Ich selber wohne jetzt schon seit 2,5 Jahren in den USA und muss sagen, dass ich nie einen richtigen Kulturschock hatte. ... Mit Sicherheit gibt es genug Leute, die nach einiger Zeit im Ausland durch eine Krise gehen, aber ich denke man kann das nicht verallgemeinern und behaupten, dass das ganz normal ist.
Es muss nicht jeder einen Kulturschock erleben und jeder Kulturschock ist sozusagen individuell! Manche erleben ihn nie, manche erst wenn sie nach längerer Zeit wieder in die eigene Heimat kommen. Es hängt vom Land ab, der Region, vom ganzen Umfeld und auch von der eigenen Erziehung und den eigenen Lebenserfahrungen. Wer zum Beispiel die US-Niederlassung eines deutschen Unternehmens besucht und meistens mit den dortigen Angestellten (dann meistens auch viele Deutsche) unterwegs ist sieht vielleicht nicht viel von der Kultur der US-Amerikaner.
Der eine kommt gut klar, der andere weniger. Die Masse hat aber schon diverse Probleme. Ich habe schon Studenten erlebt, die im Auslandssemester Rotz und Wasser geheult haben und die dann einen Horror davor hatten ein zweites halbes Jahr im Ausland ein Praktikum machen zu müssen. Viele von denen haben nach dem gesamten Jahr aber plötzlich ganz positiv darüber geredet. Genau das ist die Lebenserfahrung und der Sinn des Auslandsaufenthaltes. Es trägt der eigenen Entwicklung bei, prägt und zeigt einem potentiellen Arbeitgeber, dass dieser Bewerber in einem schwierigen Umfeld zurecht kommt und in der Lage ist sich einzuleben oder einzuarbeiten.
Ich habe vor nächstes semester erstmal praktikum in D zu machen. Da habe ich bereits eine Stelle so gut wie sicher. Thema im Vorstellungsgespräch war auch ein Praktikum im Ausland. War seitens des Unternehmens überhaupt kein Probem, wenn ich mich im Praktiku in D entsprechend mache, denn das setzen die meisten voraus wenn es um ein AUslandspraktikum bei einem deutschen Unternehmen geht: erstmal in D anfangen.
Auf was für eine Art Praktikum (welche fachliche Richtung) hast du dich denn beworben? Was für ein Unternehmen ist es (Größe, Branche)?
Ich will dann schon mal deine Gutgläubigkeit etwas ausbremsen: Eine Bekannte von mir (Studentin Betriebswirtschaft, sie müsste in dem Studiengang nicht ins Ausland) hat sich bei einem 20.000-Mann-Unternehmen beworben, weil sie ihr Praktikum im Ausland bei einer Niederlassung dieses Unternehmens machen will, und zwar in Süd- oder Westeuropa oder USA. Man hat sie mit dem Argument des Auslandspraktikums auch auf einer Hochschulejobmesse angeworben. Im WS 2009/10 solls weg gehen. Sie hat deshalb dort zuerst als Werkstudentin parallel zum Studium gearbeitet. Ihr macht der Job Spaß und mit nur etwa 10 km neben der Hochschule war das auch gut erreichbar. Finanziell hat sie es aber nicht nötig. Seit Februar 2008 ist (war) sie dort.
Jetzt, nach einem Jahr Tätigkeit (anderthalb Tage pro Woche) und ein halbes Jahr vor dem Praktikum, hat sie mal nachgebort wohin sie genau kann. Und dann ging es plötzlich mit Ausreden los. Rezession, andere Projekte im Inland seien plötzlich wichtiger, man könne ihr zum jetzigen Zeitpunkt nun leider doch kein Auslandspraktikum zusichern, etc. pp. Man hat ihr nun vorgeschlagen, dass sie doch das Praktikum in Deutschland machen soll und sie während des Praktikums auch mal für 2 Wochen nach Polen darf. Das müsse ihr doch reichen. Daraufhin hat sie die Kündigung geschrieben. Das war vor zwei Wochen. Man hat dann noch ein wenig gebettelt sie möge doch bleiben, wo anders wird sie schließlich auch nichts finden. Sie wurde ordentlich angeschmiert, ist nun maßlos enttäuscht und versucht jetzt bei einem anderen Unternehmen etwas zu finden, ohne sich erst monatelang im Inland hinhalten zu lassen.
Ähnliche Erfahrungen haben auch andere Studenten an meiner Hochschule gemacht. Vom Auslandsamt wird deshalb schwer geraten, keine langen Verpflichtungen innerhalb Deutschlands einzugehen (in der Hoffnung dass man dann ins Ausland darf). Es muss auch definitv festgelegt werden, wann genau das Praktikum im Ausland sein wird. Aussagen wie "Wir wollen uns den Kandidat erst mal eine Zeit lang anschauen und wenn dann alles passt ihn ins Ausland schicken." gehen regelmäßig zu Lasten des Studenten. Das Argument, man muss sich den Praktikant erst mal im Inland anschauen, ist unsinnig. Scheinregeln der Form "Bei uns geht das nicht anders!" dürfen angezweifelt werden und man sollte zusehen, ein Unternehmen zu finden, das nicht solche fadenscheinigen Ausreden hat. Davon gibt es massig.
Für ein sinnhaltiges Auslandspraktikum MUSS festgelegt werden, was genau im Praktikum zu machen ist und wann der Auslandsaufenthalt sein wird. Auch hier gilt, dass man sich nicht mit "kommen sie erst mal zu uns und dann schauen wir so wie reinpassen." locken lassen sollte. Dann bleibt es meistens beim Kaffeekochen, rumtelefonieren und Schriftverkehr.
Übrigens setzen viele Unternehmen kein langes Praktikum im Inland zwingend voraus. Im Inland wird meistens nur in wenigen Wochen versucht die Unternehmensstruktur dem Praktikanten zu zeigen, den Student in das geplante Projekt einzuweisen und dann soll er gefälligst ins Ausland wo er das Projekt, ggf. im Team, abzuarbeiten hat.
Deine Hoffnung, dass du ins Ausland darfst wenn du dich im Inland entsprechend machst, sehe ich deshalb sehr sehr skeptisch. Nagel deinen Vertragspartner fest, sag du willst ganz genau wissen wann es ins Ausland gehen wird und das wird dann auch schriftlich im Praktikumsvertag niedergeschrieben. Wenn man da nicht entgegenkommen will ist da was faul und du solltest beginnen dir ein Unternehmen zu suchen, dass für das Erreichen deiner persönlichen Ziele besser geeignet ist. Wenn man aus deiner Bewerbung und deinem Vorstellungsgespräch nicht sicher beurteilen will, dass man dich in die ausländische Niederlassung lassen will, bist du aus deren Sicht entweder nicht geeignet oder die haben überhaupt keine Option für dich im Ausland. Man bewirbt sich doch auch nicht in einem Unternehmen als Putzfrau, wenn man dort eigentlich als Berater anfangen will. Deshalb sage ich es mal mit der Werbung einer großen Ladenkette: "Lasst euch nicht verarschen, ..."
Der Aufenthalt im Ausland sollte mindestens ein halbes Jahr dauern, besser ein Jahr. Wenn du davor schon monatelang und auf unbestimmt Zeit in Deutschland "hängst" ist es schon allein aus Zeitgründen unwahrscheinlich dass du hier weg kommst.