LUCAS-Kritik und Trade-Off

Dr Franke Ghostwriter
LUCAS-Kritik und Trade-Off

Hallo,

eins will mir nicht so richtig in den Kopf. Die Kritik von LUCAS besagt ja, daß bei Ausnutzung des Trade-Offs durch eine veränderte Wipo der Trade-Off verschwindet. Trade-Offs in der Vergangenheit wären kein Anlaß zu glauben, daß es diese auch zukünftig gibt.
1. Gibt er damit nicht aber zu, daß es tatsächlich einen Trade-Off geben kann trotz rationaler Erwartungen ?
2. Gibt es Anpassungsprobleme (b<1) bei LUCAS, die einen Trade-Off ggfs. begründen könnten ?

Wäre schön, wenn einer von Euch was dazu wüßte. Viel Zeit bleibt ja nicht mehr 🙄.

sisa
 
Dass es tatsächlich trade-offs gegeben hat oder gibt, bestreitet Lucas ja gar nicht. Schließlich ist der Zusammenhang ja empirisch nachgewiesen worden – von den Herren Phillips (für GB) und Solow/Samuelson (für die USA). Und WEIL es diesen empirischen Nachweis gab, sind diese Herren auf die Idee mit dem trade-off gekommen.

Was den Kollegen Lucas störte, war die Annahme, dass man aus diesem empirischen Nachweis eines statistischen Zusammenhangs (! – und mehr ist das ja erstmal nicht) den Schluss gezogen hat, man könne frei wählen zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit. Wie Kanzler Schmidt damals sagte: "Lieber 5% mehr Inflation als 5% Arbeitslosigkeit". (Der Weltökonom Schmidt hätte es besser wissen müssen; diese Ansicht war damals schon nicht mehr up to date...)

Lucas sagt: Ein solches "Wahlmenü" gibt es nicht. Und der Grund ist auch eigentlich mehr ein formaler. Wenn man ein ökonometrisches Modell einer Volkswirtschaft erstellt, dann gehört die Politik zu den Parametern, nicht den Variablen. Wenn sich also die Politik ändert, kann man nicht einfach schauen: wie ändern sich die Variablenwerte? Man muss das Modell völlig neu bauen, weil die neue Politik sozusagen ein neues Gleichungssystem verursacht. Man kann mit den alten Gleichungen nicht die Wirkung einer neuen Politik untersuchen. Das ist die Lucas-Kritik.

Ansonsten führt Wagner ja recht ausführlich aus, dass auch die Neuklassiker (also Lucas & Co.) durchaus die Existenz von Schwankungen bei Inflation und Arbeitslosigkeit nicht leugnen. Sie interpretieren das entweder als Informationsmangel (trotz rat. Erw.) oder als neuen Gleichgewichtszustand.
 
Danke, Kridbonn.

Ich dachte immer, er bestreitet den Trade-Off zwischen AL und Inflation. Das ist dann ja wohl falsch.
Er kritisiert also nur die formale Vorgehensweise, das alte Modell mit einer neuen Politik zu betrachten ? Es könnten demnach evtl. wieder Trade-Offs auftreten, müssen aber nicht.
In den Klausuren wird aber doch davon ausgegangen, daß es bei rationalen Erwartungen keinen Trade-Off gibt, da es keine Erwartungsfehler gibt.

Herzlichen Dank nochmal, ich glaub, jetzt hab ichs verstanden.

sisa
 
Ich dachte immer, er bestreitet den Trade-Off zwischen AL und Inflation. Das ist dann ja wohl falsch.

Genau. Er bestreitet nur, dass die Politik einen eventuellen trade-off ausnutzen kann. Sobald die Politik das versucht, ändern sich die Parameter des Modells und der trade-off verschwindet.

In den Klausuren wird aber doch davon ausgegangen, daß es bei rationalen Erwartungen keinen Trade-Off gibt, da es keine Erwartungsfehler gibt.

Ja, nee – Vorsicht! Rat. Erw. bedeutet nur, dass die Leute im Schnitt (!) keine Erwartungsfehler machen. Einzelne Prognosen können durchaus mal schief gehen.

Und Lucas selbst konstruiert ja den Fall, dass eine einzelne Branche eine unerwartet starke Inflation als relative Nachfrageänderung missdeutet. Die glauben also, dass nur der Preis ihres Gutes stark steigt, weil ihr Gut mehr nachgefragt wird. Folge: diese Branche produziert dann mehr und die Alo geht zurück.
 
Er sagte wortwörtlich:

"Sie werden fragen, wie lang ist temporär eigentlich? Ich kann basierend auf einigen Untersuchungen der empirischen Fakten höchstens eine Prognose wagen, dass der anfängliche Effekt einer höheren unerwarteten Inflationsrate etwa zwei bis fünf Jahre andauert; dass dieser anfängliche Effekt dann umgekehrt wird; und dass die völlige Anpassung der Beschäftigung an die neue Inflationsrate solange dauert, wie die der Zinssätze, sagen wir, ein paar Jahrzente."

Aus: The role of monetary policy, 1968

Wahrscheinlich kannte das H. Schmidt nicht, oder er hat nicht daran geglaubt. Außerdem kam der Ölpreisschock erst später, der die erwartungsbildung der deutschen ja ganz massiv beeinflusst haben soll.

So, jetzt genug von diesem Thema, muss weiter Außenwirtschaftstheorie machen.
 
Naja, Schmidt ist zwar Dipl.Vw, aber das heißt ja nicht, dass man Jahre nach dem Studium immer noch up to date mit der aktuellen Forschung sein muss.

Außerdem konnten die Keynesianer ja durchaus auf Erfolge verweisen, z.B. bei Kennedy in den USA und das Duo Strauss/Schiller in der großen Koalition. Und letztlich hat George Dabbelju Bush seine Volkswirtschaft nach 9/11 auch wieder flott gemacht – mit reiner keynesianischer Politik... 😀😀

Nur bei Schmidt, da hat's halt nicht funktioniert...
 
Und Schmidt war Leutnant bei der Flakabwehr, bevor er nach dem zweiten Weltkrieg in Hamburg VWL studierte. War Schiller nicht eigentlich Kommunist? Oder war das Wehner, ich glaub ich vertue mich da. Jedenfalls kann man schon sagen, dass Politiker damals noch ein Handwerk gelernt hatten. Ludwig Erhard war schließlich auch Ökonomie Professor. Heute findet man so etwas gar nicht mehr. Obwohl, H. Pinkwart hat glaube ich auch einen Lehrstuhl in Siegen. Allerdings für BWL, aber die BWLer haben ja eh keine Ahnung (hüstel, war ein Witz).
 
Und letztlich hat George Dabbelju Bush seine Volkswirtschaft nach 9/11 auch wieder flott gemacht – mit reiner keynesianischer Politik... 😀😀

Was dabei noch interessant ist, wie ich finde, ist dass G. W. Bush beim 90. Geburtstag von Friedman sich ganz offiziell zu seiner "liberalen" Wirtschaftspolitik bekannt hat. Und was hat er dann gemacht? Staatsausgaben hoch gedreht, genau das Gegenteil.
 
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