Wie sind geringwertige Wirtschaftsgüter handelsrechtlich abzuschreiben?

Dr Franke Ghostwriter
hoffe jemand von euch weiß näheres:

Wie sind geringwertige Wirtschaftsgüter bis zu einem Wert von 150 Euro handelsrechtlich abzuschreiben? Fallen die Ansätze in Handels- und Steuerbilanz zwangsläufig auseinander nach den neuen Regelungen oder besteht handelsrechtlich ein Wahlrecht da der Bilanzierende i. Seite d. § 254 HGB auch in der Handelsbilanz sofort vollständig abschreiben darf?


Zur Erklärung: Bisher galt für geringwertige Wirtschaftsgüter die umgekehrte Maßgeblichkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG, da der Bilanzierende steuerrechtlich ein Wahlrecht hatte, dementsprechend er ein geringwertiges Wirtschaftsgut vollständig im Jahr der Anschaffung abschreiben durfte. Seit 2008 besteht nun aber steuerrechtlich kein Wahlrecht mehr, sondern ein Zwang zur vollständigen Abschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern bis zu einem Wert von 150 Euro. Die Ausführungen zu diesem Thema in meinen Unterlagen aus dem letzten Semester beziehen sich jedoch noch auf die alten Regelungen, daher meine Frage.



Vielen Dank im Voraus,

Florian
 
Florian,
ich habe die aktuellen Unterlagen. Allerdings ist hier das geringwertige Wirtschaftsgut auch noch mit 410 Euro ausgewiesen.
Es ist jedoch meiner Meinung nach so: bisher galt steuerrechtlich ein Wahlrecht, ein geringwertiges Wirtschaftsgut sofort abschreiben zu dürfen - und wenn man steuerrechtlich abschrieb, musste man auch handelsbilanziell in gleichem Maße abschreiben.
Nun ist man steuerrechtlich dazu verpflichtet, sofort abzuschreiben. Und wegen §5 Abs. 1 und 6 muss man die steuerrechtlichen Spezialnormen über die Bewertung, AfA und AfS beachten. Damit ist meiner Meinung nach klar, dass in der Handelsbilanz derselbe Ansatz zu erfolgen hat - er also abschreiben muss. Oder liege ich falsch?
Liebe Grüße
Andrea
 
Erst mal vielen Dank an Andrea für die Antwort!

Hab mir noch mal Gedanken dazu gemacht und seh das ganze folgendermaßen:

Handelsrechtlich
gilt: Grundsätzlich müssen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens planmäßig abgeschrieben werden. Dabei müssen die Anschaffungskosten auf die Laufzeit verteilt werden. (§ 253 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2) Wenn ich also eine Schreibtischlampe für Netto 50 Euro mit geschätzter Nutzungsdauer von 10 Jahren anschaffe, so kann ich die Lampe linear oder degressiv über 10 Jahre abschreiben, wichtig ist nur, dass sie über die gesamte Nutzungsdauer abgeschrieben wird. Eine vollständige Abschreibung im Anschaffungsjahr ist bei alleiniger Beachtung der Handelsgesetze also nicht möglich.Jetzt wäre zu schauen, ob das Steuerrecht evtl. Rückwirkungen auf das Handelsrecht hat.

Gilt steuerlich ein Wahlrecht, so ist dies in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz auszuüben. (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG). Für das bisher bestehende Wahlrecht zur sofortigen Abschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern galt also: Wird von dem Wahlrecht gebrauch gemacht, so ist auch in der Handelsbilanz sofort abzuschreiben. Das Steuerrecht hat also eine Rückwirkung auf die Handelsbilanz.

Nun besteht aktuell aber kein Wahlrecht mehr. Also greift § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht, da der nur auf Wahlrechte anzuwenden ist. Demzufolge hätte das Steuerrecht aktuell keine Rückwirkung auf die handelsbilanzielle Abschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern. In der Handelsbilanz müsste über die komplette voraussichtliche Nutzungsdauer abgeschrieben werden, steuerrechtlich hingegen sofort im Anschaffungsjahr der vollen Anschaffungsbetrag.

Nun könnte natürlich noch § 5 Abs. 6 EStG greifen, wie Andrea das schon geschrieben hat. Wenn ich aber das Skript Abschnitt 1.5.1 (bei mir Seite 7) richtig verstehe, bedeutet diese Vorschrift, dass für die Steuerbilanz die Spezialnormen des Steuerrechts gelten, und nicht die des Handelsrechts. Der Paragraph sagt also meiner Meinung nach gar nichts darüber aus, wie in der Handelsbilanz vorzugehen ist.


Damit bliebe es dann also dabei, dass in der Handelsbilanz über die gesamte Nutzungsdauer, in der Steuerbilanz hingegen schon im Anschaffungsjahr vollständig abgeschrieben werden muss.


Oder übersehe ich irgendeinen Paragraphen, aufgrund dessen doch eine Rückwirkung des Steuerrechts besteht?

Grüße,
Florian
 
Florian,
Du hast Recht. Es ist beim geringwertigen Gut jetzt Pflicht, steuerrechtlich sofort abzuschreiben, während man handelsbilanziell auch linear abschreiben darf. Da ich das so nicht interpretiert hätte, habe ich beim Lehrstuhl bei Herrn Vogelsang nachgefragt. Er hat es mir sofort beantworten können.
Für die Klausur bedeutet das aber auch, dass man höllisch aufpassen muss, in welchem Jahr man sich gerade befindet. Denn wenn man im Jahr 2007 ist, muss man nach altem Recht bilanzieren, ab 2008 nach neuem Recht.
Liebe Grüße,
Andrea.
 
Vielen Dank für deine Mühe!

Ist echt blöd mit den unterschiedlichen Regelungen für verschiedene Anschaffungsjahre. Ein ähnliches Problem haben wir ja mit der degressiven Abschreibung. Da kann man dann in der aktuellen Gesetzausgabe nicht mal nachlesen wie es vorher war, weil die entsprechenden Absätze einfach weggefallen sind.

Viele Grüße,
Florian
 
Florian,
ich habe mir dieses Jahr mal wieder das aktuelle Einkommensteuerrecht von Beck gekauft. Da stehen die alten Fassungen noch drin. Also bei §7, Abs. 2 und 3 sind Balken an den Rändern, es steht drin, dass die Regelung wegfällt, aber der ursprüngliche Gesetzestext ist noch gedruckt, in neuerer und alter Fassung.
Liebe Grüße, Andrea
 
Florian und Andrea

Nochmal ne Frage zur Afa bei geringwertigen Wirtschaftsgütern.

Es heißt ja in § 5 Abs.1 Satz 2 EstG dass steuerliche Wahlrechte bei der steuerlichen Gewinnermittlung nur in Überienstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz ausgeübt werden dürfen.
Also für vor 2008 bedeutet das: Schreibe ich steuerlich gleich ab mache ich das auch handelsbilanzel bzw. schreibe ich steuerlich linear ab mache ich das auch handelsbilanziel. Richtig ?
Und wenn ich euch richtig verstehe heißt das für ab 2008: Steuerlich muss ich sofort abschreiben, aber handelsbilanziel muss ich linear abschreiben ?

Habe ich das richtig verstanden ?

Hölle diese Änderungen die man sich jetzt selbst suchen muss 😕

Grüße Sandra
 
Sandra,
wenn ich §254 HGB richtig deute, kann in der Handelsbilanz auch die Abschreibung aus der Steuerbilanz übernommen werden. Das heißt also: Steuerlich: GWG muss voll abgeschrieben werden. Handelsbilanz: GWG kann voll abgeschrieben werden, muss aber nicht.
LG Andrea.
 
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