Darf man fragen was du von einer Sekretärin ausbildungstechnisch so erwartest?
Formale Anforderung: Kaufmännische Ausbildung oder mehr, also auch Studium möglich.
Bei uns sind Personalentscheidungen Team-Entscheidungen. Das sind keine Chefentscheidung und wir müssten das akzeptieren. Erst der unangekündigte Test mit Microsoft Office, dann das Vorstellungsgespräch und anschließend werden die Bewerber noch in einer Teamrunde auseinandergenommen. Da ballern dann alle möglichen und unmöglichen Fragen auf die Bewerber ein. Wenn das Team bestimmte Bewerber ausschließt dann wird das auch von den Entscheidern akzeptiert. Ich schaue bei den mittlerweile 200 Bewerbungen lediglich, ob sie den Grundanforderungen genügen, weil ich 20 für eine Endauswahl brauche, die dann das Team treffen wird.
Wer von den 200 Bewerbern in den 20er Pool will sollte mich innerhalb in maximal 120 Sekunden davon überzeugen können, mindestens in der Lage zu sein im Lebenslauf senkrechtes Übereinander mittels Tabulatoren hinzubekommen statt mit Leerzeichen (bei einem Handwerker ist mir das egal, bei einer Sekretärin nicht), die Bewerbung weitgehend fehlerfrei schreiben zu können und vor allem vollständige Anlagen mitzuliefern (wir haben sogar extra in die Stellenanzeige reingeschrieben, dass wir alle Abschlüsse mit Noten und Kopien von Arbeitszeugnissen haben wollen). Nach den Kriterien ist schon die Hälfte der Bewerbungen mangelhaft und bekommt eine Absage. Wichtig ist auch, dass das Anschreiben zur Stelle passt. So gab es eine, die "freue mich in Ihrer Klinik tätig zu werden" geschrieben hat. Wir sind keine Klinik, deshalb gehe ich davon aus, dass diese Person ein paar Stellenanzeigen durcheinandergewürfelt hat, was sich bei einer Stelle, bei der es auf erbarmungslose Zuverlässigkeit und Organisationstalent ankommt, nicht gerade positiv auswirkt.
Weiterhin sortiere ich die aus, die Mehrarbeit machen. Das sind zum Beispiel die, die Kurzbewerbungen schicken und schreiben "auf Wunsch sende ich Ihnen gern meine vollständigen Anlagen". Bei Stellenanzeigen, bei denen sich offensichtlich Dutzende oder Hundertschaften bewerben, muss man die Unterlagen so vorlegen wie sie erwartet werden. Ich schreibe niemanden an und bettle um einen vollständigen Lebenslauf oder fehlende Anlagen, erst recht nicht dann, wenn in der Stellenanzeige vollständige Unterlagen gefordert werden. Sorry, aber ich habe hier genug andere Bewerbungen liegen, darunter Top-Bewerbungen, da mache ich mir nicht noch zusätzliche Arbeit und hake nach. -> Absage
Weiterhin wurde gebeten sich nur per E-Mail zu bewerben. Trotzdem kamen schriftliche Bewerbungen. Die sind alle nicht so besonders. Ich weiß nicht ob die nicht wissen wie man PDF-Dokumente erstellt oder warum die sich schriftlich bewerben obwohl es per E-Mail sein sollte. Ich wundere mich auch, wenn ich in einer schriftlichen Bewerbung "bin vertraut im Umgang mit modernen Kommunikationsmedien" lese und die Bewerbung dann mit Schreibmaschine geschrieben ist. Eine sogar mit einem handgeschriebenen Lebenslauf. Dann bemerkt ich allerdings auch, welche Qualität die Unterlagen haben. Für viele Bewerber scheint es okay zu sein wenn der Drucker ultrahässliche Streifen druckt, Flecken auf dem Papier sind oder die Ecken umgeknickt sind. Einige haben ihre Kopien per Fax gemacht, da steht die Faxkennung noch oben drauf. Die schriftlichen (von den 200 etwa 40) Bewerbungen hatten keine besonderen Positivmerkmale. -> Alle Absage
Gerade bei den schriftlichen Bewerbungen habe ich den Eindruck, dass viele von denen eine Absage erhalten WOLLEN. Der Anteil der Arbeitslosen war bei den schriftlichen Bewerbungen erstaunlich groß. Man könnte denken die bewerben sich nur um weiterhin ALG-Bezüge zu bekommen, wollen aber gar nicht arbeiten.
Deine Frage, was ich ausbildungstechnisch so erwarte, war bis jetzt noch nicht sehr relevant. Bis hierher konnte man sich lediglich durch Fehler disqualifizieren, 3 von 4 Bewerbungen sind bis jetzt schon gescheitert.
Sinnlos finde ich das Erwähnen von Kenntnissen in Word, Excel & Co. Wer sich als Sekretärin bewirbt muss das einfach können, das muss man nicht als besonderes Merkmal herausstellen. Wer sich da von der Masse abheben will sollte zum Beispiel LaTeX können und das erwähnen.
Wir prüfen die Office-Kenntnisse meistens (das hängt davon ab welche Vorkenntnisse die Leute laut Arbeitszeugnissen so haben) sowieso nach, indem wir bei einer Einladung zum Vorstellungsgespräch die Leute testen ohne es ihnen vorher zu sagen. Die Bewerber denken sie kommen zu einem Vorstellungsgespräch, dann werden sie aber zuerst an einen Computer gesetzt und dürfen ein paar Aufgaben in Microsoft Office und eine Internet-Recherche erledigen. Mit dem "Ergebnis" geht es anschließend direkt ins Vorstellungsgespräch bzw. es ist ein gleitender Übergang, weil sie den Test sowieso im Chefbüro "unter Aufsicht" machen dürfen. Den in Bewerbungen gern verwendeten Satz "auch in Stresssituation behalte ich meine zuverlässige Arbeitsweise bei" nehmen wir also wortwörtlich.
Weiterhin ist kaum argumentativ zu überzeugen, warum eine 20jährige ohne Kinder einen Halbtagsjob haben will. Die Gefahr, dass die Person den nächstbesten Vollzeitjob annimmt und deshalb kurzfristig bei uns wieder aufhört, ist groß. Wer den Wille für den Halbtagsjob in der Bewerbung nicht überzeugend rüberbringt steht eher schlecht da. Es gibt aber auch positive Beispiele, beispielsweise eine Beweberin die nebenbei studiert und deshalb nur halbtags arbeiten will, vorzugsweise will sie sogar nur nachmittags arbeiten. Das passt sehr gut, sie ist deshalb in der nächsten Auswahlrunde.
Weiterhin kenne ich bestimmte Vorlieben unserer Chefen, was die Tätigkeit in bestimmten Industrieunternehmen betrifft. Wer von Firma XYZ kommt hat da schon mal einen Vorteil, auf die die Bewerber aber keinen Einfluss haben können. Es sei denn man kennt zufällig die Vorlieben des zukünftigen Chefs. So kommt man eine Runde weiter, ohne dass die Bewerber das irgendwie beeinflussen konnten.
Viel geschrieben, kompakte Zusammenfassung: In diesem Bereich gibt es einfach zu viele Bewerber, welche Ausbildung man hat ist deswegen weitgehend egal, wenn man das kann was gefordert wird, das sollte man mit einer aussagekräftigen Bewerbung rüberbringen. Ich denke das gilt auch für den Bereich Bildungswissenschaften/KSW. Es gibt zu viele Absolventen, die Märkte quellen mit Absolventen nur so über. Da ist es um so wichtiger sich von der Masse abzuheben und positiv aufzufallen.
Gefordert wird immer keine Fehler zu machen, weshalb eine solide, fehlerfreie und zur Stellenausschreibung passende Bewerbung sehr wichtig ist. Eine Bewerbung ist vielleicht der Weg in DEN Job seines Lebens. Da sollte man entsprechend viel Energie reinfließen lassen. Den Lebenslauf muss man eigentlich nur einmal schreiben und die Anlagen muss man auch nur einmal scannen, nachbearbeiten, zusammenfassen. Aber man sollte das wenigstens einmal machen. Da kann man sich auch von Bekannten oder Profis (nicht die von den Arbeitsagenturen bezahlten Hilfskurse besuchen, die sind eher für Leute die kaum deutsch können oder die noch nie an einem Computer saßen) helfen lassen. Aber in das Anschreiben sollte man häufiger, genau genommen bei jeder Bewerbung, Zeit und Energie investieren. Auf viele andere Sachen in einem Bewerbungsverfahren kann man kaum Einfluss nehmen, deshalb ist es um so wichtige dass gute Vorarbeit geleistet wird.
Noch einen Tipp für den Öffentlichen Dienst: Immer, das heißt ausnahmslos, darauf hinweisen, wenn man eine Behinderung hat. Diese Bewerbungen werden besonders berücksichtigt, aber eben nur dann, wenn man es weiß.