Übungsaufgabe 8b im Skript Grundlagen der Leistungserstellung Kurseinheit 1

Dr Franke Ghostwriter
Ist jemand in der Lage die im Skript angegebene Lösung von Q=134,16 zu erklären?
Ich halte sie für falsch. Ich bin der Meinung, dass Q=120 die richtig Lösung ist.

Wenn ich die Kosten für den Fall Q= 134,16 Tonnen betrachte, muss ich berücksichtigen, dass ich nach der Zeit von (559/625) Jahren also nach vier Bestellungen kein Material mehr habe. Das Material von vier Bestellungen ist aufgebraucht. Wenn ich also die Menge von 600 Tonnen im Jahr produzieren will, muss ich nochmals Material in der Menge von (600 - 4*134,16) = 63,36 Tonnen bestellen. Dies erzeugt aber zusätzliche Kosten von 150 €. Damit ergeben sich die Gesamtkosten zu
750 € nämlich 5 Bestellungen plus 600 € nämlich die Lagerkosten für die ersten 4 Lieferungen [10 *134,16 *(1/2)*(559/625) Achtung, dieses Material wird nicht das ganze Jahr gelagert sondern nur 559/625 Teile des Jahres] zuzüglich der Lagerkosten von der letzen Bestellung also 63,63*(1/2)*10*(66/625) = 33,45 € und damit zu 1383,45 €.

Falls ich von 5 Bestellung zu jeweils 120 Tonnen ausgehe, ergeben sich die Gesamtkosten zu 750 € für die 5 Bestellungen zuzüglich der Lagerkosten von 10*120*1/2=600 € also zu 1350 €.

Was ist an meinen Überlegungen falsch?

Herzliche Grüße
Hans Joachim
 
Ich kann es gedanklich bis dorthin nachvollziehen, wo du sagst, man braucht eine fünfte Bestellung mit 63,36 t, die dann auch wieder Kosten von 150GE verursacht.

Später mit den Lagerkosten, die du auf 559/625 Teile usw. aufteilst, wird es mir zu kompliziert ... Aber ich finde, wenn es schon eine "unkomplizierte" Formel zur Berechnung des gefragten Wertes gibt, dann sollte man diese auch anwenden und sich nicht so viele Gedanken machen.
 
Es kommt doch darauf an die Kosten zu berechnen und nicht eine simple Beziehung abzuleiten.

Übrigens kommt 559/625 aus der Tatsache, dass vier Bestellungen von 134,16 Tonnen genau nach dieser Zeit 559/625 Jahre verbraucht sind. die Lagerkosten in der verbleibenden Zeit sind natürlich geringer.Deshalb ist dieser Punkt wichtig.

Deine Argumentation verstehe ich nicht. Ich will nicht Formel lernen, sondern Zusammhänge verstehen.

Gruß,
Hans Joachim
 
du hast natürlich Recht, dass es besser wäre die Zusammenhänge 100%ig zu verstehen (dann müsste man überhaupt keine Formeln lernen ...) 🙄

habe mir nun Aufg. 2 aus der Klausur vom 23.03.2011 angesehen, wo ebenfalls die HARRIS Formel vorkommt.

Angabe:
Jahresbedarf x=1200,
fixe Bestellkosten c=32
Lagerkosten l= 0,25 monatl.

habe folg. berechnet:
Q*= 160 (lt. Musterlösung richtig)
h=7,5
K-B: 256 (32*8) -> lt. Musterlösung 240 (32*7,5)

was meinst du dazu: die Bestellkosten sind doch fix, unabhängig von der bestellten Menge, also 8 Mal zu bezahlen (auch wenn ich bei der 8. Bestellung nur die halbe Menge benötige). Ist die Musterlösung falsch oder habe ich einen Denkfehler ?
 
Hans-Joachim,
Für die Realisierung von Q= 134,16... ME zur Beschaffung von x = 600 ME werden nicht 5 Bestellungen benötigt, sondern nur x/Q = 600/134,16... = 4,47... Bestellungen. Das ist zwar nicht sehr zufriedenstellend (weil praxisfern), aber es folgt aus der Grundannahme des Harris/Andler Modells, das die Beschaffungskosten KB = c* x/Q sind und x/Q, also die Anzahl der Bestellungen (genauso die Bestell-, Lager- und Gesamtmenge), reell wertig ist und nicht auf die ganzen Zahlen beschränkt ist. Das erkennst Du an der Herleitung der Harris/Andler Formel, bei der die Gesamtkosten K(Q) = KB(Q) + KL(Q) minimiert werden und für jedes (!) Q Stetigkeit und Differenzierbarkeit von K und damit von KB angenommen wird.
Die Gesamtkosten sind für Q = 134,16...
K
= KB + KL
= c * x/Q + 0,5 * Q * l * T
= 150 * 600/134,16.. + 0,5 * 134,16... * 10 * 1
= 1341,64... GE
und das ist weniger als wenn 5 mal die Menge 120 bestellt wird (1350 GE).
Das Beispiel zeigt eine Grenze des Harris/Andler-Ansatzes. Das die Anzahl der Bestellungen nicht auf ganze Zahlen beschränkt ist, muss als Teil der Modellannahmen berücksichtigt werden. Das ist der Preis für die Einfachheit der Formel. Harris/Andler bietet eine einfache Lösung bei vereinfachten Annahmen (reell wertige Anzahl von Bestellungen x/Q, beliebig teilbare (also reell wertige) Bestell-, Lager und Gesamtmengen Q und x).
Liebe Grüße
 
die Aufgabenstellung ist so fomuliert, dass sie mit dem gesunden Menschenverstand gelöst werden kann. Da konkret der Planungzeitraum auf ein Jahr begrenzt ist, ist die Lösung einfach falsch.Wenn ich pro Bestellung die angegebene Menge bestelle, habe ich entweder zu hohe Kosten im Jahr oder ich kann die pro Jahr zu produzierende Menge nicht produzieren..

Falls aber angegeben wird, dass als Planungszeitraum unendlich angenommen wird, wie es wohl in alten Klausuren vorgekommen sein soll, ist die Lösung richtig.

Gruß,
Hans Joachim
 
Hallo Chrissi,
die Aufgabenstellung ist so fomuliert, dass sie mit dem gesunden Menschenverstand gelöst werden kann.
Nein, das stimmt nicht. Die Aufgabe soll mit dem vorher vorgestellten Lösungsansatz für die optimale Bestellmenge gelöst werden, d.h. das Lösungsmodell und der Lösungsraum sind vorgegeben: HARRIS klassische Bestellmengenformel (und nicht der gesunde Menschenverstand).
Es gibt viele andere Ansätze und Verfahren mit unterschiedlichen Annahmen und Restriktionen zur Berechnung einer optimalen Bestellmenge (z.B. Wagner/Whitin-Verfahren, Dixon/Silver-Heuristik), siehe Modul Materialwirtschaft. In dieser Kurseinheit hier geht es um das einfachste Modell, nämlich die optimale Bestellmengenformel nach Harris (Minimierung von K =KL+KB in den reellen Zahlen) und um nichts anderes (!).
Da konkret der Planungzeitraum auf ein Jahr begrenzt ist, ist die Lösung einfach falsch.
Gelöst nach dem Harris-Ansatz ist die Lösung richtig und es gibt keine andere. In Materialwirtschaft lernt man noch andere Lösungsansätze und die Aufgabenstellung lautet dann: Berechnen Sie die optimale Bestellmenge, die sich nach Ansatz XY (z.B. Wagner/Whitin, Harris, etc.) ergibt. In dieser Aufgabe hier ist die Lösung gefragt, die sich nach Harris ergibt. Das war für den Aufgabensteller so offensichtlich, dass er es nicht dazu geschrieben hat, es geht in der KE schließlich um dieses Verfahren.

Störe Dich nicht daran, dass nach Harris die berechnete Bestellmenge NICHT optimal ist, wenn man eine ganzzahlige Bestellhäufigkeit (Anzahl der Bestellungen) zugrunde legt. Diese Restriktion kennt der Harris-Ansatz nicht, d.h. Harris gibt die optimale Bestellmenge an, wenn eine reell wertige Bestellhäufigkeit angenommen wird.

Liebe Grüße
 
Wenn ich pro Bestellung die angegebene Menge bestelle, habe ich entweder zu hohe Kosten im Jahr oder ich kann die pro Jahr zu produzierende Menge nicht produzieren
Das ist nur der Fall, wenn Du eine ganzzahlige Anzahl von Bestellungen annimmst, aber das darfst Du bei Harris nicht, denn bei Harris ist die Anzahl der Bestellungen eine reelle Zahl. Im Beispiel ergibt sich 600/134,16... = 4,47... als optimale Anzahl von Bestellungen (Bestellhäufigkeit).
Liebe Grüße
 
Die Aufgabenstellung nimmt keinerlei Bezug auf das zu verwendende Verfahren. Innerhalb eines festgelegten Zeitraumes ist die Anzahl der Bestellungen ganzzahlig. Somit ist die angegebene Lösung einfach falsch.

Ich stelle in der Lösung der Aufgabe ein Denken fest, dass ich bisher nur in der Wirtschaftswissenschaft kennengelernt habe: Das Modell ist alles; die Realität ist nichts.
So werden ja gerade in den Anfängervorlesungen ständig Modelle dargestellt, die in der Vorleseung niemals mit der Realität verglichen werden.Doch vielleicht ist dies ein typisches Vorgehen für eine Vorwissenschaft, denn eine Wissenschaft ist das, was als Wirtschaftswissenschaft bezeichnet wird, mit Sicherheit nicht.

Herzliche Grüße
Hans Joachim
 
Innerhalb eines festgelegten Zeitraumes ist die Anzahl der Bestellungen ganzzahlig.

Das stimmt nicht. Denn das Minimum aus Lager- und Bestellkosten ergibt eine reell wertige Bestellmenge, die annahmegemäß gleichmäßig über dem Zeitraum verbraucht (dem Lager entnommen) wird und ohne Zeitverzögerung (also sofort) neu beschafft werden kann und das Lager wieder auffüllt (unendliche schneller Lagerzu- und abgang). Aus dieser Annahme ergeben sich die Bestellzeitpunkte und daraus ergibt sich die nicht notwendig ganzzahlige Bestellhäufigkeit. Andere Lösungsansätze berücksichtigen eine endliche Zeit für den Lagerzu- und -abgang, dadurch wird die Lösung komplizierter.

So werden ja gerade in den Anfängervorlesungen ständig Modelle dargestellt, die in der Vorleseung niemals mit der Realität verglichen werden.
Aber vielleicht in der Klausur: Stärken/Schwächen des Harris-Ansatzes (Modellkritik). Im Modul Materialwirtschaft sind Modellkritik und Vergleich der Modelle enthalten.

Stärken:
- Laufzeit des Verfahrens
- ...
Schwächen:
- Beliebige Teilbarkeit aller Größen (Bestellmenge, Bestellhäufigkeit, etc.)
- Unbeschränkte (unendliche) Liefer- und Lagerkapazitäten
- Unendlich schneller Lagerzugang- und Lagerabgang (Bestellzeitpunkt = Lagerzugang, Lieferzeitdauer = 0)
- Stets äquidistante Bestellzeitpunkte
- Gleichmäßige Entnahme des Materials aus dem Lager
- Konstante Bestellmenge (bei jeder Bestellung die gleiche)
- Konstanter Lagerkostensatz (zu jedem Zeitpunkt der gleiche)
- ...
Ich nehme an HARRIS eignet sich für die Grundvorlesung, weil grundlegende Prinzipien mit einem einfachen Ansatz erklärt werden können. Wenn Du mehr willst, belege Materialwirtschaft.
Liebe Grüße
 
Das Modell ist alles; die Realität ist nichts.
Das ist eine recht pessimistische Sichtweise, die m.E. nicht zutrifft. Für die wissenschaftliche Betrachtung musst Du einen widerspruchsfreien Satz von Annahmen formulieren, an die sich das Modell hält. Die Realität lässt sich nicht durch einen Satz von Annahmen beschreiben, schon gar nicht widerspruchsfrei. Gerade deshalb hat die Wissenschaft den Modellansatz ja "erfunden". Auch die weitergehenen Modelle für die Optimierung von Bestellmengen sind Modelle, die gewisse Ausschnitte (aber nicht alle) der Realität berücksichtigen wollen (z.B. ganzzahlige Lagerkapazität).
In der Praxis werden all diese Modelle nicht in ihrer Reinform verwendet, sondern spezielle Heuristiken/Algorithmen entwickelt, die aufgrund ihrer Komplexität in den Anforderungen NICHT in einem Modell im Sinne der Wirtschaftswissenschaft beschrieben (sondern höchstens in vielen und langen Dokumenten mit vielen Beispielen zur Funktionsweise dokumentiert) werden können. Die Wissenschaft bietet für zukünftige Praktiker (ausserhalb der Wissenschaft) ein gutes Rüstzeug/Backround (Um was geht es? Welche Lösungsansätze gibt es? Wo sind deren Grenzen? Welche Probleme gibt es, sind gelöst, sind nicht lösbar? ...) um in diesem Bereich tätig zu sein (sei es als Softwareentwickler von PPS-Systemen oder Benutzer solcher Systeme in der Produktions-/Materialwirtschaft von Unternehmen).
Liebe Grüße
 
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