Schufterei als Privatvergnügen
[FONT=Arial, Helvetica, sans-serif]Wer es hinter sich hat, der schwärmt meist davon. Aber jeder Zweite gibt vorzeitig auf. Ein Fernstudium ist nicht jedermanns Sache. Die große Freiheit wird geboten, eiserne Selbstdisziplin ist gefragt. Und möglichst ein unterstützender Arbeitgeber. [FONT=Arial, Helvetica, sans-serif]
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Friedel Fleck hat es geschafft. Seit 2002 ist er Präsident der größten Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Düsseldorf und damit Chef von 2400 Beschäftigten. Sein Vorgänger hatte ihn zehn Jahre zuvor zum Leiter des Vorstandsbüros erkoren - ein wichtiger Karriereschritt. Die Begründung folgte später: "Sie waren der Richtige: Fernstudium, Erfahrung in unserem Haus, nicht übermäßig freizeitorientiert."
In der Tat: Von 1979 bis 1992 studierte Fleck an der Fernuniversität Hagen Wirtschaftswissenschaften, parallel zum fordernden Job bei der Bank. Für Freizeit bleib da wenig Zeit, auch für die Familie, auf deren Unterstützung er aber stets bauen konnte.
Der Chef weiß von nichts
Olaf Brandner (Name von der Redaktion geändert) kennt diese Situation gut. Er steckt mittendrin. Gerade hat der Vater eines fast zweijährigen Sohnes als Student der Wirtschaftswissenschaften mit dem Hauptstudium begonnen. Ob sein Chef ihn irgendwann wegen seines Fernstudiums fördern wird? Fraglich. Er weiß nämlich nichts davon.
"Er muss es auch nicht wissen, denn es ist mein Privatvergnügen", sagt Brandner. "In erster Linie wollte ich mich weiterbilden. Zudem eröffnet mir mein Studium die Möglichkeit, später etwas anderes zu tun als jetzt, es ist also eine Investition. Diskussionen mit meinem Chef möchte ich aber vermeiden. Sonst heißt es vielleicht: 'Sie widmen sich also nicht voll und ganz Ihrem Beruf.'"
"Arbeitgeber haben Verständnis"
"Kurzsichtige Arbeitgeber argumentieren wirklich so", weiß Professor Uwe Schimank, Prorektor für Lehre und Studium in Hagen, an Deutschlands einziger staatlicher Fernuniversität. "Wesentlich häufiger hören wir aber, dass Arbeitgeber Verständnis zeigen oder das Studium ihrer Mitarbeiter sogar ausdrücklich unterstützen." Aber auf konkrete Karrieresprünge seien die Studierenden selten aus. "Das ist auch gut so", meint Schimank. "Diese Motivation wäre nicht ausreichend, um ein solches Studium durchstehen zu können."
Ausreichend vielleicht nicht - aber notwendig? "Ich würde ein Fernstudium nur dann angehen, wenn Signale von der Geschäftsführung kommen, Optionen in Aussicht stehen. Sonst ist es wirklich ein Wagnis", sagt die Leipziger Beraterin Dr. Hannelore Piechniczek von der Bundesagentur für Arbeit.
Selbstdisziplin gefragt
Einfach ist so ein Studium in keinem Fall. Denn es stellt hohe Anforderungen an die Studierenden. Vor allem an ihre Selbstdisziplin. Fernstudierende erhalten ihre Lernmaterial - Skripte mit zum Teil mehreren Tausend Seiten, aber auch CDs und DVDs - nach Hause geschickt, um es dort durchzuarbeiten.
Weiteres Material, Betreuung sowie Diskussionsforen gibt es online. Zu bestimmten Terminen müssen die Studierenden ihre "Hausaufgaben" an die Uni schicken. Am Semesterende finden Klausuren statt. Ergänzend gibt es Präsenzveranstaltungen in regionalen Studienzentren.
Krisen meistern
Wer im Hauptgebäude der Universität Leipzig per Paternoster in die dritte Etage fährt, der landet in einem der 70 Studienzentren der Fernuni Hagen. Rund 20 Mentoren bieten hier Lehrveranstaltungen an. Einer geht mit seinen Studierenden auch gern mal für ein Wochenendseminar in die Jugendherberge. So kommt man beim gemeinsamen Bier am Abend zu ein bisschen Studentenleben.
"Im stillen Kämmerlein zu lernen, ist ja nicht so leicht. Die Möglichkeit zur Kommunikation braucht man einfach", weiß Dr. Monika Sosna, die das Zentrum leitet. "Grundsätzlich muss man sich gut selbst organisieren und mit Krisen fertig werden können, zudem ist Durchhaltevermögen gefragt. Aber genau solche Eigenschaften schätzen Personalchefs ja."
Die Hälfte streicht im ersten Jahr die Segel
Von Vorteilen für die Karriere berichten in der Tat viele Absolventen der Fernuni. Und viele der derzeit 42.000 Studierenden hoffen darauf. Die meisten von ihnen, 45 Prozent, studieren Wirtschaftswissenschaften Vier von fünf Eingeschriebenen absolvieren das Studium in Teilzeit, meist sind sie berufstätig. Sie brauchen daher rund doppelt so lange wie für ein Direktstudium. Wenn sie denn bis zum Ende durchhalten.
Im ersten Studienjahr an der Fernuni gibt gleich die Hälfte auf. Im weiteren Studienverlauf sind die Abbruchraten so hoch wie an anderen Unis auch: Etwa jeder Vierte streicht die Segel. Einige von ihnen gehen anschießend doch noch an eine Präsenzuni, glaubt Monika Sosna. Mit Sicherheit die Minderheit.
Auch der umgekehrte Fall ist möglich
Umgekehrt wechseln einige Studierende aus dem Präsenz- in ein Fernstudium. So wie Frank Mackert (Name von der Redaktion geändert), der zunächst BWL an der Uni Halle studierte und jetzt in Hagen eingeschrieben ist. Seine Fächer: Philosophie, Politik und Volkswirtschaftslehre. Schon vor dem Studium hatte er sich mit einer Go-Kart-Bahn selbständig gemacht. "Ich wollte das Präsenzstudium parallel stemmen, aber das ging nicht. An der Fernuni klappt es, denn ich kann mir meine Zeit frei einteilen."
Zu Präsenzveranstaltungen fährt Mackert gern, "aber das ist natürlich auch eine Frage der Finanzen". Anfahrt und Übernachtung wollen bezahlt sein. Diese Kosten fallen auch bei Klausuren an. Für Olaf Brandner werden sie demnächst noch steigen: "Im Hauptstudium gibt es für mich keine Klausuren mehr in meinem Wohnort Hamburg, sondern nur noch in Düsseldorf, und manche in Berlin."
Viele Abbrecher wegen Studiengebühr
Brandner veranschlagt für sein Studium 250 Euro pro Semester. Demnächst kommen für ihn Langzeitstudiengebühren dazu, schließlich ist die Fernuni eine Hochschule des Landes Nordrhein-Westfalen. Als das Land diese Gebühren einführte, verlor die Hochschule in den zwei folgenden Semestern 10.000 Studierende. Jetzt will die neue Landesregierung sogar Gebühren ab dem ersten Semester einführen.
Abseits der Finanzprobleme sehen Beobachter weitere Knackpunkte. "In Hagen brauchen Sie für ein Teilzeitstudium vielleicht zwölf Jahre. In der Zeit hat sich die Wissenschaft dreimal gedreht", meint zum Beispiel der Vorsitzende des Sprecherrats der Arbeitsgemeinschaft Fernstudium (AGF), Professor Joachim Loeper. Das Fernstudium sieht er vor allem als Weg der Weiterbildung.
Alternative Ausland?
Viele staatliche Hochschulen bieten Aufbaustudiengänge an. Auch im Ausland kann man studieren, so an der britischen Open-University, Europas größter Fernuniversität mit rund 20.0000 Studierenden. Unzählige private Anbieter gesellen sich hinzu. "Da sind aber oft nicht sehr seriöse Angebote dabei", erklärt AGF-Sprecher Joachim Loeper.
Die AGF - in der 50 Präsenzhochschulen Mitglied sind, die Fernstudien im Portfolio haben - werde daher noch in diesem Jahr zusammen mit dem "Forum Distance Learning" Regeln für eine gute Fernlehre aufstellen. Gütekriterien, die zu einem Gütesiegel führen sollen. Loeper: "Wir wollen die schwarzen Schafe herausfiltern."
Nicht jedes Fach ist ferntauglich
Aber auch die "Guten" können nicht alles. "Medizin kann ich mir nur schwer als Fernstudium vorstellen, wie auch Chemie. Die Labortätigkeit ist das Problem - wobei man heute schon viele Experimente simulieren kann", sagt der Hagener Prorektor Schimank. Ein heikles Thema ist auch die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen. Schließlich sitzen die Fernstudierenden meist allein zu Haus. Kommunikations- und Teamfähigkeit sind da schwer zu schulen.
Die Hagener verweisen auf ihre Präsenzseminare - und wissen sich in guter Gesellschaft. Selbststudien- und Präsenzphasen im Wechsel zeichnen einen Studiengang aus, der von der Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen organisiert wird. Die Weiterbildung für einen ganz besonderen Karriere-Erfolgsfaktor firmiert schlicht unter "Sozialkompetenz".




Friedel Fleck hat es geschafft. Seit 2002 ist er Präsident der größten Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Düsseldorf und damit Chef von 2400 Beschäftigten. Sein Vorgänger hatte ihn zehn Jahre zuvor zum Leiter des Vorstandsbüros erkoren - ein wichtiger Karriereschritt. Die Begründung folgte später: "Sie waren der Richtige: Fernstudium, Erfahrung in unserem Haus, nicht übermäßig freizeitorientiert."
In der Tat: Von 1979 bis 1992 studierte Fleck an der Fernuniversität Hagen Wirtschaftswissenschaften, parallel zum fordernden Job bei der Bank. Für Freizeit bleib da wenig Zeit, auch für die Familie, auf deren Unterstützung er aber stets bauen konnte.
Der Chef weiß von nichts
Olaf Brandner (Name von der Redaktion geändert) kennt diese Situation gut. Er steckt mittendrin. Gerade hat der Vater eines fast zweijährigen Sohnes als Student der Wirtschaftswissenschaften mit dem Hauptstudium begonnen. Ob sein Chef ihn irgendwann wegen seines Fernstudiums fördern wird? Fraglich. Er weiß nämlich nichts davon.
"Er muss es auch nicht wissen, denn es ist mein Privatvergnügen", sagt Brandner. "In erster Linie wollte ich mich weiterbilden. Zudem eröffnet mir mein Studium die Möglichkeit, später etwas anderes zu tun als jetzt, es ist also eine Investition. Diskussionen mit meinem Chef möchte ich aber vermeiden. Sonst heißt es vielleicht: 'Sie widmen sich also nicht voll und ganz Ihrem Beruf.'"
"Arbeitgeber haben Verständnis"
"Kurzsichtige Arbeitgeber argumentieren wirklich so", weiß Professor Uwe Schimank, Prorektor für Lehre und Studium in Hagen, an Deutschlands einziger staatlicher Fernuniversität. "Wesentlich häufiger hören wir aber, dass Arbeitgeber Verständnis zeigen oder das Studium ihrer Mitarbeiter sogar ausdrücklich unterstützen." Aber auf konkrete Karrieresprünge seien die Studierenden selten aus. "Das ist auch gut so", meint Schimank. "Diese Motivation wäre nicht ausreichend, um ein solches Studium durchstehen zu können."
Ausreichend vielleicht nicht - aber notwendig? "Ich würde ein Fernstudium nur dann angehen, wenn Signale von der Geschäftsführung kommen, Optionen in Aussicht stehen. Sonst ist es wirklich ein Wagnis", sagt die Leipziger Beraterin Dr. Hannelore Piechniczek von der Bundesagentur für Arbeit.
Selbstdisziplin gefragt
Einfach ist so ein Studium in keinem Fall. Denn es stellt hohe Anforderungen an die Studierenden. Vor allem an ihre Selbstdisziplin. Fernstudierende erhalten ihre Lernmaterial - Skripte mit zum Teil mehreren Tausend Seiten, aber auch CDs und DVDs - nach Hause geschickt, um es dort durchzuarbeiten.
Weiteres Material, Betreuung sowie Diskussionsforen gibt es online. Zu bestimmten Terminen müssen die Studierenden ihre "Hausaufgaben" an die Uni schicken. Am Semesterende finden Klausuren statt. Ergänzend gibt es Präsenzveranstaltungen in regionalen Studienzentren.
Krisen meistern
Wer im Hauptgebäude der Universität Leipzig per Paternoster in die dritte Etage fährt, der landet in einem der 70 Studienzentren der Fernuni Hagen. Rund 20 Mentoren bieten hier Lehrveranstaltungen an. Einer geht mit seinen Studierenden auch gern mal für ein Wochenendseminar in die Jugendherberge. So kommt man beim gemeinsamen Bier am Abend zu ein bisschen Studentenleben.
"Im stillen Kämmerlein zu lernen, ist ja nicht so leicht. Die Möglichkeit zur Kommunikation braucht man einfach", weiß Dr. Monika Sosna, die das Zentrum leitet. "Grundsätzlich muss man sich gut selbst organisieren und mit Krisen fertig werden können, zudem ist Durchhaltevermögen gefragt. Aber genau solche Eigenschaften schätzen Personalchefs ja."
Die Hälfte streicht im ersten Jahr die Segel
Von Vorteilen für die Karriere berichten in der Tat viele Absolventen der Fernuni. Und viele der derzeit 42.000 Studierenden hoffen darauf. Die meisten von ihnen, 45 Prozent, studieren Wirtschaftswissenschaften Vier von fünf Eingeschriebenen absolvieren das Studium in Teilzeit, meist sind sie berufstätig. Sie brauchen daher rund doppelt so lange wie für ein Direktstudium. Wenn sie denn bis zum Ende durchhalten.
Im ersten Studienjahr an der Fernuni gibt gleich die Hälfte auf. Im weiteren Studienverlauf sind die Abbruchraten so hoch wie an anderen Unis auch: Etwa jeder Vierte streicht die Segel. Einige von ihnen gehen anschießend doch noch an eine Präsenzuni, glaubt Monika Sosna. Mit Sicherheit die Minderheit.
Auch der umgekehrte Fall ist möglich
Umgekehrt wechseln einige Studierende aus dem Präsenz- in ein Fernstudium. So wie Frank Mackert (Name von der Redaktion geändert), der zunächst BWL an der Uni Halle studierte und jetzt in Hagen eingeschrieben ist. Seine Fächer: Philosophie, Politik und Volkswirtschaftslehre. Schon vor dem Studium hatte er sich mit einer Go-Kart-Bahn selbständig gemacht. "Ich wollte das Präsenzstudium parallel stemmen, aber das ging nicht. An der Fernuni klappt es, denn ich kann mir meine Zeit frei einteilen."
Zu Präsenzveranstaltungen fährt Mackert gern, "aber das ist natürlich auch eine Frage der Finanzen". Anfahrt und Übernachtung wollen bezahlt sein. Diese Kosten fallen auch bei Klausuren an. Für Olaf Brandner werden sie demnächst noch steigen: "Im Hauptstudium gibt es für mich keine Klausuren mehr in meinem Wohnort Hamburg, sondern nur noch in Düsseldorf, und manche in Berlin."
Viele Abbrecher wegen Studiengebühr
Brandner veranschlagt für sein Studium 250 Euro pro Semester. Demnächst kommen für ihn Langzeitstudiengebühren dazu, schließlich ist die Fernuni eine Hochschule des Landes Nordrhein-Westfalen. Als das Land diese Gebühren einführte, verlor die Hochschule in den zwei folgenden Semestern 10.000 Studierende. Jetzt will die neue Landesregierung sogar Gebühren ab dem ersten Semester einführen.
Abseits der Finanzprobleme sehen Beobachter weitere Knackpunkte. "In Hagen brauchen Sie für ein Teilzeitstudium vielleicht zwölf Jahre. In der Zeit hat sich die Wissenschaft dreimal gedreht", meint zum Beispiel der Vorsitzende des Sprecherrats der Arbeitsgemeinschaft Fernstudium (AGF), Professor Joachim Loeper. Das Fernstudium sieht er vor allem als Weg der Weiterbildung.
Alternative Ausland?
Viele staatliche Hochschulen bieten Aufbaustudiengänge an. Auch im Ausland kann man studieren, so an der britischen Open-University, Europas größter Fernuniversität mit rund 20.0000 Studierenden. Unzählige private Anbieter gesellen sich hinzu. "Da sind aber oft nicht sehr seriöse Angebote dabei", erklärt AGF-Sprecher Joachim Loeper.
Die AGF - in der 50 Präsenzhochschulen Mitglied sind, die Fernstudien im Portfolio haben - werde daher noch in diesem Jahr zusammen mit dem "Forum Distance Learning" Regeln für eine gute Fernlehre aufstellen. Gütekriterien, die zu einem Gütesiegel führen sollen. Loeper: "Wir wollen die schwarzen Schafe herausfiltern."
Nicht jedes Fach ist ferntauglich
Aber auch die "Guten" können nicht alles. "Medizin kann ich mir nur schwer als Fernstudium vorstellen, wie auch Chemie. Die Labortätigkeit ist das Problem - wobei man heute schon viele Experimente simulieren kann", sagt der Hagener Prorektor Schimank. Ein heikles Thema ist auch die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen. Schließlich sitzen die Fernstudierenden meist allein zu Haus. Kommunikations- und Teamfähigkeit sind da schwer zu schulen.
Die Hagener verweisen auf ihre Präsenzseminare - und wissen sich in guter Gesellschaft. Selbststudien- und Präsenzphasen im Wechsel zeichnen einen Studiengang aus, der von der Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen organisiert wird. Die Weiterbildung für einen ganz besonderen Karriere-Erfolgsfaktor firmiert schlicht unter "Sozialkompetenz".