Nehmen wir Aufgabe 2 aus der Klausur 03/2012, Aufgabenteil b):
hier habe ich diesen Lösungsvorschlag gefunden:
b
: -x1 - x2 ist eine Nutzenfunktion, der zwar nicht die Nichtsättigungsannahme, jedoch Vollständigkeit (Es gibt auch indifferente Güterbündel!), Transitivität (Die In-differenzkurven schneiden sich nicht!) und Reflexivität (Identische Güterbündel werden gleich bewertet!) zugrunde liegen.
wie kommt man darauf, dass identische Güterbündel gleich bewertet werden?
Wenn für alle Güterbündel (X1, X2) (X1, X2) >pref (X1, X2) NICHT gilt, genau dann ist die Präferenzordnung pref reflexiv. Bei der gegebenen Nutzenfunktion U(X1, X2) = -X1 - X2 ist das trivialerweise erfüllt, weil die =-Relation auf den reellen Zahlen reflexiv ist, d.h. es gilt nicht x > x für alle reellen Zahlen x. Das gilt übrigens für jede Nutzenfunktion, d.h. nicht reflexive Präferenzrelationen lassen sich nicht mit einer Nutzenfunktion beschreiben (siehe unten).
Aber betrachte Erwins Präferenzen bezüglich den Gütern Liebesbriefe L und Klassenbucheinträge K. Erwin ist gerne ein Mädchenheld und Klassenbucheinträge für seine "Heldentaten" sind ihm egal, solange er dafür genügend Liebesbriefe bekommt. Genauer gesagt:
Je zwei Güterbündel (L1, K1) und (L2, K2) betrachtet er als gleichwertig, genau dann wenn
L1 = L2 und
L1 > K2 und
L2 > K1
Erwin betrachtet also nur diejenigen Güterbündel als gleichwertig, die die selbe Anzahl Liebesbriefe enthalten und bei denen die Anzahl der Liebesbriefe größer ist als die Anzahl der Klassenbucheinträge.
Beispiel: Erwin ist indifferent gegenüber (11, 3) ; (11, 8) ; (11, 10)
Diese Präferenzrelation ist nicht reflexiv. Es gibt genügend Gegenbeispiele, beispielsweise ist Erwin nicht indifferent gegenüber (11, 11) und (11, 11). Die Anzahl der Liebesbriefe (11) ist zwar identisch, aber die Anzahl der Klassenbucheinträge (11) ist nicht größer als die Anzahl der Liebesbriefe. Es gibt aber durchaus Paare (L, K), so dass (L, K) ; (L; K) indifferent sind. Das sind alle Paare für die L > K ist. Erwin behandelt also beispielsweise (11, 3) und (11, 3) als gleichwertig.
Kann man Erwins Präferenzen als rational bezeichnen? Der Kurs tut es jedenfalls nicht, weil Erwins Präferenzen nicht reflexiv sind und damit gegen ein Rationalitätsaxiom (dass der Reflexivität) verstoßen.
wie muss eine Nutzenfunktion ausschauen, die mir sagt, dass identische Güterbündel nicht gleich bewertet werden?
Eine nicht reflexive Präferenzrelation lässt sich nicht mit einer Nutzenfunktion beschreiben. Denn ein Güterbündel wird durch eine Nutzenfunktion immer auf genau einen Nutzenwert abgebildet, d.h. zwei identische Güterbündel haben den selben Nutzenwert und sind damit indifferent bzgl. der durch die Nutzenfunktion abgebildeten Präferenzordnung. Die Präferenzordnung, die durch eine Nutzenfunktion abgebildet wird, ist also stets reflexiv.
Liebe Grüße