Strahlie,
ich finde diese Erklärung sehr gut verständlich und zu merken:
1. Haupt- und Vorfrage
Die kollisionsrechtliche Antwort auf eine Rechtsfrage (Hauptfrage) kann ihrerseits wieder von einer anderen Frage abhängen (sog. präjudizielles Rechtsverhältnis), der Vorfrage. Je nachdem, in welchem Zusammenhang dieses Rechtsverhältnis zu prüfen ist, wird das Problem als Erst‑ bzw. Vorfrage bezeichnet.
Die
Erstfrage (kollisionsrechtliche Vorfrage oder Vorfrage i.w.S.) stellt sich in einer Kollisionsnorm. Hier geht es um eine im Tatbestand der Kollisionsnorm vorausgesetzte Rechtsfrage oder ein Rechtsverhältnis (z.B. eine „Ehe“ für die Ehescheidung in Art. 17 EGBGB). Erstfrage für die Bestimmung des Scheidungsstatuts ist daher das Bestehen einer Ehe.
Eine
materiell-rechtliche Vorfrage (i.e.S.) kann sich aber auch in einer Sachnorm des anwendbaren Sachrechts nach bereits erfolgter Anknüpfung der Hauptfrage, also bei Anwendung des für die Hauptfrage maßgeblichen Rechts stellen (z.B. Bestehen eines Vertrages für den Kaufpreisanspruch nach § 433 BGB, Eigentum für Herausgabeanspruch nach § 985 BGB, Bestehen einer Ehe für die Abstammung). Die materiell‑rechtliche Vorfrage stellt sich dann, wenn die materiell‑rechtliche Sachnorm, die für die Lösung der Hauptfrage heranzuziehen ist, die Existenz oder Nichtexistenz eines Rechtsverhältnisses als Tatbestandsmerkmal voraussetzt.
-> In unserem Skript wird mit der h.M. beides unter dem Begriff der Vorfrage zusammen gefasst. Deshalb die Definition:
Eine Vorfrage stellt sich dann, wenn eine dt. oder ausländische Kollisionsnorm (-> Erstfrage) oder eine davon berufene in- oder ausländische Sachnorm (-> materiell-rechtliche Vorfrage i.e.S.) als Bedingung für den Eintritt der normierten Rechtsfolge ein bestimmtes Rechtsverhältnis oder eine Rechtslage voraussetzen.
(Skript Teil 1, Seite 61)
2. Teilfrage
Teilfragen stellen sich dann, wenn Teile des zur Beurteilung stehenden Rechtsverhältnisses vom Hauptstatut abgetrennt werden und gesondert kollisionsrechtlich zu prüfen sind. Für eine solche Teilfrage besteht regelmäßig eine eigene (gesetzliche) Kollisionsnorm. Vor allem folgende Teilfragen unterliegen einer nicht dem Hauptstatut folgenden speziellen Anknüpfung: Geschäftsfähigkeit (Art. 7 EGBGB), Form des Rechtsgeschäfts (Art. 11 EGBGB) und Vertretungsmacht. Sie sind vom Vertragsstatut (Art. 27 ff. EGBGB) zu unterscheiden.
Ich hoffe, es ist so etwas verständlicher...
🙂
Hier noch ein Link zu einer anderen Übersicht:
https://www.uni-potsdam.de/u/lsandrae/IPR-AT-06.pdf
Meiner Meinung nach liegt hier ein Fehler bei den Folien von Prof. Dr. Prinz von Sachsen Gessaphe vor. Es müsste auf Seite 19 beim zweiten Pfeil nicht "Erstfragen" sondern "Teilfragen" heissen.
Er liest zwar im Video zunächst "Erstfragen" vor, erklärt aber später (ab Minute 42) "Teilfrage".
LG Sabrina