Hier mal ein Auszug zur Abgrenzung Mehr und Sonderbedarf:
"Mehrbedarf und Sonderbedarf sind wegen der unterschiedlichen Möglichkeiten der Geltendmachung strikt zu unterscheiden. Nach § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist Sonderbedarf ein unregelmäßiger außergewöhnlich hoher Bedarf, der überraschend und der Höhe nach nicht abschätzbar ist und demnach bei der Bemessung des laufenden Unterhaltes nicht berücksichtigt werden konnte. Dagegen entsteht Mehrbedarf durch regelmäßig anfallende erhöhte Kosten.
Die Einordnung von Klassenfahrten ist in der Rechtsprechung uneinheitlich. Überwiegend (OLG Hamm, Beschl. v. 13.09.2000 - 10 UF 178/99 - FamRZ 2001, 444; OLG Jena, Beschl. v. 12.06.1996 - WF 77/96 - FamRZ 1997, 448; OLG Bremen, Beschl. v. 30.10.2002 - 4 WF 100/02 - FamRZ 2003, 1585) wird ein Sonderbedarf mit dem Argument verneint, es entspreche dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, wenn Schulen ab einem gewissen Alter der Kinder Klassenreisen veranstalten. Die Kosten seien voraussehbar und kalkulierbar. Die Gegenansicht (OLG Hamm, Beschl. v. 28.10.2002 - 8 WF 271/02 - FamRZ 2003, 1585 und OLG Hamm, Beschl. v. 05.04.2004 - 11 WF 62/04 - NJW-RR 2004, 1446; OLG Köln, Beschl. v. 29.10.1998 - 14 WF 157/98 - NJW 1999, 295; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.09.2002 - 11 WF 463/02 - OLGR 2003, 32) verweist darauf, dass Klassenfahrten nach Art und Umfang häufig von einer Entscheidung der Klassenpflegschaft im jeweiligen Schuljahr abhängen und deswegen nicht längere Zeit im Voraus feststehen. Im Übrigen sei ein Ansparen der Aufwendungen nicht möglich, wenn lediglich Unterhalt nach den unteren Gruppen der Unterhaltstabellen gezahlt werde. Hinsichtlich der zu erwartenden Kosten wird wesentlich darauf abgestellt, ob der übliche Rahmen nicht überschritten wird (OLG Bremen, Beschl. v. 30.10.2002 - 4 WF 100/02 - FamRZ 2003, 1585) und bei vorausschauender Planung die Kosten vom laufenden Unterhalt abgedeckt werden können. Diese Definition des Sonderbedarfs über die Ansparmöglichkeit wird jedoch vom BGH (Urt. v. 15.02.2006 - XII ZR 4/04 - FamRZ 2006, 612) verworfen (s. jurisPR-FamR 15/06 Anm. 2, Funk).
Nachhilfeunterricht wird ganz überwiegend nicht als Sonderbedarf, sondern als Mehrbedarf gesehen (OLG Hamm, Beschl. v. 04.12.1990 - 3 WF 342/90 - FamRZ 1991, 857; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 06.05.1993 - 5 UF 124/91 - FamRZ 1994, 770; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.07.2005 - 3 UF 21/05 - NJW-RR 2005, 1529; a.A. OLG Koblenz, Beschl. v. 25.09.2002 - 11 WF 463/02 - OLGR 03, 32). Aufgrund von Ergebnissen in Klassenarbeiten oder Mitteilungen der Lehrer seien schulische Probleme regelmäßig längere Zeit bekannt, bevor – längerfristig – Nachhilfe in Anspruch genommen werde. Eine Ausnahme könne gelten, wenn keine dauerhaften Schulschwierigkeiten vorlägen, sondern aufgrund einer konkreten Belastungssituation (Schulwechsel, Krankheit, Trennungsbelastung) kurzfristig eine Hilfe erforderlich sei (OLG Köln, Beschl. v. 29.10.1998 - 14 WF 157/98 - NJW 1999, 295).
Bei der Inanspruchnahme des Unterhaltsschuldners ist sowohl bei Sonderbedarf als auch bei Mehrbedarf zunächst zu prüfen, inwieweit ein Teil der Kosten bereits über den laufenden Unterhalt gedeckt werden kann. Wird Kindesunterhalt i.H.v. 135% des Regelbetrages gezahlt, können etwa 20 € für zusätzliche Bedürfnisse wie Klassenfahrten oder Nachhilfe abgezweigt werden; bei höheren Einkommensgruppen ist diese Summe um die Hälfte des Differenzbetrages zur 6. Einkommensgruppe zu erhöhen. Den verbleibenden Restbetrag des Sonder- oder Mehrbedarfs haben beide Elternteile je nach ihrem Einkommen aufzubringen. Der betreuende Elternteil ist nicht von einer anteiligen Zahlungspflicht befreit (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.07.2005 - 3 UF 21/05 - NJW-RR 2005, 1529)."