Gerry,
ich kann Deinen Ausführungen nur zustimmen. Ich selbst habe mir im ersten Semester verwundert die Augen gerieben. Ohne Übertreiben zu wollen, würde ich sagen, dass in BWL 1 20 bis 30 % der mit Klausuraufgaben (damit angemeldeten) vorgesehenen Plätze nicht besetzt waren. Dies kann nur heissen, es fand eine Anmeldung statt, die nicht zurückgenommen, aber auch nicht wahrgenommen wurde. Dies bedeutet automatisch ein Nichtbestehen. In der Statistik sieht dies verheerend aus, liegt aber nicht am Lehrstuhl.
Nun aber zurück zu Deinen Ausführungen: Ich möchte stolz auf mich sein können, wenn ich eine Klausur geschafft habe. Dies kann ich auch, wenn ich weiss, dass es eine gewisse Anstregung war. Ich habe keine Kinder und eine studierende Freundin, meine Abendgestaltung besteht oft aus Lernen. Ich habe Kommilitonen, die zum Teil sehr wenig Zeit haben und auch diese nicht primär mit Lernen gestalten wollen. Wenn diese nun die Klausur ebenfalls bestehen und nur x,y schlechter sind als ich in der Note, Frage ich mich, ob der Aufwand, den ich getrieben habe, es wert war. Ich kann nicht auf 4,0 lernen, daher fühle ich mich erst sicher, wenn ich alte Klausuraufgaben weitgehend alleine bearbeiten kann. Wenn ich nun ein Vordiplom habe, das 1,0 besser ist als das der "effizienteren" Studenten, mich damit aber nicht bewerben möchte und keine Basis für das Diplom habe, so war ich nicht clever, denn ich gehe davon aus, dass man im Hautpstudium Details aus dem Grundstudium sowieso noch einmal nachschlagen muss.
Wenn also nun jemand in einer Klausur wirklich durchfällt, finde ich es für die Person schade, aber wichtig für den Eindruck der Ernsthaftigkeit. Zu wenig Aufwand oder zu blauäugiges Herangehen darf für das Gesamtbild des Abschlusses nicht zum Bestehen reichen.
Da ich zügig voran kommen möchte, habe ich dieses Semester 3 Klausuren geplant. Ich arbeite mind. 40 Stunden pro Woche, muss also Abstriche in der Vorbereitung machen. Daher ist Bestehen mein Ziel, nicht die "perfekte" Note. Falls ich die Note priorisieren würde, müsste ich vermutlich die Zahl der Klausuren reduzieren. Falls jemand Familie hat bzw. alleinerziehend ist, so wird er entweder Zeit zugunsten der Note oder der Klausuren einbüßen. Ich ziehe meinen virtuellen Hut vor jedem, der das zeitlich und sozial managt, aber die Leistung wird vermutlich leiden. Ich habe in meinem Umfeld Studenten, die sich aus den verschiedensten Lebenssituationen für das Studium entschieden haben, nicht wenige sind seit dem Studienbeginn ausgeschieden. Aber wer dieses Studium macht, egal ob mit oder ohne Erfolg, unabhängig der Studienzeit (insbesondere wegen der familiären und beruflichen Situation) verdient Hochachtung. Und wenn man in einer Klausur die Quittung erhält, dass dieser Aufwand bzw. die Vorbereitung suboptimal war, so sollte dies als Chance verstanden werden, dazuzulernen. Alles zwischen 4,0 und 1,0 ist (im Grundstudium) super, weil es bedeutet, man hat genug getan. Ob nun mit viel oder wenig Aufwand, liegt in der Effizienz und den Möglichkeiten des Einzelnen.
Aber für mich persönlich ist alles besser 4.0 der Beleg, dass ich zu viel gemacht habe 🙂
So, ich hoffe, meine Meinung war einigermaßen rauszulesen und danke allen, die sich so viel Zeit zum Lesen genommen haben...