Wie verträgt sich die Sollversteuerung mit dem Realisationsprinzip?

Dr Franke Ghostwriter
eigentlich verrät der Titel bereits sehr gut meine Frage:
Nach dem Realisationsprinzip dürfen Gewinne nur verzeichnet werden, wenn auch tatsächlich schon Einnahmen auszuweisen sind (=> Vorsicht).

Nur wie verträgt sich das mit der sehr üblichen Soll Versteuerung von Unternehmen, bei der Gewinne auch schon dann ausgewiesen werden dürfen, wenn zwar die Rechnung gestellt, jedoch noch kein Zahlungseingang vorhanden ist?

Viele Grüße,
Kevin
 
Steuerrechtlich werden nicht realisierte Gewinne in anderer Weise berücksichtigt.

Handelsrechtlich hast du recht: Laut Realisationsprinzip dürfen nicht realisierte Gewinne auch noch nicht ausgewiesen werden. Dies dient dem Schutz der Gläubiger und wird auch als Vorsichtsprinzip bezeichnet.

Steuerrechtlich jedoch, müssen nicht realisierte Gewinne bereits ausgewiesen werden. Durch die steuerrechtlich ausgewiesene Bilanz wird die Höhe der Steuerabgaben berechnet....da ist's ja klar dass der Staat so viel wie möglich abstauben möchte 😉

Diese ungleiche Behandlung des Gewinns, steuerrechtlich und handelsrechtlich, wird als Imparitätsprinzip bezeichnet.

Gruß
Nina
 
Nina,

vielen Dank für deine Antwort!
1. Die steuerrechtliche Behandlung der Gewinne ist aber doch abhängig davon, ob das Unternehmen soll oder istversteuert ist, oder? Gibt es hier eigentlich Bestimmungen, welche Unternehmen wie versteuert sein müssen (soll oder ist)?
2. Bedeutet Imparitätsprinzip nicht nur, dass Verluste angegeben werden müssen, sobald sie erkennbar sind?

Viele Grüße,
Kevin
 
Zu 1.
Das kann ich dir leider nicht beantworten...

Zu 2.
...das dachte ich am Anfang auch... 🙂
Das Imparitätsprinzip beschreibt jedoch lediglich die ungleiche Behandlung der Gewinne und Verluste.
Im Gegensatz zu Gewinnen, die erst bei Realisation ausgewiesen werden dürfen, müssen Verluste bereits dann ausgewiesen werden, wenn sie zu erwarten sind.

sonnige Grüße :cool
 
Kevin,

zweiter Versuch (erste Nachricht war auf einmal weg!):

Ich kenne den Lehrbrief nicht, aber vielleicht hilft Dir das Nachfolgende weiter:

Die Unterscheidung zwischen Ist -und Sollversteuerung existiert nur in der Umsatzsteuer. Dabei ist die Sollversteuerung (vereinbarte Entgelt, wenn die Leistung ausgeführt wurde) die Regel (§ 16 (1) Seite 1 UStG). Eine Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten (also wenn Du das Geld bekommst) ist nur auf Antrag möglich, wenn gewisse Voraussetzungen vorliegen (§ 20 UStG). Bei der ESt wird nur zwischen den verschiedenen Gewinnermittlungsarten unterschieden.

Das Imparitätsprinzip besagt nur die Ungleichbehandlung von Verlusten und Gewinnen (§ 252 (1) Nr. 4 HS 1 HGB) u. hat nichts mit der Unterscheidung HR/StR zu tun. Auch im Steuerrecht erfolgt i.d.R. keine Teilgewinnrealisation (trotz "Gier" des FA).

Ich hoffe, ich habe nicht zu noch größerer Verwirrung beigetragen.
 
Anja,

Dass die Unterscheidung Soll/Ist nur für die Umsatzsteuer gilt wusste ich nicht. Vielen Dank.

Das heisst im Steuerrecht gilt das Realisationsprinzip gar nicht? Sobald ein Unternehmen eine Rechnung an ein anderes schreibt wird der Nettobetrag als Gewinn erfasst? Ganz egal, ob Geld schon geflossen ist?

Viele Grüße,
Kevin
 
Hallo Anja,

Dass die Unterscheidung Soll/Ist nur für die Umsatzsteuer gilt wusste ich nicht. Vielen Dank.

Das heisst im Steuerrecht gilt das Realisationsprinzip gar nicht? Sobald ein Unternehmen eine Rechnung an ein anderes schreibt wird der Nettobetrag als Gewinn erfasst? Ganz egal, ob Geld schon geflossen ist?

Viele Grüße,
Kevin
Die erfolgswirksame Verbuchung hat eigentlich zu erfolgen, sobald die Leistung die Leistung erbracht wurde. Die Rechnungsstellung ist hierfür erstmal unerheblich.
Da i.d.R. die Rechnungenerstellung zeitgleich mit der Leistungserbringung erfolgt bzw. ohne das Vorliegen einer Rechnung die Leistung schwer zu beurteilen ist, wird die Rechnung überwiegend als Buchungsunterlage genommen.

Der Geldfluss hat keine Auswirkungen mehr auf die Realisation des Gewinns/Verlusts (mal von etwaigen Bankgebühren abgesehen).
Das ist auch leicht aus der Buchung des Zahlungseingangs nachzuvollziehen: Bank an Forderungen. Hierbei wird kein GuV-Konto angesprochen. Der Gewinn muss also schon im Vorfeld mit Einbuchung der Forderung realisiert worden sein.
 
Gibt es nichts mehr was den Kaufmann dann schützt?
Nur weil eine Dienstleistung erbracht und die Rechnung gestellt wurde bedeutet das ja noch nicht, dass auch noch Geld fließen wird? Ist es hier rechtens nach dem Prinzip der Vorsicht zu handeln und die Rechnung erst dann als Gewinn zu verbuchen, wenn Geld geflossen ist?
Oder MUSS ich es als Gewinn verbuchen.. kann jedoch im Fall einer OHG nach kaufmännischem Verstand Forderungen abschreiben?
 
Kevin,
ich hatte Dir heute Nachmittag noch eine Antwort in Dein pers. Profil geschrieben, da ich im Forum irgendwie Probleme hatte.

Tja, was ist gerecht???😀
Wenn Du bilanzierst, dann musst Du die Umsätze in das Jahr buchen, in das sie gehören (sprich in dem die Leistung erbracht wurde). Ob Du das Geld siehst, interessiert den Fiskus zunächst nicht.
Am Jahresende schaust Du Dir dann die Forderungen an, wie werthaltig sie noch sind. Dann buchst Du ggf. eine Einzelwertberichtigung auf die Forderung. Aber zunächst zu sagen, dass Du den Gewinn nicht ausweist, weil Du noch nicht sicher bist, ob Du das Geld bekommst, das läuft nicht.
Dafür darfst Du ja auch die Aufwendungen schon geltend machen, auch wenn Du die Rechnungen noch nicht bezahlt hast.
Bei einem Freiberufler ist das natürlich was anderes. Er ist nicht bilanzierungspflichtig und macht i.d.R. eine Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 (3) EStG). Die Einnahmen werden grds. erst bei Zufluss erfasst und die Ausgaben ebenfalls bei Zahlg.

LG
Anja
 
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