötzlich jedoch stieg ihm der Geruch von Gebratenem in die Nase. Überrascht blieb er stehen und hob witternd die Nase. Kein Zweifel! Der Geruch kam direkt von seiner Hütte. Begeistert rannte er hinüber und stellte verblüfft fest, dass sich sein Trockenfutter in einen riesigen Haufen seiner Lieblingsfleischstücke verwandelt hatte. Der große Weihnachtshund hatte ihm also doch nicht vergessen. Einen Augenblick zögerte er noch, hineinzubeißen, da ihm die Sache nicht geheuer vorkam, doch dann überwand er seine Scheu. Schließlich lautete seine Devise, man nahm, was man vor die Schnauze bekam.
 
9. Dezember

Die Geschichte vom beschenkten Nikolaus


Einmal kam der heilige Nikolaus am 6. Dezember zum kleinen Klaus. Er fragte ihn: »Bist du im letzten Jahr auch brav gewesen?«
Klaus antwortete: »Ja, fast immer.«
Der Nikolaus fragte: »Kannst du mir auch ein schönes Gedicht aufsagen?«
»Ja«, sagte Klaus.


  • »Lieber, guter Nikolaus, du bist jetzt bei mir zu Haus, bitte leer die Taschen aus, dann lass' ich dich wieder raus.«
Der Nikolaus sagte: »Das hast du schön gemacht.«
Er schenkte Klaus Äpfel, Nüsse, Mandarinen und Plätzchen.
»Danke«, sagte Klaus.
»Auf Wiedersehen«, sagte der Nikolaus. Er drehte sich um und wollte gehen.
»Halt«, rief Klaus.
Der Nikolaus schaute sich erstaunt um: »Was ist?« fragte er.
Da sagte Klaus: »Und was ist mit dir? Warst du im letzten Jahr auch brav?«
»So ziemlich«, antwortete der Nikolaus.
Da fragte Klaus: »Kannst du mir auch ein schönes Gedicht aufsagen?«
»Ja«, sagte der Nikolaus.


  • »Liebes, gutes, braves Kind, draußen geht ein kalter Wind, koch mir einen Tee geschwind, dass ich gut nach Hause find'.«
»Wird gemacht«, sagte Klaus.
Er kochte dem Nikolaus einen heißen Tee.
Der Nikolaus schlürfte ihn und aß dazu Plätzchen. Da wurde ihm schön warm. Als er fertig war, stand er auf und ging zur Türe.
»Danke für den Tee«, sagte er freundlich.
»Bitte, gerne geschehen«, sagte Klaus. »Und komm auch nächstes Jahr vorbei, dann beschenken wir uns wieder.«
»Natürlich, kleiner Nikolaus«, sagte der große Nikolaus und ging hinaus in die kalte Nacht.
 
10. Dezember

Am Weihnachtsmorgen 1772

(Johann Wolfgang von Goethe an Johann Christian Kestner)


Frankfurt, den 25. Dezember 1772

Christtag früh. Es ist noch Nacht, lieber Kestner, ich bin aufgestanden, um bei Lichte morgens wieder zu schreiben, das mir angenehme Erinnerungen voriger Zeiten zurückruft; ich habe mir Coffee machen lassen, den Festtag zu ehren, und will euch schreiben, bis es Tag ist. Der Türmer hat sein Lied schon geblasen, ich wachte darüber auf. Gelobet seist du, Jesus Christ! Ich hab diese Zeit des Jahrs gar lieb, die Lieder, die man singt, und die Kälte, die eingefallen ist, macht mich vollends vergnügt. ich habe gestern einen herrlichen Tag gehabt, ich fürchtete für den heutigen, aber der ist auch gut begonnen, und da ist mir's fürs Enden nicht angst.

Der Türmer hat sich wieder zu mir gekehrt; der Nordwind bringt mir seine Melodie, als blies er vor meinem Fenster. Gestern, lieber Kestner, war ich mit einigen guten Jungens auf dem Lande; unsre Lustbarkeit war sehr laut und Geschrei und Gelächter von Anfang zu ende. Das taugt sonst nichts für de kommende Stunde. Doch was können die heiligen Götter nicht wenden, wenn's ihnen beliebt; sie gaben mir einen frohen Abend, ich hatte keinen Wein getrunken, mein Aug war ganz unbefangen über die Natur. Ein schöner Abend, als wir zurückgingen; es ward Nacht. Nun muß ich Dir sagen, das ist immer eine Sympathie für meine Seele, wenn die Sonne lang hinunter ist und die Nacht von Morgen heraus nach Nord und Süd um sich gegriffen hat, und nur noch ein dämmernder Kreis von Abend herausleuchtet. Seht, Kestner, wo das Land flach ist, ist's das herrlichste Schauspiel, ich habe jünger und wärmer stundenlang so ihr zugesehn hinabdämmern auf meinen Wanderungen. Auf der Brücke hielt ich still. Die düstre Stadt zu beiden Seiten, der stilleuchtende Horizont, der Widerschein im Fluß machte einen köstlichen Eindruck in meine Seele, den ich mit beiden Armen umfaßte. Ich lief zu den Gerocks, ließ mir Bleistift geben und Papier und zeichnete zu meiner großen Freude das ganze Bild so dämmernd warm, als es in meiner Seele stand. Sie hatten alle Freude mit mir darüber, empfanden alles, was ich gemacht hatte, und da war ich's erst gewiß, ich bot ihnen an, drum zu würfeln, sie schlugen's aus und wollen, ich soll's Mercken schicken. Nun hängt's hier an meiner Wand und freut mich heute wie gestern. Wir hatten einen schönen Abend zusammen, wie Leute, denen das Glück ein großes Geschenk gemacht hat, und ich schlief ein, den Heiligen im Himmel dankend, daß sie uns Kinderfreude zum Christ bescheren wollen.

Als ich über den Markt ging und die vielen Lichter und Spielsachen sah, dacht ich an euch und meine Bubens, wie ihr ihnen kommen würdet, diesen Augenblick ein himmlischer Bote mit dem blauen Evangelio, und wie aufgerollt sie das Buch erbauen werde. Hätt ich bei euch sein können, ich hätte wollen so ein Fest Wachsstöcke illuminieren, daß es in den kleinen Köpfen ein Widerschein der Herrlichkeit des Himmels geglänzt hätte. Die Torschließer kommen vom Bürgermeister und rasseln mit den Schlüsseln. Das erste Grau des Tags kommt mir über des Nachbarn Haus, und die Glocken läuten eine christliche Gemeinde zusammen. Wohl, ich bin erbaut hier oben auf meiner Stube, die ich lang nicht so lieb hatte als jetzt.
 
11. Dezember

Der kleine Engel Benedikt

Benedikt, der kleine Engel mit den roten Pausbäckchen war überglücklich. Dieses Jahr war er doch tatsächlich von der Himmelskommission, aus der Schar der Engel, für eine heißbegehrte Aufgabe ausgewählt worden, nämlich am Heiligen Abend dem Weihnachtsmann beim Verteilen der Geschenke zu helfen. Wirklich, überglücklich war er. Schon seit Wochen wurde in der Himmelswerkstatt über nichts anderes gesprochen als darüber, wer am 24. Dezember mit auf die Erde dürfte. Dem Weihnachtsmann zu helfen war etwas Tolles, etwas ganz Besonderes.
Schon die Fahrt mit dem Schlitten und den Rentieren davor - allen voran Rudolf - war ein außergewöhnliches Erlebnis. Klar war leider auch, daß viele kleine Engel gebraucht wurden um die Himmelswerkstatt wieder aufzuräumen, das Chaos zu beseitigen, das durch die Arbeiten für Weihnachten in den Werkstätten und in der Bäckerei entstanden war. Es mußten ja auch die Wolkenbetten aufgeschüttelt und die Sterne blank geputzt werden und viele Arbeiten mehr standen an. All die nicht immer geliebten Arbeiten, die aber irgendwann gemacht werden mußten.

Alle Kinder wissen, wovon hier die Rede ist. Und darum träumten alle Engel davon, einmal als Helfer des Weihnachtsmannes mit auf die Erde zu dürfen.
Benedikt hatte es also geschafft, dieses Mal war er ausgesucht worden. Sein Glück war für ihn unfaßbar. Wo er doch dieses Jahr sehr oft bei der Weihnachtsbäckerei ermahnt worden war nicht so viel vom Teig und den Plätzchen zu naschen. Es war nicht so, daß der aufsichtsführende Engel es ihm nicht gönnte, jedoch waren die Wangen unseres kleinen Benedikts schon ganz schön gerundet und das Bäuchlein wurde auch ein wenig kugelig. Man kann sagen, Engel Benedikt war ganz groß darin, Sätze wie "Benedikt, gleich kriegst Du Bauchweh!" zu überhören. Und die Rangelei mit seinem Freund, dem Engel Elias, weil dieser ihn "Mopsi" genannt hatte, hatte er auch in die hinterste Schublade seines Denkens gepackt. All zu viele Ermahnungen bedeuten nichts Gutes, bedeuteten letzten Endes das Verbot einer Lieblingsbeschäftigung, meistens für eine ganz schön lange Zeit. Na, da hatte man wohl dieses Jahr ein Auge - wenn nicht sogar zwei - zugedrückt!

Pünktlich am 24. Dezember stand der Schlitten mit den Rentieren, die mit den Hufen scharrten, vor dem Himmelstor. Viele Engel hatten sich versammelt, um ihnen nachzuwinken. Der Weihnachtsmann ließ die Peitsche knallen und mit lautem Schlittenglockengeläut ging es auf einem extrabreiten, glitzernden und glänzenden Mondstrahl hinunter auf die Erde. Rudolf versuchte sich in ein paar Extrasprüngen - er hatte wohl zu lange im Stall gestanden - was den Schlitten kurzfristig auf einen "Zick-Zack- Kurs" brachte. Engel Benedikt fand das toll. Es würde ein langer Abend werden mit vielen Arbeitsstunden und so hatte der Weihnachtsbäckerei-Engel Engel Benedikt, die goldene Himmelsnaschdose voller köstlicher Leckereien, wie Marzipan- Kartoffeln, Schokoladenlebkuchen, Zimtsterne, Butterspekulatius zur Stärkung mitgegeben und beim Füllen hineingetan, was Engel Benedikt am liebsten mochte. Selig drückte er sie nun mit seinen dicken Patschhänden an sein Bäuchlein und kuschelte sich höchst zufrieden ein wenig an den Weihnachtsmann, um sich im nächsten Moment wieder kerzengerade aufzusetzen; schließlich war er als "Weihnachtsmann - Helfer - Engel" schon beinahe ein großer Engel! Auf der Erde sah es so schön aus. Es schneite sacht - die dafür zuständigen Engel hatten wohl doch noch ein paar Tonnen voller Schnee im äußersten Winkel des Himmelsgefrierraumes gefunden. Der Schnee knirschte leise beim Betreten der Wege. Sanft leuchtete das Licht aus den Häusern und ließ den Schnee auf Straßen, Häusern und Bäumen glitzern. Kirchenglocken läuteten und verbreiteten eine festliche Stimmung. Sogar der Wind hatte sein ansonsten stürmisches Temperament gezügelt und war kaum spürbar. Engel Benedikt vermutete, er war auf dem Weg, sich zur Ruhe zu legen.
Schon viele Stunden waren der Weihnachtsmann und sein kleiner Helfer unterwegs. Die Freude der Kinder, ihre glänzenden Augen, die friedliche Stimmung von alten und jungen Menschen, der milde Glanz der Kerzen aus den Wohnstubenfenstern hatte ihnen immer wieder neue Kraft gegeben. Jetzt hatten sie nur noch ein einziges nicht allzu großes Geschenk zu einer Wohnung im letzen Wohnblock einer Straße zu bringen.

Schon ein bißchen ermüdet gingen der Weihnachtsmann und Engel Benedikt am Fenster dieser Wohnung vorbei. Das Fenster war einen Spalt zum Lüften geöffnet worden. Engel Benedikt sah in das Wohnzimmer. Der Weihnachtsmann und er sahen ein Ehepaar mit einem kleinem etwa 7 Jahre alten Jungen. Der Junge sah sehr dünn und blaß aus und beide Eltern stützten ihn liebevoll, als sie vom Eßtisch zum Sofa gingen. Gerade beugte sich die Mutter über ihn und sagte: " Was für ein Glück für uns, daß Du doch schon zu Weihnachten wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden konntest!" "Ja Mama" sagte der Junge, "das ist für mich das schönste Geschenk, mehr brauche ich eigentlich gar nicht." "Na, so ganz wird der Weihnachtsmann dich wohl nicht vergessen haben", sagte der Vater zu seinem Sohn. Der Weihnachtsmann ging zur Wohnungstür um das kleine bescheidene Paket hinzulegen. "Hier, leg die Keksdose dazu", flüstert der kleine Engel Benedikt und hob seine kleinen Arme mit den Köstlichkeiten in die Höhe um sie dem Weihnachtsmann zu geben. Es war sein voller Ernst und tat ihm eigentlich überhaupt nicht - na vielleicht ein winziges bißchen leid - was er aber ganz schnell unterdrückte. "Danke Bene, gut gemacht", flüsterte der Weihnachtsmann und strich Engel Benedikt sacht über den Kopf. Die Wangen des kleinen Engels glühten vor Stolz. Bene hatte der Weihnachtsmann zu ihm gesagt. "Bene" sagte sonst immer nur das Christkind zu ihm, wenn es ihn für besonders liebevolles Verhalten lobte.

Nachdem der Weihnachtsmann nun alle Geschenke verteilt hatte, begaben sich beide auf den Weg zum Rentierschlitten, um die Rückreise anzutreten. Sie kamen am Fenster vorbei und sahen, wie der Junge sich besonders über die Keksdose freute und rief: "Mama, Papa, guckt doch mal, wie sie glänzt und glitzert, und hmmm, hier probiert mal die Kekse, sie sind köstlicher, nein, einfach himmlisch!" Der Weihnachtsmann und der kleine Engel lächelten sich an: "Wie recht er hat" sagte der kleine Engel glücklich.
 
12. Dezember

Der allererste Weihnachtsbaum

(Hermann Löns)


Der Weihnachtsmann ging durch den Wald. Er war ärgerlich. Sein weißer Spitz, der sonst immer lustig bellend vor ihm herlief, merkte das und schlich hinter seinem Herrn mit eingezogener Rute her.

Er hatte nämlich nicht mehr die rechte Freude an seiner Tätigkeit. Es war alle Jahre dasselbe. Es war kein Schwung in der Sache. Spielzeug und Eßwaren, das war auf die Dauer nichts. Die Kinder freuten sich wohl darüber, aber quieken sollten sie und jubeln und singen, so wollte er es, das taten sie aber nur selten.

Den ganzen Dezembermonat hatte der Weihnachtsmann schon darüber nachgegrübelt, was er wohl Neues erfinden könne, um einmal wieder eine rechte Weihnachtsfreude in die Kinderwelt zu bringen, eine Weihnachtsfreude, an der auch die Großen teilnehmen würden. Kostbarkeiten durften es auch nicht sein, denn er hatte soundsoviel auszugeben und mehr nicht.

So stapfte er denn auch durch den verschneiten Wald, bis er auf dem Kreuzweg war. Dort wollte er das Christkindchen treffen. Mit dem beriet er sich nämlich immer über die Verteilung der Gaben.

Schon von weitem sah er, daß das Christkindchen da war, denn ein heller Schein war dort. Das Christkindchen hatte ein langes weißes Pelzkleidchen an und lachte über das ganze Gesicht. Denn um es herum lagen große Bündel Kleeheu und Bohnenstiegen und Espen- und Weidenzweige, und daran taten sich die hungrigen Hirsche und Rehe und Hasen gütlich. Sogar für die Sauen gab es etwas: Kastanien, Eicheln und Rüben.

Der Weihnachtsmann nahm seinen Wolkenschieber ab und bot dem Christkindchen die Tageszeit. „Na, Alterchen, wie geht's?“ fragte das Christkind. „Hast wohl schlechte Laune?“ Damit hakte es den Alten unter und ging mit ihm. Hinter ihnen trabte der kleine Spitz, aber er sah gar nicht mehr betrübt aus und hielt seinen Schwanz kühn in die Luft.

„Ja“, sagte der Weihnachtsmann, „die ganze Sache macht mir so recht keinen Spaß mehr. Liegt es am Alter oder an sonst was, ich weiß nicht. Das mit den Pfefferkuchen und den Äpfeln und Nüssen, das ist nichts mehr. Das essen sie auf, und dann ist das Fest vorbei. Man müßte etwas Neues erfinden, etwas, das nicht zum Essen und nicht zum Spielen ist, aber wobei alt und jung singt und lacht und fröhlich wird.“

Das Christkindchen nickte und machte ein nachdenkliches Gesicht; dann sagte es: „Da hast du recht, Alter, mir ist das auch schon aufgefallen. Ich habe daran auch schon gedacht, aber das ist nicht so leicht.“

„Das ist es ja gerade“, knurrte der Weihnachtsmann, „ich bin zu alt und zu dumm dazu. Ich habe schon richtiges Kopfweh vom vielen Nachdenken, und es fällt mir doch nichts Vernünftiges ein. Wenn es so weitergeht, schläft allmählich die ganze Sache ein, und es wird ein Fest wie alle anderen, von dem die Menschen dann weiter nichts haben als Faulenzen, Essen und Trinken.“

Nachdenklich gingen beide durch den weißen Winterwald, der Weihnachtsmann mit brummigem, das Christkindchen mit nachdenklichem Gesicht. Es war so still im Wald, kein Zweig rührte sich, nur wenn die Eule sich auf einen Ast setzte, fiel ein Stück Schneebehang mit halblautem Ton herab. So kamen die beiden, den Spitz hinter sich, aus dem hohen Holz auf einen alten Kahlschlag, auf dem große und kleine Tannen standen. Das sah wunderschön aus. Der Mond schien hell und klar, alle Sterne leuchteten, der Schnee sah aus wie Silber, und die Tannen standen darin, schwarz und weiß, daß es eine Pracht war. Eine fünf Fuß hohe Tanne, die allein im Vordergrund stand, sah besonders reizend aus. Sie war regelmäßig gewachsen, hatte auf jedem Zweig einen Schneestreifen, an den Zweigspitzen kleine Eiszapfen, und glitzerte und flimmerte nur so im Mondenschein.

Das Christkindchen ließ den Arm des Weihnachtsmannes los, stieß den Alten an, zeigte auf die Tanne und sagte: „Ist das nicht wunderhübsch?“

„Ja“, sagte der Alte, „aber was hilft mir das ?“

„Gib ein paar Äpfel her“, sagte das Christkindchen, „ich habe einen Gedanken.“

Der Weihnachtsmann machte ein dummes Gesicht, denn er konnte es sich nicht recht vorstellen, daß das Christkind bei der Kälte Appetit auf die eiskalten Äpfel hatte. Er hatte zwar noch einen guten alten Schnaps, aber den mochte er dem Christkindchen nicht anbieten.

Er machte sein Tragband ab, stellte seine riesige Kiepe in den Schnee, kramte darin herum und langte ein paar recht schöne Äpfel heraus. Dann faßte er in die Tasche, holte sein Messer heraus, wetzte es an einem Buchenstamm und reichte es dem Christkindchen.

„Sieh, wie schlau du bist“, sagte das Christkindchen. „Nun schneid mal etwas Bindfaden in zwei Finger lange Stücke, und mach mir kleine Pflöckchen.“

Dem Alten kam das alles etwas ulkig vor, aber er sagte nichts und tat, was das Christkind ihm sagte. Als er die Bindfadenenden und die Pflöckchen fertig hatte, nahm das Christkind einen Apfel, steckte ein Pflöckchen hinein, band den Faden daran und hängte den an einen Ast.

„So“, sagte es dann, „nun müssen auch an die anderen welche, und dabei kannst du helfen, aber vorsichtig, daß kein Schnee abfällt!“

Der Alte half, obgleich er nicht wußte, warum. Aber es machte ihm schließlich Spaß, und als die ganze kleine Tanne voll von rotbäckigen Äpfeln hing, da trat er fünf Schritte zurück, lachte und sagte; „Kiek, wie niedlich das aussieht! Aber was hat das alles für'n Zweck?“

„Braucht denn alles gleich einen Zweck zu haben?“ lachte das Christkind. „Paß auf, das wird noch schöner. Nun gib mal Nüsse her!“

Der Alte krabbelte aus seiner Kiepe Walnüsse heraus und gab sie dem Christkindchen. Das steckte in jedes ein Hölzchen, machte einen Faden daran, rieb immer eine Nuß an der goldenen Oberseite seiner Flügel, dann war die Nuß golden, und die nächste an der silbernen Unterseite seiner Flügel, dann hatte es eine silberne Nuß und hängte sie zwischen die Äpfel.

„Was sagst nun, Alterchen?“ fragte es dann. „Ist das nicht allerliebst?“

„Ja“, sagte der, „aber ich weiß immer noch nicht...“

„Komm schon!“ lachte das Christkindchen. „Hast du Lichter?“

„Lichter nicht“, meinte der Weihnachtsmann, „aber 'nen Wachsstock!“

„Das ist fein“, sagte das Christkind, nahm den Wachsstock, zerschnitt ihn und drehte erst ein Stück um den Mitteltrieb des Bäumchens und die anderen Stücke um die Zweigenden, bog sie hübsch gerade und sagte dann; „Feuerzeug hast du doch?“

„Gewiß“, sagte der Alte, holte Stein, Stahl und Schwammdose heraus, pinkte Feuer aus dem Stein, ließ den Zunder in der Schwammdose zum Glimmen kommen und steckte daran ein paar Schwefelspäne an. Die gab er dem Christkindchen. Das nahm einen hellbrennenden Schwefelspan und steckte damit erst das oberste Licht an, dann das nächste davon rechts, dann das gegenüberliegende. Und rund um das Bäumchen gehend, brachte es so ein Licht nach dem andern zum Brennen.

Da stand nun das Bäumchen im Schnee; aus seinem halbverschneiten, dunklen Gezweig sahen die roten Backen der Äpfel, die Gold- und Silbernüsse blitzten und funkelten, und die gelben Wachskerzen brannten feierlich. Das Christkindchen lachte über das ganze rosige Gesicht und patschte in die Hände, der alte Weihnachtsmann sah gar nicht mehr so brummig aus, und der kleine Spitz sprang hin und her und bellte.

Als die Lichter ein wenig heruntergebrannt waren, wehte das Christkindchen mit seinen goldsilbernen Flügeln, und da gingen die Lichter aus. Es sagte dem Weihnachtsmann, er solle das Bäumchen vorsichtig absägen. Das tat der, und dann gingen beide den Berg hinab und nahmen das bunte Bäumchen mit.

Als sie in den Ort kamen, schlief schon alles. Beim kleinsten Hause machten die beiden halt. Das Christkindchen machte leise die Tür auf und trat ein; der Weihnachtsmann ging hinterher. In der Stube stand ein dreibeiniger Schemel mit einer durchlochten Platte. Den stellten sie auf den Tisch und steckten den Baum hinein. Der Weihnachtsmann legte dann noch allerlei schöne Dinge, Spielzeug, Kuchen, Äpfel und Nüsse unter den Baum, und dann verließen beide das Haus so leise, wie sie es betreten hatten.

Als der Mann, dem das Häuschen gehörte, am andern Morgen erwachte und den bunten Baum sah, da staunte er und wußte nicht, was er dazu sagen sollte. Als er aber an dem Türpfosten, den des Christkinds Flügel gestreift hatte, Gold- und Silberflimmer hängen sah, da wußte er Bescheid. Er steckte die Lichter an dem Bäumchen an und weckte Frau und Kinder. Das war eine Freude in dem kleinen Haus wie an keinem Weihnachtstag. Keines von den Kindern sah nach dem Spielzeug, nach dem Kuchen und den Äpfeln, sie sahen nur alle nach dem Lichterbaum. Sie faßten sich an den Händen, tanzten um den Baum und sangen alle Weihnachtslieder, die sie wußten, und selbst das Kleinste, das noch auf dem Arm getragen wurde, krähte, was es krähen konnte.

Als es hellichter Tag geworden war, da kamen die Freunde und Verwandten des Bergmanns, sahen sich das Bäumchen an, freuten sich darüber und gingen gleich in den Wald, um sich für ihre Kinder auch ein Weihnachtsbäumchen zu holen. Die anderen Leute, die das sahen, machten es nach, jeder holte sich einen Tannenbaum und putzte ihn an, der eine so, der andere so, aber Lichter, Äpfel und Nüsse hängten sie alle daran.

Als es dann Abend wurde, brannte im ganzen Dorf Haus bei Haus ein Weihnachtsbaum, überall hörte man Weihnachtslieder und das Jubeln und Lachen der Kinder.

Von da aus ist der Weihnachtsbaum über ganz Deutschland gewandert und von da über die ganze Erde. Weil aber der erste Weihnachtsbaum am Morgen brannte, so wird in manchen Gegenden den Kindern morgens beschert.
 
13. Dezember

Tannenbäume

Von drinn' vom Kaufhaus komm ich her,
Ich muß euch sagen, es schweihnachtet sehr!
Allüberall auf den Dekorationen
Sah ich deftige Preise thronen;

Und ringsum, an den klingelnden Kassen,
Drängelten, schubsten sich die Massen,
Und wie ich so auf der Rolltreppe stand,
Da packt' mich auf einmal von hinten 'ne Hand.

„Ruprecht Knecht“, rief der Boss, „alter Gesell,
Hebe die Beine und spute dich schnell!
Jetzt wird es höchste Eisenbahn!
Die Portemonnaies sind zwar aufgetan

Doch Alt' und Junge sollten nun
Für die Gabentischen noch mehr tun;
Drum schick sie zur Hausbank, dort gibt es Kredite;
Das ist fürn Umsatz die ganze Miete!“

Ich sprach: „Na, gut, Boss, das lässt sich machen.
Wie ich seh', gibt's ja noch reichlich Sachen,
Ich wollte nur gerade mal schnell aufs Klo,
Bei Stress geht mir das immer so.“

„Hast denn das Säcklein auch bei dir?“
Ich sprach: „Natürlich, das ist hier.
Denn Computerspiel' und Video
Machen die dümmsten Kinder froh.“

„Hast denn die Rute auch bei dir?“
Ich sprach: „Die Rute, die ist hier;
Doch für Leut' nur, die nicht parieren,
Die bring' ich so zum Konsumieren.“

Der Boss sprach froh: „So ist es recht!
Mach weiter Umsatz, treuer Knecht!“
Von drinn' vom Kaufhaus komm ich her;
Ich muss euch sagen, es schweihnachtet sehr!

Nun sprecht, wie steht's hier mit den Gaben?
Möcht' vielleicht noch wer was haben?
 
14. Dezember

:sry:, ich bin heute ziemlich spät

Mein wunderschöner Weihnachtstraum

Ein herrlicher Abend, kein Lüftchen weht, kein Geräusch stört den lautlosen Frieden.
Vereinzelt schweben dicke Schneeflocken in der windstillen Luft langsam zur Erde. Sie legen sich sanft auf die kahlen Bäume und Sträucher und geben ihnen einen weißen Mantel. Der Schnee verbreitet ein unwirkliches Licht und verzaubert damit die ganze Landschaft.

Ich spüre die Kälte nicht und ich weiß nicht, ob dies an meinem dicken Mantel und der Pudelmütze liegt oder an der friedlichen Wärme, die durch den Schnee ausgestrahlt wird.

Auf einer Bank mache ich gerade soviel Platz vom Schnee frei, dass ich mich setzen kann.

Die Sterne am Himmel strahlen mich an und nur ab und zu wird unser Kontakt von einer kleinen, vorbei schwebenden Wolke unterbrochen.

Und dann die Sternschnuppe, eine Sternschnuppe am Heiligen Abend! Ich darf mir etwas wünschen, wie in meinen Kindertagen vor Weihnachten. Ob der Wunsch in Erfüllung geht?

"Ich wünsche mir, dass ich noch einmal Weihnachten als kleiner Junge erleben darf, wenn diese Zeiten auch längst vorbei sind!"

Langsam werde ich müde und mein Kopf neigt sich auf die Brust. Die Augen fallen mir zu.

Was ist das? Ein kleiner Bengel bettelt meine Mutter an, sie möge ihm doch sagen, ob der Weihnachtsmann ihm ein paar Schlittschuhe bringen würde? Was hat der mit meiner Mutter zu tun?

Und dann beschäftigt mich die Frage auf einmal so sehr, dass ich mich in dem kleinen Jungen wieder erkenne.

"Mama, sage doch einmal, du hast doch sicher mit dem Weihnachtsmann gesprochen", versuche ich es wieder.

Meine Mutter lächelt nur und streicht mir sanft über den Kopf.

"Wenn ich es dir sage, dann bringt der Weihnachtsmann mir nichts", antwortet meine Mutter.

Trotz meiner Not höre ich auf zu fragen und gehe auch brav ins Bett, als meine Mutter mich ermahnt. Sogar Zähne putzen und waschen vergesse ich nicht, denn der Weihnachtsmann bringt nur artigen Kindern etwas.

Wenn ich auch immer wieder die Augen offen halten möchte, es war so ein aufregender Tag, dass ich bald mit vor Aufregung glühenden Wangen einschlafe.

Und dann das Erwachen!

Mami, Papi und meine ältere Schwester warten schon auf mich. Flugs will ich an ihnen vorbei zum Weihnachtsbaum, aber da hat mich mein Vater schon am Wickel.

"Willst du, dass der Weihnachtsmann dein Geschenk wieder abholt", fragt er?

Stimmt ja, da hätte ich mich gestern abend ja gar nicht so sauber zu waschen brauchen, oder?

Nun ja, sicher ist sicher. Also noch einmal. Vor lauter Aufregung vergesse ich nachzurechnen, für welche Zeit das denn ausreicht.

Endlich stehe ich in der Reihe meiner Familie und wir betreten das Wohnzimmer.

Hell brennen die Wachskerzen am Baum und wir singen ein Weihnachtslied.

Obwohl es ja nicht sein darf, taxiere ich die Päckchen unter dem Baum und schätze ab, welches eventuell die Schlittschuhe sein können.

Papi ist gemein und teilt zuerst meiner Schwester ihre Geschenke aus.

Aber dann komme ich. Im ersten Paket ist ein warmer Pulli von Mama. Um ihr zu zeigen, wie sehr er mir gefällt, ziehe ich ihn sofort an und gebe ihr einen Kuß. Sie strahlt und freut sich beinahe mehr über meinen Kuß als ich über den Pulli.

Und dann kommt ein schweres Päckchen, es sind die heiß ersehnten Schlittschuhe.

Ein Traum geht für mich in Erfüllung und so glücklich bin ich noch nie gewesen!

"Hallo, hallo, wachen Sie doch endlich auf. Nein, der hat keinen Tropfen getrunken, nur etwas unterkühlt, wie mir scheint!"

"Sicher so ein Obdachloser, Herr Doktor, wer setzt sich denn sonst bei dem Wetter nachts auf eine Bank?"

"Also, nein, bei den Temperaturen um keinen Preis, Schwester!"

"Auch nicht um die Erfüllung eines Traumes", Frage ich die beiden und rolle mich von der Trage herunter.

Sie schauen sich verblüfft an!

Ich bin in einem großen, sehr hellen Raum und eine weiß gekleidete Schwester und ein Mann im weißen Kittel stehen neben meiner Trage.

"Und jetzt fahren Sie mich wieder da hin, wo Sie mich hergeholt haben", sage ich zu den Sanitätern des Krankenwagens, "damit ich nach Hause gehen kann, meine Frau macht sich sicher schon Sorgen!"

"Gut, Opa, aber erst müssen wir die Papiere ausfüllen, sonst kriegen wir kein Geld von der Kasse".

"Nun, für meine Fahrt in meine Jugend brauchte ich nicht soviel Papiere auszufüllen, da genügte mein Wunsch", sage ich.

Die Fahrer, die Schwester und der Arzt schauen mich an.

"Sie sind aber wirklich ganz dabei", fragt der Arzt zweifelnd?

"Um mich brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, aber Ihr jungen Leute solltet Euch Sorgen um Euch machen, Ihr wisst gar nicht, wieviel schöne Zeit Eures Lebens Ihr mit dem Formularkram da verplempert!"

"Etwas bekloppt", flüstert der eine Sanitäter dem anderen zu und sagt dann laut: "Aber, weil Weihnachten ist, bringen wir Dich nach Hause."

Bekloppt, wenn die wüssten, denke ich, was ich erlebt habe, werden die nie erleben, trotz Handy, Internet, Fernsehen und Flugreisen!

Ein schönes Weihnachtsgeschenk
 
15. Dezember

Die Weihnachtsmaus

(James Krüss)

Die Weihnachtsmaus ist sonderbar,
sogar für die Gelehrten,
Denn einmal nur im ganzen Jahr
Entdeckt man ihre Fährten

Mit Fallen oder Rattengift
Kann man die Maus nicht fangen,
Sie ist, was diesen Punkt betrifft,
Noch nie ins Garn gegangen.

Das ganze Jahr macht diese Maus
Den Menschen keine Plage,
Doch plötzlich aus dem Loch heraus
Kriecht sie am Weihnachtstage

Zum Beispiel war vom Festgebäck,
Das Mutter gut verborgen,
Mit einem Mal das Beste weg
Am ersten Weihnachtsmorgen.

Da sagte jeder rundheraus:
Ich habe nichts genommen,
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
Die über Nacht gekommen.

Ein andres Mal verschwand sogar
Das Marzipan vom Peter,
Was seltsam und erstaunlich war,
Denn niemand fand es später.

Der Christian rief rundheraus:
Ich hab es nicht genommen,
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
Die über Nacht gekommen.

Ein drittes Mal verschwand vom Baum
An dem die Kugeln hingen,
Ein Weihnachtsmann aus Eierschaum,
Nebst andren leckren Dingen.

Die Nelly sagte rundheraus:
Ich habe nichts genommen,
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
Die über Nacht gekommen.

Und Ernst und Hans und der Papa,
Die riefen: Welche Plage!
Die böse Maus ist wieder da,
Und just am Feiertage!

Nur Mutter sprach kein Klagewort,
Sie sagte unumwunden:
Sind erst die Süßigkeiten fort,
Ist auch die Maus verschwunden.

Und wirklich wahr: Die Maus blieb weg
Sobald der Baum geleert war,
Sobald das letzte Festgebäck
Gegessen und verzehrt war.

Sagt jemand nun, bei Ihm zu Haus -
Bei Fränzchen oder Lieschen -
Da gäb’ es keine Weihnachtsmaus
Dann zweifle ich ein bisschen!

Doch sag’ ich nichts, was jemand kränkt!
Das könnte Euch so passen!
Was man von Weihnachtsmäusen denkt,
Bleibt jedem überlassen!
 
16. Dezember (1)

Das kleine Kätzchen und der Weihnachtsmann


Ein kleines Kätzchen lag eingerollt auf einer Stufe eines alten Hauses. Sein kleiner Bauch hob sich langsam auf und ab.
Es war ein Tag vor Weihnachten. Die vielen Füße mit den dicken Winterschuhen die an dem Kätzchen vorbeilaufen bemerkt es nicht.
Es hatte leicht angefangen zu schneien und ein kalter Wind pfiff um die Häuserecken.
Das grauweiße Kätzchen schlug die Augen auf und steckte die Nase in die feucht Luft. Kalt ist es geworden und es gab heute noch nichts zu fressen. Es streckte sich und beobachtete die vielen Menschen die hektisch und schnell durch die Straßen liefen.
So eine Kälte kannte es nicht, denn es war erst im März geboren worden und bei der Mutter mit all den vielen Geschwistern war es herrlich warm gewesen. Der Geruch der Milch die es regelmäßig zu trinken gab stieg ihm in die Nase und es leckte sich das kleine Maul.

Schön war es da gewesen, aber plötzlich waren die Geschwister weg und die Mutter hatte sich nicht mehr um es gekümmert. Das war eine schlimme Zeit gewesen, auf einmal mußte sich das Kätzchen selbst Nahrung suchen und die Geborgenheit der Familie fehlte ihm sehr.
Immer weiter lief es von dem Ort der zerronnenen Behaglichkeit fort und landete an einem Platz wo es viele Häuser und Menschen gab. Dort war es laut und gefährlich, die großen Gegenstände wechselten schnell und das Kätzchen mußte oft einen riesigen Satz machen um einem rollendem Ungeheuer auszuweichen.

Es gab zwar viele Mäuse und Reste von Fressen in großem Behältern, aber gemütlich war das nicht.
Auch die Revierprobleme der bereits einheimischen Katzen war immer wieder ein großes Problem. Ständig gab es Auseinandersetzungen und Raufereien bei dem auch mal Blut floß.
Das Leben war schwierig und gefährlich geworden und nur in ihren Träumen konnte das kleine Kätzchen noch Freude empfinden.
Und jetzt war es auch noch kalt geworden. Die Nässe kroch sich unters Fell und einen warmen Schlafplatz zu finden wurde immer schwieriger.

Traurig und mit knurrendem Magen schlich das Kätzchen die graue Hausmauer entlang. Die weißen Flocken die jetzt wild umher tanzten legten sich auf sein Fell und färbten es weiß.
Ein großer weißer nasser Ball flog ihm entgegen und zerplatze auf seinem Kopf. Das Kätzchen duckte sich ängstlich und hörte lachende Kinderstimmen an sich vorbeilaufen.
Es schüttelte sich und die kalte Masse fiel zu Boden. Überall brannten schon Lichter und die Dunkelheit breitete sich langsam über die Stadt. Jetzt mußte ein halbwegs warmer Schlafplatz gefunden werden und vielleicht lief ihm ja eine unvorsichtige Maus über dem Weg. Das wäre mal ein Glück. Aber die gewieften Stadtmäuse hatten längst die Taktik der Katzen erkannt und versteckten wohlweislich in ihren tiefen Löchern.

Die vielen dunklen und unheimliche Gänge der nassen Straßen machten ihm immer wieder Angst.
Mutlos setzte es sich kurz auf den Randstein und schnaufte tief durch.
Still war es geworden und kein Licht brannte mehr. Es schien, als würden alle Häuser verschwunden und kein Geräusch war zu hören.

Plötzlich sah es in einer nahen Querstraße eine helles Licht leuchten.
Das war so hell, daß das Kätzchen die Augen zuzwinkern mußte. Vorsichtig setzte es eine Pfote vor die andere und schlich in die Nähe der ungewohnten Helligkeit. Sein Herz klopfte wild doch eine angeborene Neugier ließ sich nicht verleugnen.
Als es um die Ecke lugte woher das merkwürdige Licht kam glaubte es seinen Augen nicht zu trauen.
Das Licht schien wie ein Kreis und in dem Kreis saß ein dicker Mann mit einem langen, weißem Bart und einem rotem Mantel und neben ihm stand eine Kutsche und daran waren große Tiere eingespannt. Er hatte die Hand an der Stirn und schüttelte ständig den Kopf und murmelte:

„Ohje, ohje, ohje, ohje“.


Um ihm herum lagen lauter Spielsachen kunterbunt durcheinander. Da gab es Puppen, Stofftiere –auch eine rote Stoffkatze war darunter -, Naschwerk und vieles mehr. So viele herrlich Sachen hatte das Kätzchen noch nie gesehen.
Der dicke Mann hielt eine alten Leinensack in die Höhe und sagte zu den komischen Tieren vor seiner Kutsche.
„Ihr wart eindeutig zu schnell. Ihr seid ja in die Kurve gegangen als wäre heute schon Silvester. Jetzt haben wir den Salat. Bis ich den Sack wieder gefüllt habe ist es ja bereits hell und dann können wir sehen wie wir das schaffen.“

Die braunen Tiere mit den großen Hörner standen betreten da und steckten die Köpfe zusammen.
Es war ihnen anscheinend sehr peinlich.

Das Kätzchen konnte sich gar nicht satt sehen an diesen vielen Herrlichkeiten. Wie schön mußte das sein, mal wieder so richtig ungezwungen zu spielen und etwas so richtig zu zerfetzen, sowie es immer mit den Geschwistern gewesen war. Das Licht strahlte eine wohlige Wärme aus und das Kätzchen hätte sich gerne in mitten der Spielsachen gesetzt und nur geschaut.

Aber der fremde Mann war sehr ungehalten und schüttelte weiter pausenlos den Kopf.

Vielleicht schleiche ich mich einfach mal heran und verstecke mich unter dem großen Teddybären, dachte es mutig. Der Mann dreht ihm sein dickes Hinterteil zu und war ganz vertieft darin, einer Puppe das lange blonde Haar zu entwirren.
Kätzchen machte eine kleinen Sprung und kroch ganz leise unter den großen braunen Bären. Er hatte eine dickes, weiches Fell und er erzeugte eine wunderbare Wärme. Mit weit geöffneten Augen beobachtete es den großen Mann der –es traute kaum seinen Ohren- ein kleines Liedchen vor sich her sang.
„Morgen Kinder wird’s was geben, morgen werden wir uns freuen. Welch ein Trubel, welche eine Leben, wird in unserem Hause sein. Einmal werden wir noch wach, heißa dann ist Weihnacht“.

Die Ohren des kleinen Kätzchens standen ganz hoch. Das war sehr schön was der dicke Mann da sang. Aber was war denn bitte sehr Weihnacht? Was zum Fressen? Oder heißen die Tiere vor der Kutsche Weihnacht?
Es überlegte, ob es dieses Wort schon mal gehört hatte, aber meistens hörte es nur „geh weg“ oder bekam einen Tritt.
Durch die Wärme und den Gesang des alten Mannes begann sich unser Kätzchen sehr wohl zu fühlen. Es entspannte sich und legte die Ohren an. Die Pfoten steckte es unter den Körper.
War das gemütlich, dachte es. Ich bleibe noch ein bißchen und dann verschwinde ich wieder, nahm es sich vor.
Die Augen wurden ihm immer schwerer und eine bleierne Müdigkeit breitet sich in seinem Körper aus. Nein, nein ich döse nur ein wenig, ich habe alles im Griff.

Das dachte es sich zumindest denn plötzlich wurde es von einer riesengroßen Hand hochgehoben und in der Sack gesteckt. Voller Angst und zu Tode erschrocken durch den leichten Schlaf machte das kleine Kätzchen einen Purzelbaum und versank immer tiefer in den großen dunklen Käfig. Die Krallen tief in den Teddybären gebohrt verharrte es voller Entsetzen in der Dunkelheit. Immer mehr Gegenstände fielen auf seinem Kopf und wurden mit der großen Hand in den Sack gestopft.

Oh nein, was ist nur passiert. Ich bin doch ganz wach gewesen, jammerte das kleine Kätzchen.
Wie komme ich da bloß wieder raus?
Aber das war nicht so einfach, denn der große Sack wurde mit einer Kordel verschnürt und auf einmal flog der Sack samt Inhalt in die Luft und fiel auf einen harten Boden. Gott sein Dank war der Teddybär dick gepolstert, denn sonst hätte sich unser Kätzchen ganz schön weh getan.
Aber damit war noch lange nicht alles zu Ende. Plötzlich gab es einen Ruck und alles war in Bewegung. Immer schneller und schneller wurde es und das Kätzchen hörte die Stimme des Mannes laut rufen.
„Los auf geht’s, keine Müdigkeit vorschützen wir haben Zeit aufzuholen“.


Es gab ein zischendes Geräusch und irgendwie wurde es dem Kätzchen plötzlich ganz leicht als würde es schweben und durch die Luft fliegen. Aber das kann ja nicht sein, Katzen können nicht fliegen und Menschen doch eigentlich auch nicht. Zumindest hatte es so was noch nie erlebt.
Doch es war so.

Der große Sack ruckelte und wackelte und das erste Mal in seinem jungen Leben war unser Kätzchen froh, daß es noch nichts gefressen hatte, denn sonst würde ihm jetzt furchtbar schlecht werden.
Die Krallen fest in den Teddy verkeilt starrte es angstvoll in die Dunkelheit und sein kleines Katzenherz schlug ihm bis zum Halse.
Das war wirklich das sonderbarste, was es bis jetzt erlebt hatte. Nicht mal die Schlägerei mit dem schwarzen Tyrannen der in der Straße mit den vollsten Mülltonnen wohnte konnte es damit aufnehmen.
Immer höher und schneller ging es und das Kätzchen verlor bald jedes Zeitgefühl. Wahrscheinlich werde ich jetzt sterben? Schade, ich hatte doch noch so viel vor.
Traurig schloß es die Augen und krallte sich wieder fester in das weiche Fell des Teddybären.

Doch was war das? Plötzlich stand alles still. Es gab ein dumpfes Geräusch und der große Sack wurde hochgehoben. Wieder wurde unser Kätzchen ein wenig geschüttelt, aber nicht mehr so stark wie am Anfang. Es glaubt auch Stimmen zu hören und wärmer war es auch wieder geworden.

Kätzchen spitzte die Ohren und hörte was da draußen los war.
 
16. Dezember (2)

„Hallo liebe Kinder, wißt ihr denn, wer ich bin“ fragte die dunkle Stimme des großen Mannes.
Kätzchen hatte es gleich wieder erkannt.

„Du bist der Nikolaus“ schrien aufgeregte Kinderstimmen durcheinander.

Nikolaus, dachte das Kätzchen, schon wieder so ein fremdes Wort. Aber wenigstens wußte es jetzt, wie der große Mann mit Namen hieß.

„Das ist richtig, und weil ihr brav gewesen seid, habe ich euch auch etwas mitgebracht.“

Der Nikolaus öffnete den Sack und griff mit seiner großen Hand hinein. Er erwischte die blonde Puppe die knapp neben unserem jetzt wieder sehr ängstlichen Kätzchen lag.

„Die ist für dich, weil du ganz besonders fleißig in der Schule warst.“ sagte der Nikolaus freundlich.

„Vielen Dank, lieber Nikolaus“ bedankte sich eine artige Stimme.

„Und was bekomme ich“ rief eine helle Stimme ungeduldig dazwischen.

„Sei doch ruhig, du kommst auch noch dran“ Das klang so ähnlich wie die Stimme des Nikolaus, aber doch ein bißchen anders. Wieviele wollten denn da noch Geschenke? dachte das Kätzchen nervös.

„Für dich habe ich ganz was Schönes dabei“ lachte der Nikolaus

Wieder fuhr die große Hand in den Sack. Oh Schreck sie packte nach dem braunen, dicken Teddybären, an welchem unser Kätzchen so angstvoll klammerte.
Nein, nein, schrie es innerlich, und krallte sich noch mehr in das Fell und plötzlich gab es einen Ruck und Kätzchen war aus dem Sack und landete in zwei kleinen Kinderarmen.

Das war vielleicht ein Anblick.
Alle schauten mit großen Augen auf das kleine Kätzchen, welches sich am liebsten in den Teddybären hinein verkrochen hätte.

Der Nikolaus, die Eltern und das kleine Mädchen schauten verdutzt auf den kleinen Jungen der sein „Geschenk“ in den Armen hält.

„Eine Katze“ rief er freudig, „und ein Bär, gleich zwei Geschenke“.

„Da stimmt aber was nicht“ murmelte der Nikolaus stirnrunzelnd, „das stand nicht auf meiner Wunschliste“.

Auch die Eltern der Kinder schauten völlig entgeistert, erst auf die Katze und dann auf den Nikolaus.

„Ist die süß“, sagte das kleine Mädchen und streichelte liebevoll das Fell des Kätzchens.

„Schau mal sie hat ja Angst“. Die Mutter nahm unser Kätzchen, was noch völlig verängstigt an dem Teddy hing vorsichtig in den Arm und kraulte ihm das Köpfchen.

„Tja das ist zwar nicht ganz das was wir bestellt hatten, aber so ein hübsches Tierchen geben wir natürlich nicht mehr her. Dich schickt ja förmlich der Himmel zu uns.“ lachte die freundliche Frau und dann lachten alle.
Noch nie hatte Kätzchen so liebevolle Streicheleinheiten bekommen. Es begann sich zu entspannen und schnurrte ganz leise.

Die ganze Familie stand jetzt um den unfreiwilligen Gast und beobachteten das kleine Kätzchen.
Der Nikolaus legte seine große Hand auf sein Köpfchen.

„Ich bin mir zwar noch nicht sicher, aber ich kann mir schon denken wo ich dich aufgelesen habe. Hier wird es dir bestimmt gut gehen kleines Kätzchen.“ schmunzelte der Nikolaus

Ihr könnt euch sicher denken, wie überrascht unser Kätzchen war als es von allen Seiten gestreichelt und geherzt wurde. Das erste Schüsselchen voller warmer Milch schmeckte wundervoll und die Erinnerungen an die frühere Zeit mit der Mutter und den Geschwistern stiegen wieder in ihm hoch.

Und als sich der Nikolaus später verabschiedete und mit lauten Gebimmel von dannen fuhr, stand unser Kätzchen dankbar und glücklich am Fenster und schaute zu wie sich die große Kutsche mit den vielen braunen Tieren in die Luft schwang und langsam am Horizont verschwand.

Es hatte wieder leicht angefangen zu schneien und als sich unser Kätzchen vom Fenstersims ins heimelige warme Wohnzimmer mit dem großen geschmückten Baum und den Geschenken und den vielen Menschen die alle so lieb zu ihm waren begab, da dachte es sich, wenn das Weihnachten ist, dann ist es das schönste, was ich je erlebt habe.
 
17. Dezember

Plätzchenduft im ganzen Haus
Wieder diese dunkle Jahreszeit. Wieder Dezember. Wieder diese langen Nächte und kurzen Tage. Und wieder die Familie, die quengelt, ich soll Plätzchen backen.
"Nein!" sage ich dieses Mal entschieden. "Ich backe in diesem Jahr keine Plätzchen. Mann und Sohn gucken mich an, als ob ich ihnen soeben mitgeteilt hätte, dass ich beabsichtige, nach Timbuktu auszuwandern. Alles, nur das nicht. Sie flehen. Sie nölen. Sie schimpfen. Und ich argumentiere damit, dass es keinen Spaß macht, viele Stunden in der Küche zuzubringen, nochmals Stunden mit deren Reinigung beschäftigt zu sein, die Produkte meiner Schweiß treibenden Arbeit sich noch am Backtag bis auf die Hälfte dezimieren zu sehen, um dann festzustellen, dass anschließend niemand mehr von den Keksen isst. Nicht nur nicht im Dezember, nein auch am Fest selbst wird alles Mögliche gegessen und genascht, nicht aber Mutters Kekse.
Ich schlug vor, in eine gute Konditorei zu gehen, und ein paar von diesen wunderbaren Keksen zu kaufen, die so schön aussehen, wie ich es niemals hinkriegen würde. Aber sie schüttelten beiden heftig die Köpfe und argumentierten: "Aber das riecht doch so schön im ganzen Haus." Okay, da hatten sie ja nun Recht. Trotzdem habe ich keine Lust, Kekse für den Mülleimer zu produzieren. Basta!
Im letzten Jahr hatte ich logisch überlegt und nur noch die Hälfte Kekse gebacken. In der Hoffnung, dass dann alle an einem Tag aufgegessen würden. Aber die Rechnung ging nicht auf. 1. hatte ich fast genau so viel Arbeit, weil es der verschmutzten Küche egal ist, ob zehn oder fünf Bleche gebacken wurden und 2. haben sie von der Hälfte eben wieder nur die Hälfte gegessen. Ob sie es unverschämt gefunden hätten, alles auf einmal zu essen, oder ob ausgerechnet im letzten November ihr Keksappetit nur halb so groß war, bleibt unbekannt. Mein Entschluss stand fester den je: In diesem Jahr keine Kekse.
Nun waren meine beiden Süßen nicht gewillt, auf selbst gebackene Weihnachtssüßigkeiten zu verzichten. Und weil Muttern dieses Mal nicht als Produzentin zur Verfügung stand passierte, was passieren musste. Die beiden wälzten Backbücher, kauften Frauenzeitschriften mit Plätzchenrezepten und bereiteten sich akribisch auf den großen Backtag vor. Wenn eine Frau kocht oder backt, geht sie in die Küche, schmeißt Ofen und Herd in Gang und legt los. Männer jedoch planen alles bis in die kleinste Kleinigkeit. Sie lasen die Rezepte, murmelten was von Kouvertüre, Petit Fours und viele andere leckere Ausdrücke. Ich schmunzelte, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie das hinkriegen würden. Meine Kekse, die ich immer genau nach Anweisung backte, sahen nie so umwerfend toll aus, wie sie in den Zeitschriften oder Backbüchern abgebildet waren. Aber die beiden hatten - so schien es - den Anspruch, es besser zu machen als ich.
Ich gebe zu, dass ich ein bisschen in meinem hausfraulichen Stolz gekränkt war. Und ein bisschen juckte es mich doch, ihnen zu zeigen, wer hier besser backen konnte. Doch ein Zurück gab es nun nicht mehr für mich. Zu viel hatte ich daran gesetzt, mein Ziel zu erreichen. Um nicht in irgendeine Versuchung zu kommen, in den nachmittäglichen Backvorgang einzugreifen, verzog ich mich für einige Stunden.
Ja, es stimmt, ich war sehr neugierig, als ich nach Hause kam. Was dort dekorativ in einer Schale angerichtet war, verschlug mir den Atem. Vanillekipferl mit Puderzucker, Zimtsterne mit rosa Verzierungen und vieles mehr. "Alle Achtung!" Das Kompliment meinte ich wirklich ernst.
Erst am Abend im Bett fiel mir auf, dass etwas gefehlt hatte. Der Duft. Genau! Der Plätzchenduft im ganzen Haus.
 
18. Dezember

Der riesengroße Schneemann

Kurz vor Weihnachten entdeckten Hans und Liese im Schaufenster des Spielzeugladens von Fräulein Holzapfel am Karolienenplatz eine bildhübsche Puppe mit echten Haaren und Schlafaugen und ein wunderschönes Segelschiff. Sie waren so begeistert davon, daß sie sofort nach Hause rannten und einen neuen Wunschzettel für das Christkind schrieben, mit dem Text: "Die Puppenküche und die Eisenbahn, die wir uns gewünscht haben, wollen wir nicht mehr haben. Wir wollen die Puppe und das Segelschiff aus dem Schaufenster von Fräulein Holzapfel!" Sie legten den Wunschzettel wie den ersten aufs Fenstersims und beschwerten ihn mit einem Stein, damit der Wind ihn nicht wegblasen konnte.
Am nächsten Tag fiel ihnen dann etwas Schreckliches ein. Möglicherweise verkaufte Fräulein Holzapfel die Puppe und das Segelschiff schon heute oder morgen an andere Leute, und wenn das Christkind zu ihr zum Einkaufen kam, waren nur noch andere Spielsachen zu haben?! - Zehn Minuten später standen sie heftig schnaufend vor Fräulein Holzapfel im Spielzeugladen. "Wir möchten Sie fragen, ob Sie nicht die Puppe und das Segelschiff für das Christkind zurücklegen wollen!" sagte Liese. "Wir haben die Sachen nämlich auf unseren Wunschzettel geschrieben!"
"Ach!" seufzte Fräulein Holzapfel. "Ich fürchte , das Christkind kommt in diesem Jahr überhaupt nicht zu mir zum Einkaufen! Es kauft ja so gut wie niemand etwas bei mir. Alle Leute gehen in die großen Kaufhäuser in der Stadt!"
Für Hans und Liese war das eine böse Überraschung. Mit langen Gesichtern verließen sie den Laden. "Man müßte halt dafür sorgen, daß das Christkind hierher kommt!" meinte Hans schließlich. Liese nickte. "Ja, aber wie?" Ihr fiel nichts ein. Auch Hans fiel nichts ein. So gingen sie niedergeschlagen nach Hause.
In der folgenden Nacht träumte dann Liese von einem riesengroßen Schneemann; der spazierte durch die Stadt, und alle Leute drehten sich nach ihm um. Da wußte Liese am nächsten Morgen, wie man dafür sorgen konnte, daß das Christkind zu Fräulein Holzapfel kam. Schon vormittags machte sie sich mit Hans daran, vor dem Spielzeugladen einen Schneemann zu bauen. Als der aber fertig dastand. war Liese nicht zufrieden mit ihm. Sie sagte: "Er ist viel zu klein, als daß das Christkind Lust kriegen könnte, ihn anzugucken! Er muß noch viel größer werden!"
Liese lieh sich deshalb von Fräulein Holzapfel einen Stuhl, damit sie an dem Schneemann höher hinaufreichte. Eine Viertelstunde später kamen dann zufällig drei Anstreicherlehrlinge mit einer Leiter vorbei. Als die hörten, um was es ging, halfen sie tüchtig mit. Da war der Schneemann schon bald vier Meter hoch. Doch in Lieses Augen war er immer noch zu klein. "Er muß noch größer werden!" sagte sie.
Mittlerweile hatten sich auch eine Schar Buben und einige Männer eingefunden und halfen mit, den großen Schneemann zu bauen. Einer von den Männern war mit dem Hauptmann der städtischen Feuerwehr befreundet; mit dem telefonierte er jetzt vom nächsten Telefonhäuschen aus. Da kam wenig später mit lautem "Tatü! Tatü!" ein großes rotes Feuerwehrauto angesaust. Die Feuerwehrmänner fuhren die lange, lange Leiter aus und halfen nun ebenfalls beim Bau des Schneemannes mit.
Da stand zwei Stunden später vor dem Schaufenster von Fräulein Holzapfel ein wunderschöner Schneemann; der war fast zehn Meter hoch. Er trug als Hut eine umgestülpte Waschbütte auf dem Kopf, als Augen hatte er zwei Briketts und als Nase hatte er eine große Zuckerrübe im Gesicht. Einen so riesengroßen, herrlichen Schneemann hatte man bis dahin noch nie in der Stadt gesehen. Im Nu war der Karolinenplatz schwarz vor lauter Menschen, die ihn sich anguckten.
Und jeden Tag kamen andere Leute und sahen sich den Schneemann an. Und weil sie nun schon einmal da waren, gingen viele in den Spielzeugladen von Fräulein Holzapfel hinein und kauften Weihnachtsgeschenke. Offensichtlich ließ sich auch das Christkind von dem riesengroßen Schneemann anlocken und kaufte bei Fräulein Holzapfel ein. Am Heiligen Abend war der Spielzeugladen jedenfalls restlos ausverkauft! Alle Regale waren leer!
Hans und Liese aber fanden an diesem Heiligen Abend unterm Weihnachtsbaum nicht nur die gewünschte Puppe und das Segelschiff, sondern auch die Puppenküche und die Eisenbahn, die sie auf den ersten Wunschzettel geschrieben hatten. Da waren sie ganz fassungslos; sie dachten sich: "So brav, daß wir das verdient hätten, sind wir ja nun wirklich nicht gewesen!"
Daß ihnen nicht das Christkind, sondern Fräulein Holzapfel die Puppe und das Segelschiff geschenkt hatte, aus Dankbarkeit für ihre Hilfe, haben Hans und Liese nie erfahren. Bis heute nicht.
 
19. Dezember

Der Christbaumständer

Beim Aufräumen des Dachbodens - ein paar Wochen vor Weihnachten -entdeckte ein Familienvater in einer Ecke einen ganz verstaubten, uralten Weihnachtsbaumständer. Es war ein besonderer Ständer mit einem Drehmechanismus und einer eingebauten Spielwalze. Beim vorsichtigen Drehen konnte man das Lied "O du fröhliche" erkennen. Das musste der Christbaumständer sein, von dem Großmutter immer erzählte, wenn die Weihnachtszeit herankam. Das Ding sah zwar fürchterlich aus, doch da kam ihm ein wunderbarer Gedanke. Wie würde sich Großmutter freuen, wenn sie am Heiligabend vor dem Baum säße und dieser sich auf einmal wie in uralter Zeit zu drehen begänne und dazu "O du fröhliche" spielte. Nicht nur Großmutter, die ganze Familie würde staunen.
Es gelang ihm, mit dem antiken Stück ungesehen in seinen Bastelraum zu verschwinden. Gut gereinigt, eine neue Feder, dann müsste der Mechanismus wieder funktionieren, überlegte er. Abends zog er sich jetzt geheimnisvoll in seinen Hobbyraum zurück, verriegelte die Tür und werkelte. Auf neugierige Fragen antwortete er immer nur "Weihnachtsüberraschung". Kurz vor Weihnachten hatte er es geschafft. Wie neu sah der Ständer aus, nachdem er auch noch einen Anstrich erhalten hatte.
Jetzt aber gleich los und einen prächtigen Christbaum besorgen, dachte er. Mindestens zwei Meter sollte der messen. Mit einem wirklich schön gewachsenen Exemplar verschwand Vater dann in seinem Hobbyraum, wo er auch gleich einen Probelauf startete. Es funktionierte alles bestens. Würde Großmutter Augen machen!
Endlich war Heiligabend. "Den Baum schmücke ich alleine", tönte Vater. So aufgeregt war er lange nicht mehr. Echte Kerzen hatte er besorgt, alles sollte stimmen. "Die werden Augen machen", sagte er bei jeder Kugel, die er in den Baum hing. Vater hatte wirklich an alles gedacht. Der Stern von Bethlehem saß oben auf der Spitze, bunte Kugeln, Naschwerk und Wunderkerzen waren untergebracht, Engelhaar und Lametta dekorativ aufgehängt. Die Feier konnte beginnen.
Vater schleppte für Großmutter den großen Ohrensessel herbei. Feierlich wurde sie geholt und zu ihrem Ehrenplatz geleitet. Die Stühle hatte er in einem Halbkreis um den Tannenbaum gruppiert. Die Eltern setzten sich rechts und links von Großmutter, die Kinder nahmen außen Platz. Jetzt kam Vaters großer Auftritt. Bedächtig zündete er Kerze für Kerze an, dann noch die Wunderkerzen. "Und jetzt kommt die große Überraschung", verkündete er, löste die Sperre am Ständer und nahm ganz schnell seinen Platz ein.
Langsam drehte sich der Weihnachtsbaum, hell spielte die Musikwalze "O du fröhliche". War das eine Freude! Die Kinder klatschten vergnügt in die Hände. Oma hatte Tränen der Rührung in den Augen. Immer wieder sagte sie: "Wenn Großvater das noch erleben könnte, dass ich das noch erleben darf." Mutter war stumm vor Staunen.
Eine ganze Weile schaute die Familie beglückt und stumm auf den sich im Festgewand drehenden Weihnachtsbaum, als ein schnarrendes Geräusch sie jäh aus ihrer Versunkenheit riss. Ein Zittern durchlief den Baum, die bunten Kugeln klirrten wie Glöckchen. Der Baum fing an, sich wie verrückt zu drehen. Die Musikwalze hämmerte los. Es hörte sich an, als wollte "O du fröhliche" sich selbst überholen. Mutter rief mit überschnappender Stimme: "So tu doch etwas!" Vater saß wie versteinert, was den Baum nicht davon abhielt, seine Geschwindigkeit zu steigern. Er drehte sich so rasant, dass die Flammen hinter ihren Kerzen herwehten. Großmutter bekreuzigte sich und betete. Dann murmelte sie: "Wenn das Großvater noch erlebt hätte."
Als Erstes löste sich der Stern von Bethlehem, sauste wie ein Komet durch das Zimmer, klatschte gegen den Türrahmen und fiel dann auf Felix, den Dackel, der dort ein Nickerchen hielt. Der arme Hund flitzte wie von der Tarantel gestochen aus dem Zimmer in die Küche, wo man von ihm nur noch die Nase und ein Auge um die Ecke schielen sah. Lametta und Engelhaar hatten sich erhoben und schwebten wie ein Kettenkarussell am Weihnachtsbaum. Vater gab das Kommando "Alles in Deckung!" Ein Rauschgoldengel trudelte losgelöst durchs Zimmer, nicht wissend, was er mit seiner plötzlichen Freiheit anfangen sollte. Weihnachtskugeln, gefüllter Schokoladenschmuck und andere Anhängsel sausten wie Geschosse durch das Zimmer und platzten beim Aufschlagen auseinander.
Die Kinder hatten hinter Großmutters Sessel Schutz gefunden. Vater und Mutter lagen flach auf dem Bauch, den Kopf mit den Armen schützend. Mutter jammerte in den Teppich hinein: "Alles umsonst, die viele Arbeit, alles umsonst!" Vater war das alles sehr peinlich. Oma saß immer noch auf ihrem Logenplatz, wie erstarrt, von oben bis unten mit Engelhaar und Lametta geschmückt. Ihr kam Großvater in den Sinn, als dieser 14-18 in den Ardennen in feindlichem Artilleriefeuer gelegen hatte. Genau so musste es gewesen sein. Als gefüllter Schokoladenbaumschmuck an ihrem Kopf explodierte, registrierte sie trocken "Kirschwasser" und murmelte: "Wenn Großvater das noch erlebt hätte!" Zu allem jaulte die Musikwalze im Schlupfakkord "O du fröhliche", bis mit einem ächzenden Ton der Ständer seinen Geist aufgab.
Durch den plötzlichen Stopp neigte sich der Christbaum in Zeitlupe, fiel aufs kalte Buffet, die letzten Nadeln von sich gebend. Totenstille! Großmutter, geschmückt wie nach einer New Yorker Konfettiparade, erhob sich schweigend. Kopfschüttelnd begab sie sich, eine Lamettagirlande wie eine Schleppe tragend, auf ihr Zimmer. In der Tür stehend sagte sie: "Wie gut, dass Großvater das nicht erlebt hat!"
Mutter, völlig aufgelöst zu Vater: "Wenn ich mir diese Bescherung ansehe, dann ist deine große Überraschung wirklich gelungen." Andreas meinte: "Du, Papi, das war echt stark! Machen wir das jetzt Weihnachten immer so?"
 
20. Dezember

Die golden glitterne Sprühdose

Paul, der kleine Junge, der immer allein durch die Straßen läuft, sitzt
heute am 24. Dezember ganz allein auf einer Bank im Park. Er ist 8 Jahre alt, aber schon ganz schön reif für sein Alter. Man sieht ihn nie mit anderen Kindern herumtollen oder wenigstens nur mal lachen. Dauernd dieser starre
ausdruckslose Blick. Er kann einem richtig leid tun. Auch mit einem reden
tut er nicht. Aber sehr hilfsbereit ist der Bub. Einmal z.B. half er Frau Mayer, einer sehr alten Frau, mit ihren Einkäufen, da die Beutel für sie zu schwer waren. Frau Mayer wollte ihm Geld als Dankeschön geben aber dies nahm er nicht an und ging wortlos davon. Schon komisch dieser kleine Kerl. Es ist also Weihnachten, zum ersten mal seit Jahren wieder weiße Weihnacht!
Vor drei Tagen hat es zum ersten mal richtig geschneit in diesem Jahr. Die Stadt sieht richtig festlich und ruhig aus. Voller Frieden und Hoffnung. Doch nur Paul macht ein trauriges Gesicht. Klar seine Eltern sind vor drei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, da versteht man die Traurigkeit ja.
Aber er hat doch seine Tante, sie scheint ganz nett zu sein, oder doch nicht?
Er will nicht nach Hause, noch nicht. Aber wo ist eigentlich sein zu Hause?
Hier, dort oder wo ganz anders?
Paul glaubt schon lang nicht mehr an den Weihnachtsmann. Denn seit seine
Eltern gestorben sind, kam er nicht mehr zu Besuch. Er findet es regelrecht
lachhaft in den Kaufhäusern jedes Jahr zur Adventszeit das "HEY HO, HIER IST DER WEIHNACHTSMANN" zu hören. Doch man kann die Leute ja auch nicht davon abbringen den Kindern solche Märchen zu erzählen. Er glaubt nicht daran und damit war für ihn die Sache gegessen, dachte er.
Denn als er so ganz allein auf der Parkbank sitzt, hört er ein seltsames
Rascheln. Und da, schon wieder. Jetzt ein Schnauben, es hört sich an wie von einem Tier. Glöckchen klingeln und irgend etwas stampft durch den Schnee und dieses Etwas kommt immer näher. Auf einmal steht ein Mann mit langem weißen Bart vor ihm. Er hat einen roten Mantel an und trägt schwarze Stiefel und eine rote Mütze. "Genauso wie die anderen Deppen im Kaufhaus" denkt sich Paul. "Was willst du hier? Verschwinde!" sagte er. Doch der Mann macht keine Anstalten sich umzudrehen und zu gehen. "Was schaust du so traurig und reagierst so böse?" fragte der Mann. "Ich finde es lächerlich wie sie rumlaufen. Es gibt keinen Weihnachtsmann." "Oh doch mein Junge, ich bin der Weihnachtsmann." "Ja und ich bin der Osterhase oder was?!" "Du glaubst mir nicht? Dann komm doch einfach mit. Verlieren kannst du doch nichts!" "Mit ihnen? Und wohin?" " Zu mir nach Hause. Dort ist es wirklich sehr schön. Du kannst mir helfen die Geschenke einzupacken. Dieses Jahr hatte ich wirklich kaum Zeit dafür. Und kommst du nun mit?" "Naja. OK" Paul steigt auf eine Art Schlitten auf und auf einmal, er traut seinen Augen kaum, schwebt der Schlitten, wahrhaftig er schwebt. Paul fühlt sich wie in Trance. Als ob er nicht mehr alles wahrnehmen kann So schweben sie nun geschlagene 15 Minuten durch die Lüfte. Doch auf einmal taucht ein kugelähnliches Ding auf. Es scheint sehr groß zusein. "Paul das ist mein zu Hause." "Aber, aber woher weißt du meinen Namen?" "Ich bin halt der Weihnachtsmann. Glaubst du mir jetzt?" "Ja,ja." bringt Paul nur stotternd hervor. Der Weihnachtsmann lenkt den Schlitten auf diesen Planeten zu. Und plumps. "Das muß wohl die Landung gewesen sein" denkt sich Paul. Und wieder, unfaßbar, tausende von Engeln schwirren nur so umher. Lachend, singend und tanzend. Ein richtig buntes Treiben. Paul will aussteigen, doch er kann sich kaum auf den Beinen halten, so doll zittern seine Knie. "Wahnsinn, einfach unbeschreiblich!" Doch schon steht der Mann mit dem weißem Bart hinter ihm und sagt mit freundlicher aber
auch mit auffordernder Stimme. "Na komm, du wolltest mir doch helfen." Das läßt sich Paul nicht zweimal sagen und schon beginnt er den Engeln zu
helfen.
Alle Geschenke werden mit Gold und Silber besprüht. Danach glänzen sie wie die Engel, hell und schön. Die Zeit vergeht wie im Flug. "Komm wir müssen los. Die Kinder wollen ihre Geschenke haben. Wir müssen uns beeilen." "Ja ist schon gut." So verabschiedet sich Paul von jedem einzelnem Engel und steigt völlig erschöpft und müde von der vielen Arbeit in den Schlitten. "Die Geschenke müssen ausgeliefert werden" sagt der Weihnachtsmann lachend, "Da willst du jetzt schon schlafen? Mach nur, den Rest schaff ich schon allein."
Und schon macht Paul die Augen zu und schläft so tief und fest. Als er
wieder aufwacht, liegt er auf der Parkbank. "Man war das ein blöder Traum." denkt sich Paul, denn er meint das mit dem Weihnachtsmann und den Engeln hätte er alles nur geträumt. Doch da, was findet er in seiner Tasche? Eine Sprühdose mit goldenem Glitter. "War das doch kein Traum???"
 
Danke

Hallo Kathrinchen
Liebe Grüsse aus der Schweiz, wo ich derzeit lieber Deine schönen Adventsgeschichten lese statt Zusammenfassungen zu schreiben.
Danke für die schönen Geschichten und weiterhin eine schöne Adventszeit.
Eli-BaPO
 
21. Dezember

Die Abenteuer der kleinen Schneemaus


Es war ein kalter Wintermorgen an irgend einem Dezembertag. Weihnachten stand kurz vor der Tür und alle Leute liefen sehr geschäftig durch die Straßen, um noch Geschenke für ihre Lieben zu besorgen und um dies und das noch zu erledigen. Ein paar Kinder tobten laut lachend und schreiend die Straße entlang. Eines von ihnen formte gerade einen sehr großen Schneeball und zielte damit auf das Hinterteil seines Freundes. Es war ein lustiger Anblick, den der Schneeball auf der Hose des kleinen Jungen hinterließ.
Die Geschäfte, alle herrlich geschmückt, mit Kugeln, Girlanden, Lametta und Engelshaar, die Straßen festlich aufgeputzt mit vielen bunten Lichtern, einige in Sternform, andere sahen aus wie Glocken und über dem breitesten Stück der Straße hing sogar ein Rentierschlitten, aus dem der Weihnachtsmann mit lachendem Gesicht winkte. Am Ende der Straße stand ein wunderschön geschmückter Christbaum mit roten und goldenen Kugeln und an der Spitze war ein Engel angebracht.
Es begann zu schneien. Ganz leicht zuerst, aber die Flocken wurden immer dichter. Wie Federn so leicht sanken sie vom Himmel herab und gesellten sich zu ihren Kammeraden, die schon am Boden liegen geblieben waren. Nach und nach waren die Dächer der Häuser und der schöne Christbaum wie mit Zucker überstreut. Die Menschen auf den Straßen sahen alle schon aus wie lauter Schneemänner, ganz weiß waren sie schon auf ihren Köpfen.
Hinter einem Holzstoß, neben einem recht hübschen, alten Haus, wohnte eine Mäusefamilie mit ihren zwei Kindern. Eines hieß Max und das andere Moritz, so wie die beiden Lausbuben im Märchen. Und Lausbuben waren sie alle beide, so richtige, neugierige Mäusekinder, immer zu neuen Streichen aufgelegt. Die Mäuseeltern hatten ihre Kinder sehr lieb, so wie alle Eltern ihre Kinder liebhaben und sie waren sehr stolz auf die beiden. Es war mittlerweile schon einiges an Schnee gefallen und das Schneetreiben wurde immer dichter. Man konnte fast nicht mehr auf die andere Straßenseite hinüber schauen, so dicht fielen die Flocken vom Himmel.
"Mann, ist das aber ein Schneegestöber! Man sieht ja vor lauter Schnee die Häuser auf der anderen Straßenseite nicht mehr!" rief der Mäusevater. " Ich möchte, daß ihr beide heute zu hause bleibt, weil wenn das so weiter schneit, verlauft ihr euch noch da draußen." Max und Moritz machten lange Gesichter, sie wollten doch noch Weihnachtsgeschenke für die Eltern einkaufen, wie sollten sie das machen, wenn der Vater sie nicht raus ließ.
Die Mäusemutter strich den beiden liebevoll über die Köpfe und meinte:" Es ist ja noch nicht spät, es wird bald aufhören zu schneien und dann könnt ihr rausgehen und spielen, aber geht nicht zu weit vom Haus weg, hört ihr?" Die beiden nickten artig und trollten sich in ihr Zimmer. " Was machen wir jetzt? " fragte Max. " Wir haben doch noch nichts für die Eltern zu Weihnachten, was wir ihnen schenken können". "Es wird schon aufhören und dann gehen wir einfach raus und kaufen was schönes" antwortete Moritz und kramte die Spielzeugkiste hervor.
Aber es wollte nicht aufhören zu schneien, die Flocken fielen immer dichter und der Schnee lag mittlerweile schon ziemlich hoch . Die beiden Mäusekinder fassten einen Plan. Sie würden sich jetzt an den Eltern vorbeischleichen und sehen , dass sie sich unbemerkt aus dem Haus stehlen könnten. Es war ja schon höchste Zeit , ein Geschenk für den Vater und die Mutter zu kaufen, sie sollten ja auch eine Weihnachtsfreude haben.
Gesagt , getan. Max und Moritz setzten ihre Mützen auf und stahlen sich aus dem Haus. War das ein Schneegestöber! Man sah die Hand vor den Augen kaum. Die beiden machten sich auf den Weg , sie wollten für die Eltern eine schöne Teekanne besorgen, doch schon nach einigen Metern fiel ihnen das laufen im tiefen Schnee schwer und oh Schreck!, sie hatten sich verirrt. Ängstlich duckten sie sich in eine Mauernische und kuschelten sich aneinander , es war auch bitterkalt geworden. "Wir werden warten, bis es aufhört, zu schneien, dann finden wir den Weg bestimmt wieder". meinte Max.Sein Bruder nickte und zitterte am ganzen Leib, so kalt war ihm inzwischen.
In der Zwischenzeit war den Eltern aufgefallen , dass die Kinder nicht mehr da waren und sie machten sich grosse Sorgen, da es schon dunkel wurde. Sie beratschlagten, was zu tun sei und wo man die Kinder suchen könnte, Die Mutter weinte und der Vater tröstete sie und versuchte, ihr Mut zu zusprechen, obwohl der ihn auch schon langsam verließ.
Auf einmal klopfte es an der Türe. Der Mäusevater öffnete und bekam einen Riesenschreck! Draussen stand der böse schwarze Kater, der immer den anderen Katzen das Leben schwer machte und er brachte , ihr werdet es nicht glauben , die beiden Mäusekinder nach Hause!
"Die beiden habe ich soeben am Strassenrand an einem Haustor aufgelesen, sie haben nicht mehr nach hause gefunden, sie sind schon ganz erfroren, ich dachte mir, ihr werdet sie sicher vermissen."
War das eine Freude! Der Mäusevater konnte es genausowenig wie die Mutter fassen, dass ausgerechnet dieser böse Kater ihre beiden Kinder nach hause brachte und ihnen kein Leid antat.
Natürlich war der Kater, er hiess Felix, herzlich eingeladen, das Weihnachtsfest mit der Mäusefamilie zu verbringen und war von dieser Zeit an ein guter Freund der Familie und er hatte ausserdem auch eine wunderschöne Teekanne besorgt, aber das ist eine andere Geschichte.
 
22. Dezember

Das Engelskind Anna

Es war wieder einmal Weihnachten auf der Erde.
Der Weihnachtsmann lud alle Geschenke für die Menschenkinder auf seinen
großen Schlitten. Der Schlitten sah sehr prächtig aus und er wurde von 7
Rentieren gezogen.
Neben den Geschenkpaketen saßen 7 Engel, die dem Weihnachtsmann helfen
sollten, die Geschenke zu verteilen. Im Himmel gab es ja ganze Scharen von
Engeln, aber nur 7 Engel wurden für diese Heilige Nacht ausgewählt. In
diesem Jahr war nun also die Wahl auch auf das Engelskind Anna gefallen.
Schon tagelang vorher war sie aufgeregt und sie träumte jede Nacht von der
Fahrt mit dem herrlichen Rentierschlitten. Dann am Heiligen Abend war es
endlich soweit.
Die Rentiere hatten vor lauter Aufregung rote Nasen, und die Engel hatten
ihre goldenen Flügel solange geputzt, daß sie jetzt im Sternenlicht wunderbar
funkelten und blinkten.
Hey, was machte das für einen großen Spaß mit dem Geschenkeschlitten
durch den Himmel zu fliegen!
Der Weihnachtsmann drehte sich zu seinen Engeln um, lächelte Anna
freundlich an und blinzelte dabei mit den Augen, als ob er ihr etwas sagen
wollte.
Im nächsten Moment ging ein Ruck durch den Schlitten: eines der Rentiere
hatte einen Schluckauf bekommen.
Ein Rentier mit Schluckauf? Der Weihnachtsmann fing laut zu lachen an, und
auch die Engel stimmten in das Lachen ein; das klang dann so, als würden
Glocken klingen.
Da aber passierte es: eines der Pakete geriet in's Rutschen und als Anna
danach greifen wollte, fiel auch sie vom Schlitten herunter.
Schnell bewegte sie ihre Flügel, und sie schaffte es auch noch, das Paket
aufzufangen.
Als sie sich dann umschaute war der Schlitten schon weit davongefahren.
Unter sich sah Anna aber schon die Häuser der Menschen.
Und so landete sie erst einmal ganz sanft und leise auf der Erde.
Sie stand ganz verloren zwischen den Menschen. Das Paket in ihren Händen
drückte sie fest an sich, so als könnte sie sich daran festhalten.
Aber warum blieben die Menschen stehen?
Manche schauten sie verwundert an, als könnten sie nicht glauben,
was sie dort sahen.
Wieder andere lachten Anna einfach nur aus!
Warum nur? Anna sah doch genauso aus wie ein Menschenkind.
Bis auf die goldenen Flügel; so etwas hatten die Menschen noch nie gesehen!
Anna schaute verlegen auf den Boden und wünschte sich ganz fest, daß ihre
Flügel unsichtbar wären.
Und mit einem mal gingen die Menschen achtlos an ihr vorbei, denn ihr
Wunsch war in Erfüllung gegangen.
Der Schlitten mit dem Weihnachtsmann würde erst in einem Jahr wieder zur
Erde kommen. Solange mußte Anna erst einmal bei den Menschen leben. Es
fiel ihr nicht leicht, aber es gab sehr nette Menschen, die ihr halfen. Sie lernte
aber auch, daß es Kriege zwischen den Menschen gab; und auch Haß, Neid,
Hunger und Kälte.
Ganz schlimm war es, wenn Anna traurige Menschen sah. Dann wurde auch
sie traurig. Zuhause bei den anderen Engeln gab es so etwas nicht. Alle Engel
waren immer freundlich und nett, und es gab niemals Streit.
Engel kennen deshalb auch keine Tränen, aber weil Anna bei den Menschen
lebte, und sie manchmal sehr traurig war, geschah es eines Tages :
Anna weinte!
Ein junger Mann sah ihre Tränen und er nahm Anna in seine Arme.
Er gab ihr soviel Wärme und Geborgenheit, daß die Tränen bald trockneten,
und nach einer kleinen Weile schenkte Anna ihm ein himmlisches Lächeln
als Dank.
Da wurde auch der junge Mann glücklich und froh.
Sie wurden Mann und Frau, und lebten glücklich miteinander.
Es war aber fast ein Jahr vergangen und die Weihnachtszeit kam wieder
heran.
Der Weihnachtsmann würde mit seinem Schlitten zur Erde kommen und
Anna würde wieder zu den anderen Engeln in den Himmel zurückkehren.
Sie hatte aber ihren Mann sehr lieb gewonnen und wollte ihn nicht verlassen.
So schrieb sie eines Tages wie die anderen Menschenkinder einen Brief
an den Weihnachtsmann.
" Lieber Weihnachtsmann!
Das Leben hier auf der Erde ist nicht immer so schön
wie bei deinen Engeln im Himmel.
Aber ich habe einen lieben Mann und Freunde, die alle traurig wären,
wenn ich von hier fort müßte.
Es gibt auch noch so viele traurige Augen,
in die ich ein Lächeln zaubern möchte,
so viele traurige Herzen, die ich fröhlich machen möchte...
Ich kann hier einfach nicht weggehen, kannst Du das verstehen?

Dein Engelskind Anna

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten:
" Mein lieber Engel Anna!
Seit langer, langer Zeit schon komme ich mit meinem Schlitten zur
Weihnachtszeit zu den Menschen auf die Erde.
Und jedesmal ist ein kleiner Engel vom Schlitten gefallen...
Die Menschen brauchen diese Engel.
Ohne sie wäre das Leben auf der Welt noch ein bißchen kälter,
noch ein bißchen trauriger.
Bleib' bei den Menschen, Anna, sie brauchen Dich!
Wie lange Du noch bleiben kannst, kann auch ich Dir nicht sagen.
Irgendwann wirst auch Du gehen müssen, wie alle anderen Menschen auch.
Aber ich verspreche Dir, daß ich dann einen anderen Engel
zur Erde schicken werde,
damit Dein Mann und Deine Freunde nicht allzu traurig werden.
Und denke immer daran: vielleicht ist ein Mensch, der Dir begegnet,
auch ein Engel.
Ein Engel mit unsichtbaren Flügeln.

Dein Weihnachtsmann
 
23. Dezember

Warum der Engel lachen musste


Die bevorstehende Geburt des Christkinds bereitete den Engeln ziemliches Kopfzerbrechen. Sie mussten nämlich bei ihren Planungen sehr vorsichtig sein, damit die Menschen auf Erden nichts davon bemerkten. Denn schließlich sollte das Kind in aller Stille geboren werden und nicht einen Betrieb um sich haben, wie er in Nazareth auf dem Wochenmarkt herrschte.
Probleme gab es auch bei der Innenausstattung des Stalles von Bethlehem. An der Futterraufe lockerte sich ein Brett aber hat jemand schon einmal einen Engel mit Hammer und Nagel gesehen?! Das Stroh für das Krippenbett fühlte sich hart an, das Heu duftete nicht gut genug, und in der Stalllaterne fehlte das Öl.
Aber auch was die Tiere anbetraf, gab es allerhand zu bedenken. Genau an dem für den Engelschor auserwählten Platz hing ein Wespennest. Das musste ausquartiert werden. Denn wer weiß, ob Wespen einsichtig genug sind, um das Wunder der Heiligen Nacht zu begreifen? Die Fliegen, die sich Ochse und Esel zugesellt hatten, sollten dem göttlichen Kind nicht um das Näslein summen oder es gar im Schlafe stören. Nein, kein Tier durften die Engel vergessen, das etwa in der hochheiligen Nacht Unannehmlichkeiten bereiten könnte.
Unter dem Fußboden im Stall wohnte eine kleine Maus. Es war ein lustiges Mäuslein, das sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen ließ, höchstens, wenn die Katze hinter ihm her war. Aber dann flüchtete es schnell in sein Mäuseloch zurück. Im Herbst hatte die Maus fleißig Früchte und Körner gesammelt; jetzt schlief sie in ihrem gemütlichen Nest. Das ist gut, dachte der verantwortliche Engel, wer schläft, sündigt nicht, und bezog die Maus nicht weiter in seine Überlegungen ein.
Nach getaner Arbeit kehrten die Boten Gottes in den Himmel heim. Ein Engel blieb im Stall zurück; er sollte der Mutter Maria in ihrer schweren Stunde beistehen. Damit aber keiner merkten konnte, dass er ein Engel war, nahm er seine Flügel ab und legte sie sorgsam in eine Ecke des Stalles. Als die Mutter Maria das Kind gebar, war sie sehr dankbar für die Hilfe des Engels.
Denn kurz darauf kamen schon die Hirten, nachdem sie die frohe Botschaft gehört hatten, und der Hütehund und die Schafe. Obwohl die Männer sich bemühten, leise zu sein, und sozusagen auf Zehenspitzen gingen, klangen ihre Schritte doch hart und der Bretterboden knarrte. War es da ein Wunder, dass die Maus in ihrem Nest aufwachte? Sie lugte zum Mäuseloch hinaus und hörte die Stimme " Ein Kind ist uns geboren ...", konnte aber nichts sehen.
Neugierig verließ sie ihr schützendes Nest und schon war die Katze hinter ihr: Schnell wollte das Mäuslein in sein Mäuseloch zurück, aber ein Hirte hatte inzwischen seinen Fuß darauf gestellt. "Heilige Nacht hin oder her", sagte die Katze zu der entsetzten Maus, "jetzt krieg ich dich!"
Und damit ging die wilde Jagd los. Die Maus in ihrer Angst flitzte von einer Ecke in die andere, sauste zwischen den Beinen der Hirten hindurch, huschte unter die Krippe und die Katze immer hinterher: Zwischenzeitlich bellte der Hütehund und die Schafe blöckten ängstlich. Irgendwo gackerte aufgeregt eine Henne.
Die Hirten wussten nicht recht, was los war, denn eigentlich waren sie gekommen, um das Kind anzubeten. Aber sie konnten ja ihr eigenes Wort nicht mehr verstehen, und alles rannte durcheinander: Es ging zu wie in Nazareth auf dem Wochenmarkt.
Als die Engel im Himmel das sahen, ließen sie buchstäblich ihre Flügel hängen. Es ist tröstlich zu wissen, dass auch so unfehlbare Wesen wie Engel nicht an alles denken. Das Mäuslein indessen befand sich in Todesangst. Es glaubte seine letzte Sekunde schon gekommen, da flüchtete es in seiner Not unter die Engelsflügel. lm gleichen Moment fühlte es sich sachte hochgehoben und dem Zugriff der Katze entzogen. Das Mäuslein wusste nicht, wie ihm geschah. Es schwebte bis unters Dachgebälk, dort hielt es sich fest. Außerdem hatte es jetzt einen weiten Blick auf das ganze Geschehen im Stall.
Die Katze suchte noch ungläubig jeden Winkel ab, aber sonst hatte sich alles beruhigt. Der Hütehund, bewachte die ruhenden Schafe. Die Hirten knieten vor der Krippe und brachten dem Christkind Geschenke dar. Alles Licht und alle Wärme gingen von diesem Kinde aus. Das Christkind lächelte der Maus zu, als wollte es sagen, "Gell, wir wissen schon, wen die Katze hier herunten sucht". Sonst hatte niemand etwas von dem Vorkommnis bemerkt.
Außer dem Engel, der heimlich lachen musste, als er die Maus mit seinen Flügeln sah. Er kicherte und gluckste trotz der hochheiligen Stunde so sehr, dass sich der heilige Josef schon irritiert am Kopf kratzte.
Es sah aber auch zu komisch aus, wie die kleine Maus mit den großen Flügeln in die Höhe schwebte. Die erstaunte Maus hing also oben im Dachgebälk in Sicherheit.
Und ihre Nachkommen erzählen sich noch heute in der Heiligen Nacht diese Geschichte. Macht ihnen die Speicher und Türme auf, damit sie eine Heimat finden - die Fledermäuse - wie damals im Stall von Bethlehem.
 
24. Dezember

Das Mädchen und die Schildkröte

Es war der 24. Dezember, und es schneite. Gleichmütig und gleichmäßig fiel der Schnee. Er fiel auf die Fabrik für künstliche Blumen, und sein frisches Weiß gab dem häßlichen Backsteinbau etwas beinahe Heiteres. Er fiel auf die Villa des Fabrikanten, deren eckige Fassade er mit gefälligen Rundungen versah, und er fiel auf das Einfamilienhaus des Werkmeisters, aus dem er ein drolliges Zuckerhäuschen machte.
In den Hallen der Fabrik war um diese Zeit keine Menschenseele, Ein mißglücktes Veilchen aus Draht und Wachs sinnierte im Kehrichteimer vor sich hin, eine eiserne Tür zum Hof bewegte sich quietschend in den ausgeleierten Scharnieren.
In der Villa nebenan telefonierte die Gnädige zum viertenmal aufgeregt mit der Tierhandlung wegen der bestellten Schildkröte.
Früher, als junge Dame, war die Gnädige entzückend aufgeregt gewesen. Jetzt war sie nur noch aufgeregt.
Im Einfamilienhaus schrieb das jüngste der elf Kinder, die kleine Sabine, zum viertenmal ihren Wunschzettel: "Lihber Weihnachtsman ich möchte, eine Schildkröte hahben deine Sabine."
Die Gnädige erwartete die Schildkröte zur Suppe. Sabine erwartete sie als Spielgefährtin. Und der Zufall in Gestalt eines Botenjungen sprach die Schildkröte derjenigen zu, die sie verdiente.
Hier muß endlich bemerkt werden, daß die Villa und das Einfamilienhaus eine Kleinigkeit gemeinsam hatten: Das Namensschild an der Tür. Auf beiden Schildern las man "Karl Moosmann". Zwar las man bei dem Fabrikanten einen Buchstaben mehr, nämlich "Karl F. Moosmann". Aber für derlei feine Unterschiede haben Zufälle und Botenjungen kein Auge.
So kam es, daß die Schildkröte ins Einfamilienhaus gebracht wurde, wo man sie freudig und arglos in Empfang nahm.
Vater Moosmann glaubte weder an Engel, die als Botenjungen verkleidet kommen, noch an die Gaben guter Feen. Aber er glaubte daran, daß die kleinen Wünsche kleiner Kinderherzen Gewalt über Menschen und Dinge haben. Deshalb freute er sich, als der liebenswürdige Zufall seinen Glauben bestätigte.
Sabine erhielt das unerwartete Geschenk schon vor der Bescherung. Die erste Begegnung mit dem Tier verlief für beide Teile etwas unglücklich. Die Schildkröte unterschied sich von der geliebten Bilderbuchschildkröte nämlich dadurch, daß sie zappelte, wenn man sie aufhob, und daß sie bei ungeschickter Berührung sogar fauchte. Das irritierte Sabine so heftig, daß sie das Tier fallen ließ. Zum Glück fiel es nicht tief. Sabine maß noch keinen Meter.
Das Mädchen konnte vor Schreck nur "plumps" sagen. Doch dann hob sie das Tier trotz der strampelnden Beine wieder auf, streichelte den hell- und dunkelbraun geschuppten Panzer und sagte: "Armer Plumps!" Und damit war das Tier getauft. Aus einer beliebigen Schildkröte war sie zu einer bekannten geworden, zur Schildkröte Plumps Moosmann.
Indessen telefonierte die Gnädige zum fünftenmal mit der Tierhandlung, und ihre metallische Stimme kippte dabei zuweilen leicht über: "...ist doch großer Unfug. Wie kann sie hier sein, wenn niemand sie gebracht hat? ... Bitte?... Nein, Schildkrötensuppe!... Schildkrötensuppe!... Was sagten Sie?... Die letzte? Das wird ja immer heiterer! Ich habe sie doch zeitig genug bestellt!... Ist denn der Bote noch nicht zurück?... Wie?... Also dann rufe ich in einer halben Stunde noch einmal an. Wenn sie dann noch nicht da ist, haben Sie einen Kunden weniger!Adieu!"
Der Hörer fiel scheppernd in die Gabel und die Gnädige in den Teakholzsessel. Erst jetzt bemerkte sie, daß ihr Sohn Alexander in der Tür stand.
"Bekomme ich auch eine Schildkröte zu Weihnachten, Mama?"
Als die Gnädige antwortete, war ihr Stimme um einen Ton weicher als gewöhnlich. "Die Schildkröte ist für die Suppe, Alex! Vater wünscht sich eine echte Mockturtlesuppe zum Fest."
Alexander zog eine Schnute, die ihm reizend stand, und wollte abziehen. Aber er besann sich anders, drehte sich noch einmal um und äußerte betont beiläufig: "Sabines Schildkröte heißt Plumps. Sie wird nicht zu Mucketurtelsuppe verarbeitet."
Dann wollte er endgültig gehen. Aber diesmal hielt die Mutter ihn zurück.
"Was ist das für eine Schildkröte, von der du sprichst, Alex?"
"Sabine hat heute nachmittag eine Schildkröte zu Weihnachten bekommen. Sie weiß nicht, von wem. Sie heißt Plumps."
"Heute nachmittag, sagst du? Warte, bitte!"
Zum sechstenmal an diesem Nachmittag des 24. Dezember telefonierte die Gnädige mit der Tierhandlung. Der Bote war gerade zurückgekommen und berichtete, daß er das Tier bei Karl Moosmann abgeliefert habe.
Damit war die Sache klar: Sabine hatte versehentlich die Schildkröte der Gnädigen bekommen. Also wurde Alexander ins Nachbarhaus geschickt, um den Irrtum aufzuklären und die Schildkröte herüberzuholen.
Die Moosmannkinder nebenan waren allesamt rothaarig. Das Rot ihrer Schöpfe reichte vom blassen Gold bis fast zum Zinnober. Sie waren gerade dabei, sich für die Bescherung umzuziehen, als Alexander herübergestürmt kam. So traf der Bub nur Mieze, die Älteste, die in der Küche stand und kochte. Die kleine Sabine bemerkte er nicht; denn sie hockte mit ihrer Schildkröte hinter der halb offenen Küchentür.
"Du, Mieze, es ist unsere Schildkröte!" schrie er ohne jede Einleitung. "Wir brauchen sie für die Mucketurtelsuppe. Der Bote hat sie aus Versehen zu euch gebracht!"
"Mockturtlesuppe kocht man aus Kalbsköpfen und nicht aus Schildkröten", bemerkte Mieze, denn sie besuchte eine Kochschule.
"Trotzdem ist es unsere Schildkröte. Wo ist sie?"
Mieze zuckte mit den Schultern und schielte unauffällig zur Küchentür. Aber weder Sabinchen noch die Schildkröte waren zu sehen. Sie gab Alexander den Rat, im ersten Stock nachzuforschen.
Im Mädchenschlafzimmer des ersten Stocks fingen vier Moosmannmädchen bei Alexanders Eintritt zu kreischen an. Sie probierten gerade drei gewaltige Petticoats. Das belustigte Alexander. Aber die Schildkröte hatte er noch immer nicht.
Im Jungenschlafzimmer spielte er mit drei Moosmannbuben Domino. Das war aufregend. Aber die Schildkröte hatte er noch immer nicht.
Auf der Treppe lief er dem alten Moosmann in den Weg, der schon von der Verwechslung gehört hatte und die Stirn krauste.
"Wenn die Schildkröte euch gehört, muß Sabine sie zurückgeben", meinte er. "Es gibt ja noch mehr Schildkröten auf der Welt. Sag deiner Mutter, wir brächten das Tier, sobald wir Sabine gefunden haben."
Alexander raste mit dieser Nachricht in die Villa zurück, und zehn Moosmannkinder suchten Sabine mit ihrer Schildkröte.
Eine Stunde später suchte man das Schwesterchen noch. Schließlich wurde Mieze in die Fabrikantenvilla geschickt, um nachzuforschen, ob Sabine schon dort sei. Aber auch dort war das Mädchen nicht.
Erst jetzt begriff Mieze, was geschehen war: Sabine hatte die Unterhaltung in der Küche belauscht und sich mit ihrer Schildkröte irgendwo versteckt, um das Tier behalten zu können. Aber wo steckte das Kind?
Mieze erzählte der Gnädigen von ihrer Vermutung und fügte hinzu: "Echte Mockturtlesuppe wird übrigens aus Kalbskopf hergestellt, obwohl man sie fälschlich Schildkrötensuppe nennt."
"Sind Sie ganz sicher?" fragte die Gnädige.
"Ganz sicher" , antwortete Mieze. "Ich besuche einen Kochkurs. Außerdem können Sie es in jedem Lexikon nachlesen."
"Danke für die Belehrung, mein Kind", erwiderte die Gnädige.
"Unter diesen Umständen erlaube ich Sabine, die Schildkröte zu behalten!"
"Vorausgesetzt, wir finden Sabine", gab Mieze ruhig zurück und verließ die Villa.
 
24. Dezember (2)

Draußen schneite es noch immer. Es dunkelte schon, und die Stunde der Bescherung rückte näher. Aber im Hause der Moosmannkinder zeigte sich keine Sabine.
Hin und wieder kam Alexander von der Villa herüber und fragte, ob das Mädchen gefunden sei. Aber er kehrte jedesmal ergebnislos zu seiner Mama zurück.
Gegen halb fünf zog die Gnädige ihren Pelzmantel an und ging selbst ins Nachbarhaus. Obschon sie für die heillose Verwechslung nichts konnte, fühlte sie eine Art Mitschuld.
Mutter Moosmann saß als ein Häufchen Elend in der Küche. Vater Moosmann donnerte sinnlose Befehle ins Haus und scheuchte seine Kinder in die entferntesten Winkel.
In diesem Wirrwarr verwandelte sich die nervöse Aufregung der Gnädigen plötzlich in erstaunliche Tatkraft um.
"Frau Moosmann, bereiten Sie die Bescherung vor!" sagte sie in so entschiedenem Ton, daß Mutter Moosmann wirklich aufstand und sich am Küchentisch zu schaffen machte.
"Glauben Sie, wir finden Sabine?" Mutter Moosmann schluckte bei der Frage.
"Wir werden sie alle zusammen suchen", antwortete die Gnädige. "Und ich bin sicher, wir finden sie!"
Unter Leitung der Gnädigen begann eine planmäßige Suche durch das ganze Haus, an der Vater Moosmann sich merkwürdig widerspruchslos beteiligte. Der Kloß in seiner Kehle wurde immer kleiner, als er eine Aufgabe hatte.
Aber der Kloß wuchs zur alten Größe, als nach einer halben Stunde das Ergebnis der Suche feststand: Sabine war nicht im Haus.
Jetzt war die Gnädige nicht mehr so zuversichtlich wie zuvor. Aber sie zwang sich, es niemanden merken zu lassen.
"Sabine hat das Haus verlassen", stellte sie mit betont sachlicher Stimme fest. "Wir müssen die ganze Nachbarschaft durchkämmen. Ich habe einen Mann, einen Sohn und zwei Dienstboten. Die werden mitsuchen. Jeder nimmt ein Revier. Ich übernehme die Fabrik."
Zunächst wurde von der Villa aus mit der Polizei telefoniert. Aber die hatte kein Mädchen mit Schildkröte aufgegriffen. Immerhin wollte sie die Augen offenhalten.
Dann schwärmte man, einschließlich Fabrikant und Hausmädchen, nach einem genau durchdachten Plan unter dem wirbelnden Schnee in die Häuser und Gassen der Nachbarschaft aus.
Die Gnädige schritt entschlossen in den Hof der Fabrik und entdeckte hier eine weit offenstehende Eisentür.
Als sie durch die Tür in die Fabrik trat und das Licht einschaltete, hörte sie aus einer entfernten Ecke der riesigen Halle eine Art leises Quieken. Sie wandte den Kopf und entdeckte rechts hinten in der Ecke ein ganz in sich zusammengekrümmtes Geschöpfchen: Sabine.
"Aber Kind, was machst du denn da?" Ihre Stimme hallte kalt und fremd durch den Raum.
"Du kriegst die Schildkröte nicht!" schrie das Mädchen. "Plumps gehört mir!"
Erst jetzt bemerkte die Gnädige, daß Sabine auf dem Kehrichteimer hockte und die Schildkröte auf dem Schoß hatte.
Sie schritt quer durch die Halle auf das Mädchen zu, das noch mehr in sich zusammenkroch und ihr mit großen, ängstlichen Augen entgegensah.
"Du kannst die Schildkröte behalten, Sabine! Ich brauche sie nicht mehr."
Das Kind umklammerte die Schildkröte. Ihre Augen verrieten Zweifel.
Die Gnädige war verwirrt und wiederholte: "Du kannst die Schildkröte behalten!"
Als sie fast vor Sabine stand, rief das Mädchen: "Du lügst! Du willst Suppe aus ihr kochen! Aber man kann die Suppe auch aus Kalbsköpfen kochen, sagt Mieze."
Jetzt mußte die Gnädige lachen. "Du hast recht", gab sie zu. "Die Suppe, die ich kochen will, macht man aus Kalbskopf. Deshalb brauche ich überhaupt keine Schildkröte."
"Schwöre, daß es meine Schildkröte ist!"
Halb befremdet, halb belustigt, legte die Gnädige eine Hand auf das Herz, hob die andere zum Schwur und versicherte feierlich: "Ich schwöre, daß die Schildkröte mit Namen Plumps der Sabine Moosmann gehört!"
"Jetzt glaube ich dir!" Das Mädchen stand auf, setzte die Schildkröte zu Boden und sagte: "Nun zeige ich dir, wie schnell Plumps laufen kann!"
"Zeig es mir später, Sabine. Wir müssen heim. Ich glaube, du hast dich erkältet. Und Plumps muß auch in die Wärme zurück. Die meisten Schildkröten halten nämlich um diese Zeit ihren Winterschlaf."
"Weiß ich", bestätigte Sabine mit Kennermiene. "Ich muß eine Kiste mit Torf für Plumps besorgen."
Plötzlich begann die Schildkröte heftig mit den Beinen zu strampeln, und Sabine fing an zu niesen. Da ergriff die Gnädige entschlossen die freie Hand des Mädchens und ging mit ihr durch den fallenden Schnee hinüber zum Haus der Moosmannkinder.
Unterwegs meinte Sabine: "Wenn du keine Suppe aus Schildkröten kochst, könntest du dir eigentlich eine Schildkröte zum spielen anschaffen!"
"Geht nicht, Sabine! Plumps war die letzte Schildkröte in der Tierhandlung. Die anderen liegen im Winterschlaf."
Das kleine Mädchen blieb plötzlich stehen, zögerte einen kurzen Augenblick, blickte die Schildkröte an, die sich unter ihrem Panzer verkrochen hatte, und legte sie sanft der Gnädigen in den Arm. "Ich schenk sie dir zu Weihnachten! Es gibt ja noch andere Schildkröten. Ich bestell mir eine im Frühling."
Die Gnädige sah verwirrt auf die Schildkröte, die auf dem weichen Pelz des Mantels vorsichtig den Kopf hervorstreckte.
"Es gefällt ihr bei dir", sagte Sabine.
"Trotzdem glaube ich, daß du mehr Zeit für die Schildkröte hast als ich, Sabine. Ich gebe dir das Geschenk zurück."
Wieder wechselte das verschüchterte Tier den Besitzer.
Sabine strahlte. "Du hast recht", meinte sie. "Ich kann mich mehr um Plumps kümmern als du. Außerdem ist sie ja schon an mich gewöhnt. Du bist viel netter, als ich dachte. Vielen, vielen Dank und fröhliche Weihnachten."
Die Gnädige schluckte ein bischen und sagte mit ungewohnt weicher Stimme: "Fröhliche Weihnachten, Sabine!"
Dann wanderten sie Hand in Hand weiter und wurden bald von den Flocken verdeckt, die gleichmäßig und gleichmütig auf Gerechte wie auf Ungerechte fielen.
 
Türchenöffner,

nun ist es soweit, das letzte Türchen ist offen und der Heilige Abend steht vor der Tür.
Ich wünsche euch ein Weihnachtsfest ohne Hektik und Enttäuschungen, aber mit Geschenken, die euer Herz berühren.
In diesem Sinne: Fröhliche Weihnachten!
 
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