Dabei stellt sich die Frage, wie weit dieses Urteil auf unseren EA-Fall im Ergebnis übertragbar ist. Für den Weg der Prüfung gibt es jedenfalls eine Menge Anregungen - ich denke aber, daß man durchaus zu einem abweichenden Ergebnis gelangen kann, da es im Urteil um den Widerrruf umfangreicherer Lohnbestandteile geht, in der EA aber lediglich um den Fahrtkostenersatz.
Außerdem meine ich, einen Fehler in der Rechtsanwendung gefunden zu haben 🙂
Im Aufgabentext hätte ich gerne die Angabe, ob es sich bei dem hier konkret in Frage stehenden Fahrtkosteneratz um den Ersatz von Aufwendungen handelt, die der Arbeitnehmer den Umständen nach für erforderlich halten durfte und die er "im Auftrag" des Arbeitgebers aufwenden mußte (etwa Fahrtkosten, die durch Montagetätigkeit bei verschiedenen Kunden entstehen) oder ob es sich einfach um eine nette Geste des AG handelt, der dem AN die Kosten der täglichen Fahrten zwischen Arbeitsplatz und Wohnung erstatten möchte, die an sich in der Sphäre des An liegen und für gewöhnlich vom AN selbst getragen werden. Der Unterschied ist für die Einordnung entscheidend ... - nu steht dazu aber mal nix drin in der EA 🙁
Diskussion des BAG-Urteils:
Ziffer 45: In § 315 BGB steht neben dem Maßstab des billigen Ermessens, dem die Leistungsbestimmung des AG zweifellos genügen muß, ein weiteres entscheidendes Kriterium: Im Zweifel ! Die Leistungsbestimmung ist also nur dann nicht beliebig, wenn zu den Kriterien der Bestimmungsfindung nichts vereinbart ist. Man könnte also ein zwei Worte zu einer entsprechenden Auslegung der Vereinbarung verlieren. Hier wurde vereinbart, daß die Leistung "jederzeit unbeschränkt" widerruflich ist. Ist also "unbeschränkt" nur auf den Umfang der Leistungskürzung zu beziehen oder war damit auch gemeint, daß der Widerruf überhaupt keines Grundes bedarf, weil es sich eben um eine freiwillige Leistung des AG handeln sollte ? Im zweiten Fall wäre der Maßstab des billigen Ermessens also nicht anzuwenden !
Ziffer 42: Im Ergebnis hält das BAG die Bestimmung des Art. 229 § 5 EGBGB anscheinend für verfassungswidrig und legt die an sich zwingende Unwirksamkeit der gesamten Klausel deshalb "verfassungskonform" aus mit dem Ergebnis, daß die Klausel nicht gänzlich unwirksam sei, sondern eine ergänzende Vertragsauslegung stattfinden solle. Ob das richtig ist, überfordert mich im Moment - zunächst steht mal eindeutig im EGBGB, daß die §§ 307 ff. auf Altverträge anwendbar sind. Ich werde mich einfach daran halten, ist ja keine Verfassungsrechts-EA.
Ich werde in meinem Gutachten schon gar nicht zu dieser Frage kommen, weil ich die Widerrufsklausel für wirksam halte - m.E. hat das BAG hier die §§ 308 Nr.4, 307 I falsch angewendet:
Ziff. 35: Warum muß sich "aus der Klausel selbst ergeben, dass der Widerruf nicht ohne Grund erfolgen darf" ? Hier muß ich mir noch eine sehr gute Argumentation überlegen - im Moment kann ich nicht sehen, wo diese Wertung im Gesetz zum Ausdruck kommt. Ich sehe vielmehr den Grundsatz der Privatautonomie, der hier (unzulässig ?) beschnitten ist. Es muß möglich sein, daß die Arbeitsvertragsparteien miteinander vereinbaren können, daß der Arbeitgeber in bestimmten Grenzen nach freiem Belieben eine Bestimmung treffen darf. Ich spreche also nicht von den Grenzen des Umfangs der Leistungen, über die der AG disponieren dürfen soll, sondern von der Beliebigkeit der Willensentscheidung.
Daß innerhalb von Grenzen der Widerruf übertariflicher Leistungen auch mit den §§ 307 ff. vereinbar ist, das führt das BAG ja selbst sehr klar aus.
Dann aber soll plötzlich - ungeachtet der Frage des Umfangs der Kürzung - aus der Vertragsklausel auch bereits hervor gehen müssen, aus welchen Gründen ein Widerruf in Betracht kommt. Das ist falsch: Der § 308 Nr. 3 enthält zwar diese Bestimmung, dort ist explizit angeordnet, daß die Gründe im Vertragstext enthalten sein müssen und die Klausel andernfalls unwirksam ist. Der § 308 Nr. 3 ist aber nicht auf Dauerschuldverhältnisse anwendbar. Im Gegensatz zum § 308 Nr. 4 - dort steht aber explizit nichts vom Vertragstext. Der § 308 Nr. 4 ist also weiter gefasst als der § 308 Nr. 3. Das könnte doch den Grund haben, daß hier auch an die Anpassung der Vertragsbedingungen an Dauerschuldverhältnisse gedacht ist, bei denen es naturgemäß nicht bereits beim Abfassen des Vertragstextes möglich ist, alle zukünftigen Entwicklungen vorherzusehen. Das BAG verlangt das zwar nicht, sondern meint, man könne die Schranken der Zulässigkeitsgründe des Widerrufs auch allgemein fassen - aber selbst diese Foderung findet sich nicht im Gesetz. Das BAG argumentiert, der § 308 Nr. 4 sei eine Konkretisierung des § 307, weshalb auch die Wertungen des § 307 bei der Beurteilung des § 308 Nr. 4 berücksichtigt werden müssten - das ist aber keine Rechtfertigung dafür, sich einfach über den klaren Gesetzeswortlaut hinweg zu setzen. Daß in § 308 Nr. 4 nichts vom Vertragstext steht, ist Absicht. Es ist auch sinnvoll, denn so lassen sich auch Jahre nach Vertragsschluß noch Veränderung an der Leistung vornehmen. Es besteht dabei auch nicht die Gefahr, daß die einseitige Leistungsbestimmung dann von der Willkür der leistungsbestimmenden Partei abhängt, denn es gibt ja immer noch den § 315, nach dem die Leistungsbestimmung billigem Ermessen genügen muß.
Ich werde in meinem Gutachten also die Klausel zum Widerruf der Fahrtkostenerstattung nicht an § 308 Nr. 4 scheitern lassen.
Weiter sehe ich wegen der hohen Umsatzeinbußen einerseits und dem Verbelib eines immer noch übertariflichen Lohns andererseits die Bestimmung auch in den Grenzen billigen Ermessens.
Die Frage, ob dann nicht dennoch eine Bestimmung zum Fahrtkostenersatz aus dem Tarifvertrag oder aus den BGB-Vorschriften zum Verwendungsersatz (Auftrag analog) greifen, muß ich noch näher bedenken.