Zuerstmal kannst Du dein Problem mit den Makromodellen des Grundstudiums nicht darstellen, weil der Zins da endogen ist. Geldpolitik wird in diesen Modellen durch eine Änderung der Geldmenge M bewerkstelligt.
Eine solche Steuerung ist aber in der Praxis nicht möglich, weil die EZB nur Zentralbankgeld bereitstellen kann. In gewissem Maße müssen die Geschäftsbanken das auch nachfragen: erstens brauchen sie ja Bargeld und zweitens müssen sie eine Mindestreserve bei der EZB halten. Darüber hinaus kann die EZB die Geschäftsbanken aber nicht zwingen, Zentralbankgeld nachzufragen. Die Geldmengenaggregate M1-M3 bestehen aus jeder Menge anderen geldähnlichen Wertpapieren, mit deren Entstehung die Zentralbank aber auch gar nichts zu tun hat.
Das zweite Problem mit den GS-Modellen ist, dass sie statisch sind. Du kannst zwar über eine Änderung der Geldmenge eine Änderung des Preises erreichen, aber das ist eine einmalige Änderung. Inflation bedeutet aber ein dauerhaftes (!) Ansteigen des Preisniveaus.
Warum kann nun eine Leitzinssenkung möglicherweise Inflation begünstigen? Es gibt eine ganze Reihe möglicher Erklärungen. In der Praxis ist es wohl so, dass eine Zinssenkung als Signal verstanden wird, dass die Zentralbank eine lockerere Geldpolitik betreibt. Das ist ganz einleuchtend: zum Beispiel wird die Kreditvergabe der Banken einfacher, weil sie sich wegen der sinkenden Zinsen billiger refinanzieren können. Wenn aber mehr Leute an (geliehenes) Geld kommen, steigt die Geldmenge – und damit die Preise.
Hinzu kommt, dass das Signal der Zentralbank natürlich auch zur Erwartungsbildung genutzt wird. Wenn ich nun also weiß: lockere Geldpolitik = steigende Preise, erwarte ich also eine höhere Inflation. Die Inflationserwartung führt nun aber auch zu tatsächlicher Inflation – z.B. weil die Gewerkschaften in den Tarifverhandlungen entsprechend höhere Löhne verlangen. Diese werden dann vielleicht wieder auf den Güterpreis aufgeschlagen usw.
So kann – wohlbemerkt: kann – ein geringerer Zins zu Inflation führen. Die Schwierigkeit der EZB ist, dass noch eine Menge anderer Faktoren hereinspielen, z.B. die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes, die sich durch Innovationen (Geldkarte) ständig verändert.
Der Zusammenhang ist deshalb auch eher locker: in Spanien gab es in den vergangenen Jahren eine höhere Inflation als in Deutschland, obwohl beide Länder zur Eurozone gehören – und mithin den gleichen Leitzins haben. Eine Erklärung: in Spanien gab es eine Immobilienblase, die Grundstücke stark verteuert hat. In Deutschland gab es das nicht.
In Deutschland wird aber in der Berichterstattung trotzdem immer auf diesen Zusammenhang hingewiesen, weil die Inflationsaversion hier historisch bedingt extrem hoch ist.
Wenn Du das detaillierter wissen willst: ein gut verständliches Lehrbuch ist "Europäische Geldpolitik" von Görgens u.a.