Schmiergeld – okay oder nee?

Dr Franke Ghostwriter
Freunde der gepflegten Wirtschaftsdiskussion,

das Thema heute: Schmiergelder.
Nicht in Politik und Verwaltung, sondern in der freien Wirtschaft. Ist es okay, bei einem afrikanischen Geschäftspartner Landschaftspflege zu betreiben, um ein Kraftwerk bauen zu dürfen?

Das Siemens-Management sagt: nein. Offiziell zumindest, denn das war offenbar jahrelang gängige Praxis im Konzern. Und was sagt die Gewerkschaft? Lesen wir zum Thema in der FAZ vom 28.11.:

"Globalisierung ist Globalisierung und kennt keine Moral", schreibt Wigand Cramer von der IG Metall in einem Kommentar auf der Internetseite "Siemens Dialog" der Gewerkschaft. "Da bleiben die Hände nun mal nicht sauber." Den Medien wirft er Scheinheiligkeit vor: "Allgemeine Empörung über einen ganz normalen Vorgang." Das Ziel, doppelt so schnell zu wachsen wie die Weltwirtschaft, erreiche Siemens nur mit Geschäften in Schwellenländern wie China, Indien, Indonesien und Rußland - am besten mit Projekten industrieller Infrastruktur. "Jeder weiß, daß das sowohl geographisch als auch von den Zielkunden her die Bereiche sind, in denen Korruption nun mal zum Geschäft gehört."

Also: Bestechung ist okay, weil es in diesen Ländern nun mal üblich ist (und weil deutsche Arbeitsplätze erhalten bleiben). Eine ganz besondere Interpretation von Multikulti, oder?
 
Freiheit!

Endlich mal wieder was zu diskutieren, ich hatte schon gedacht, hier sind alle schon in den Klausurvorbereitungen (btw: mas macht eigentlich derStudent mit seiner Wochenfrage? - ist er schon eingeliefert worden, wegen der verwirrenden Antorten?😀 )

Zur Sache - wobei Du Dir meine Antwort sicher schon hast denken können:

Was spricht dagegen?

Was in Deutschland die Kosten für Bürokratie (und damit vermeintlich rechtssicherheit) sind, sind in Entwicklungländern die Kosten für Korruption/Bestechung. Ich würde mal behaupten, letzteres ist billiger, folglich effizienter.

Ob das moralisch oK ist, ist eine ganz andere Frage. Die müssen der Staat (sprich: die Menschen der korrupten Gesellschaft) zunächst selbst für sich klären. Die Afrikaner nehmen's hin, die Chinesen verhängen die Todesstrafe drauf.

Ein bestechender deutscher Konzern muss bei der Bestechungsentscheidung dann noch die Opportunitätskosten mit einberechnen, die ihm durch Reputationsverlust in dem (auch nicht korruptionsfreien) Heimatland enstehen. Fertig ist die Laube, oder?

Wie gesagt: vergleiche China mit Afrika und Du erkennst, dass es zweischneidig ist, Korruption nicht zu tolerieren. Denn in China ist der Preis für die offiziell vorbildliche Korruptionsbekämpfung die Todesstrafe für korrupte Funktionäre. Ist das moralischer?

Hier wieder ein kleines Einfallstor, für alle, die mich gern missverstehen😀 :
"Wenn nicht der Zweck die Mittel heiligt, was denn dann sonst?" (hab leider vergeseen, wer's gesagt hat 😱 )
 
Ich mach jetzt hier mal weiter - auch Selbstgespräche können ja was bringen 😀

Ich hab grad mal nen bischen auf der TI-Seite rumgeguckt. U.a. mal in der Literaturrecherche den Suchbegriff "volkswirtschaftlicher Schaden" eingegeben. Antwort:

[FONT=Arial,Helvetica,Geneva,Swiss,SunSans-Regular]Ihre Suche lieferte keine Ergebnisse.


Wenn man wirtschaftswissenschaftlich über das "OK" von Korruption reden will, wird man wohl auch wieder auf den Ansatz von Posner/Becker zurückkommen zur Ökonomischen Analyse des Rechts.

Dazu müsste man unterstellen, dass Bestechung kriminell ist, was zwar in den meisten Ländern so ist, womit aber nicht gesagt wird, warum es das ist. Aber gut - unterstellen wir halt die Strafbarkeit von Korruption.

Dann sollte sie aber aus Sicht der ÖAR dennoch nur bekämpft werden, wenn die gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtverluste der Korruption höher sind, als die der Bekämpfung.

Und an dieser Stelle kommt mein o.a. Argument noch einmal zum Tragen, von dem mich interessieren würde, ob das schon mal jemand nachgerechnet/erforscht hat:

Um Korruption zu bekämpfen, braucht man einen hochkomplexen funktionierenden Rechtsstaat. Um Korruption schließlich wirksam zu verhindern, braucht man darüber hinaus funktionierende Verhaltensalternativen der Akteure. Beides aufzubauen, erfordert Zeit und den Einsatz von Produktionsfaktoren, die damit den anderen wirtschaftlichen Aktivitäten entzogen werden.

Ob sich das in einem Land wie, sagen wir: Simbabwe, gesamtwirtschaftlich lohnt, halte ich doch für sehr fraglich.
 
Erstmal müssen wir Korruption definieren, bspw. so:
"Nach der Definition von Transparency International ist Korruption der Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil."

Anvertraute Macht für privaten Nutzen/Vorteile zu mißbrauchen ist (meines Wissens nach) in jedem demokratischen Land kriminell - nur wird es hier oder da stärker bzw. nicht so stark verfolgt. Sollte Korruption deswegen verfolgt werden? Eine Antwort wäre auf folgender Seite zu finden:

https://www.transparency.de/Folgen-der-Korruption.46.0.html

vor allem:
"Volkswirtschaftlich läßt sich festhalten, dass ungehemmte Korruption dazu führt, dass immer weniger Leistung für immer mehr Geld erbracht wird. Ihre Kosten werden weitgehend an die durchgereicht, die zu ehrlich, zu arm oder zu unbedeutend sind, um selbst bestochen zu werden. Deren Interesse muss es also sein, u.a. durch verstärkte Transparenz und Aufklärung die Korruption selbst teuer und unattraktiv zu machen."

Nun, obwohl sehr ethisch argumentiert, bin ich der festen Überzeugung (auch ohne konkrete Zahlen), daß die eimaligen Kosten für das Verlassen des "Pfades" mit den (abgezinsten...) Wohlfahrtsgewinnen der Zukunft durchaus aufgewogen werden können. Auch in Zimbabwe. Das Problem ist folglich die gegenwärtige Investition, die aufzubringen kaum jemand bereit ist (nur Schwaben schätzen den zukünftigen Konsum höher als den sofortigen ein 😉

Nicht vergessen: Freiheit ist der wirtschaftliche Motor unseres Wohlstandes - und die wird eingeschränkt, sobald ich jemandem meinen Willen aufzwinge. Ein sehr ähnlicher Gedanke liegt schließlich unserer Wettbewerbspolitik zu Grunde - und wohin Kartelle führen, können wir in den Geschichtsbüchern nachlesen.

Gruß
Frank
 
Das mit dem "Pfad verlassen" finde ich sehr gut - ehrlich. Frage ist nur wiederum: wer fängt damit an und wenn dieser jemand ein rationales Individuum ist (was wir als WIWIs doch wohl unterstellen wollen), warum sollte er das tun?

"Volkswirtschaftlich läßt sich festhalten, dass ungehemmte Korruption dazu führt, dass immer weniger Leistung für immer mehr Geld erbracht wird. Ihre Kosten werden weitgehend an die durchgereicht, die zu ehrlich, zu arm oder zu unbedeutend sind, um selbst bestochen zu werden. Deren Interesse muss es also sein, u.a. durch verstärkte Transparenz und Aufklärung die Korruption selbst teuer und unattraktiv zu machen."

"...teuer machen...." - das ist schick - und neoklassisch!
 
Mancur Olson mit seinem wegweisenden und sehr lesenswerten Buch "Logik des kollektiven Handelns" - kann ich nur empfehlen, wobei das wirklich interssante sich meist in den Fußnoten abspielt. (Aber auch Aufstieg und Niedergang von Nationen [...] ist sehr interessant)

Das Problem ist, daß viele einen Mißstand erkennen (z.B. Umweltverschmutzung oder eben Korruption oder ähnliches), sich aber letztlich jeder denkt, der Beitrag, den ich leisten kann, ist so gering (gemessen am insgesamt für die Veränderung notwendigen), daß ich es genauso gut lassen kann. Jeder für sich handelt rational (eigennutzenmaximierend, satisfizierend oder was auch immer) - während ein kollektives Vorgehen zu einem maximalen (und damit auch jeweil individuell höherem) Wohlstand führen würde - das Auseinanderfallen der individuelle und kollektiven Rationalität eben (Gefangenendilemma usw., aber das weißt Du doch bestimmt besser als ich).

Gruß
Frank
 
Mancur Olson mit seinem wegweisenden und sehr lesenswerten Buch "Logik des kollektiven Handelns" - kann ich nur empfehlen, wobei das wirklich interssante sich meist in den Fußnoten abspielt. (Aber auch Aufstieg und Niedergang von Nationen [...] ist sehr interessant)

Das Problem ist, daß viele einen Mißstand erkennen (z.B. Umweltverschmutzung oder eben Korruption oder ähnliches), sich aber letztlich jeder denkt, der Beitrag, den ich leisten kann, ist so gering (gemessen am insgesamt für die Veränderung notwendigen), daß ich es genauso gut lassen kann. Jeder für sich handelt rational (eigennutzenmaximierend, satisfizierend oder was auch immer) - während ein kollektives Vorgehen zu einem maximalen (und damit auch jeweil individuell höherem) Wohlstand führen würde - das Auseinanderfallen der individuelle und kollektiven Rationalität eben (Gefangenendilemma usw., aber das weißt Du doch bestimmt besser als ich).

Gruß
Frank

Ja ok - die Sachen sind klar, Internalisierung externer Effekte usw.

Die Lösung dieser Probleme durch wirtschaftspolitische Maßnahme setzt allerdings ein vorhandenes funktionierendes Staatswesen voraus. Und gerade da sehe ich ein wesentliches Problem der Korruption: Die herrscht je gerade weil es keinen funktionierenden Staat gibt, oder? (Abgesehen von Einzelfällen, die es in allen Staaten gibt).

Also stehe ich doch vor den beiden Alternativen:

1. in den Aufbau eines Staatswesen nach westlichem Muster zu investieren
oder
2. gar nix zu machen und die Sache (anarchistisch) laufen zu lassen

Wenn nun die Behauptung von TI richtig ist, dass Korruption zu immer weniger Leistung füs gleiche Geld führt (btw: was sagt mir die Qualität der Aussage "immer mehr Geld.... für immer weniger..." - man kann nicht in zwei Richtungen maximieren - über die Qualität der Autoren bei TI???) - dann werden das die Auftraggeber (=Bestechenden) merken und es lassen, sobald die Kosten den Nutzen übersteigen.

Wenn ich folglich den Auftrag zum Bau eines Kraftwerkes in Schwarzafrika als handelbares Gut betrachte, wird sich zum Nutzen aller ein (Korruptions-)preis einstellen, der effizient ist - auch ohne Staat.

Ist das problematisch?
 
Okay Coase-Theorem - übrigens ein Beweis dafür, daß in der Realität Transaktionskosten auftreten, die "vollkommene" Bestechungslösung also nicht existiert.

Wir sollten folglich über Institutionen reden, die aufgrund der menschlichen Beschränktheit und ähnlichen Dingen notwendig sind, die dafür sorgen, daß unsere (natürlich favorisierte) neoklassische Welt nicht auf die Realität übertragen werden kann (obwohl diese natürlich hervorragende Ursache-Wirkung-Zusammenhänge verdeutlicht).

Zunächst also die Frage: Warum überhaupt Institutionen? - Unter anderem zur Spezifizierung von Verfügungsrechten und um das menschliche Miteinander zu regeln.
Dann: Warum gibt es die Institution "Korruption ist verboten"?
Nun, die moralische Diskussion führte ich bereits an (s.o. Link TI) - nun die ökonomische: Korruption wird von Individuen, nicht von Firmen, dem Staat oder ähnlichem angenommen (das ist die Definition). Das Individuum agiert als Agent im Auftrag des Prinzipals und mindert den Gewinn des Prinzipals durch die eigennutz-motivierte Handlung - nicht das beste Angebot sondern das für mich vorteilhafteste wird ausgesucht.
Die Ausnutzung anvertrauter Macht ist das Übel. Definieren wir Deinem Beispiel folgend den Bau des Kraftwerkes als handelbares Gut - das wird auch kein Ökonom jemals abstreiten - und gehen davon aus, daß das gezahlte Schmiergeld dem eigentlichen Auftraggeber (dem Prinzipal) und nicht nur dem Entscheider (hier dem Agenten) zugute kommt, gibt es gar kein Problem - dann handelt es sich um einen Auftrag wie jeden anderen auch und es handelt sich m.E. nach auch nicht mehr um Korruption. Behält der Agent das Geld (oder was auch immer) selbst, schädigt er damit den Prinzipal. Die Entscheidung ist nicht: Welches Gut ist bei gleicher Qualität billiger oder bei gleichem Preis qualitativ hochwertiger, sondern wer zahlt mir das meiste Geld.

Siehst Du das anders?

Gruß
Frank

PS: Mir will nicht einleuchten, warum Tendenzaussagen wie "immer mehr Geld für immer weniger" nicht zulässig sind - hier wird nicht maximiert sondern eine (zumindest vermutete) Entwicklung beschrieben - das ist durchaus zulässig. Du darfst doch auch sagen: Ich zahl für die Tüte Milch immer mehr, obwohl immer weniger drin ist...
 
Das Individuum agiert als Agent im Auftrag des Prinzipals und mindert den Gewinn des Prinzipals durch die eigennutz-motivierte Handlung - nicht das beste Angebot sondern das für mich vorteilhafteste wird ausgesucht.
Die Ausnutzung anvertrauter Macht ist das Übel. Definieren wir Deinem Beispiel folgend den Bau des Kraftwerkes als handelbares Gut - das wird auch kein Ökonom jemals abstreiten - und gehen davon aus, daß das gezahlte Schmiergeld dem eigentlichen Auftraggeber (dem Prinzipal) und nicht nur dem Entscheider (hier dem Agenten) zugute kommt, gibt es gar kein Problem - dann handelt es sich um einen Auftrag wie jeden anderen auch und es handelt sich m.E. nach auch nicht mehr um Korruption. Behält der Agent das Geld (oder was auch immer) selbst, schädigt er damit den Prinzipal. Die Entscheidung ist nicht: Welches Gut ist bei gleicher Qualität billiger oder bei gleichem Preis qualitativ hochwertiger, sondern wer zahlt mir das meiste Geld.

Gut - machen wir ein P-A-Problem draus:

Lass uns aber erst klären, wer der Prinzipal ist: die Regierung oder das Volk?

_______
kann jetzt nicht weitermachen, bin erst morgen frühoder heute abend wieder online...
 
Was in Deutschland die Kosten für Bürokratie (und damit vermeintlich rechtssicherheit) sind, sind in Entwicklungländern die Kosten für Korruption/Bestechung. Ich würde mal behaupten, letzteres ist billiger, folglich effizienter.

Eine gewagte Behauptung. Schau Dir mal den Korruptionsindex von TI an. Dort stehen reiche Staaten tenenziell eher oben, arme Staaten eher unten. Es scheint also eine gewisse negative Korrelation zwischen Wohlstand und Korruption zu geben.

Warum könnte das so sein? Ein Aspekt ist sicher, dass ein korruptes Land mittelfristig keine Rechtssicherheit bietet. Es wird zwar einzelne Investionsprojekte geben (sonst würde auch nicht bestochen), doch es dürfte vermutlich noch viel mehr investiert werden, wenn es keine Korruption gäbe. Die Zusammenhänge breitet Wagner im Kurs "Kredit & Entwicklung" genauer aus.

Wie gesagt: vergleiche China mit Afrika und Du erkennst, dass es zweischneidig ist, Korruption nicht zu tolerieren. Denn in China ist der Preis für die offiziell vorbildliche Korruptionsbekämpfung die Todesstrafe für korrupte Funktionäre. Ist das moralischer?

Dann wäre die moralische Lösung aber nicht, Korruption nicht mehr zu ahnden, sondern andere Strafen zu verhängen.
 
PS: Mir will nicht einleuchten, warum Tendenzaussagen wie "immer mehr Geld für immer weniger" nicht zulässig sind - hier wird nicht maximiert sondern eine (zumindest vermutete) Entwicklung beschrieben - das ist durchaus zulässig. Du darfst doch auch sagen: Ich zahl für die Tüte Milch immer mehr, obwohl immer weniger drin ist...

Volle Zustimmung.
 
Eine gewagte Behauptung. Schau Dir mal den Korruptionsindex von TI an. Dort stehen reiche Staaten tenenziell eher oben, arme Staaten eher unten. Es scheint also eine gewisse negative Korrelation zwischen Wohlstand und Korruption zu geben.

Warum könnte das so sein? Ein Aspekt ist sicher, dass ein korruptes Land mittelfristig keine Rechtssicherheit bietet. Es wird zwar einzelne Investionsprojekte geben (sonst würde auch nicht bestochen), doch es dürfte vermutlich noch viel mehr investiert werden, wenn es keine Korruption gäbe. Die Zusammenhänge breitet Wagner im Kurs "Kredit & Entwicklung" genauer aus.

Ich muss jetzt erst mal was klar stellen:

Ich hab ja hier nicht behauptet, dass Korruption in Ordnung, noch weniger, dass es gar eine wünschenswerte Institution sei!

Die Ausgangsfrage war ja, ob man mit korrupten Staaten oder Beamten Geschäfte machen sollte. Das hängt IMO ausschließlich von den Kosten (monetäre und nicht-monetäre) ab.

Als Nächstes haben wir diskutiert, ob es sich lohnt, Korruption zu bekämpfen. Hängt wieder von den Kosten ab, die in einem Nicht-Rechtsstaat wohl ungleich höher sein werden als woanders. Und der Index von TI zeigt ja sogar, dass sie sich selbst in Rechtsstaaten nicht lohnt, wenn dort die Korruption am höchsten ist.
 
PS: Mir will nicht einleuchten, warum Tendenzaussagen wie "immer mehr Geld für immer weniger" nicht zulässig sind - hier wird nicht maximiert sondern eine (zumindest vermutete) Entwicklung beschrieben - das ist durchaus zulässig. Du darfst doch auch sagen: Ich zahl für die Tüte Milch immer mehr, obwohl immer weniger drin ist...

Volle Zustimmung.

Von mir nicht! Ich halte den Milchtütensatz für logisch unzulässig: Denn ob Du für die Milchtüte immer mehr zahlst, kannst Du nur beurteilen, wenn Du einen fixen Maßstab hast und das ist der vorherige Preis bei gleicher Packungsgröße - vice versa.

Ist aber vielleicht auch nur Haarspalterei....
 
Ich hab ja hier nicht behauptet, dass Korruption in Ordnung, noch weniger, dass es gar eine wünschenswerte Institution sei!

Die Ausgangsfrage war ja, ob man mit korrupten Staaten oder Beamten Geschäfte machen sollte. Das hängt IMO ausschließlich von den Kosten (monetäre und nicht-monetäre) ab.

Da diese Kosten aber offenbar sehr hoch sind (siehe Wagner), sollte sich der Kampf gegen Korruption eigentlich lohnen. Bleibt also die Frage: ist es okay zu bestechen, um an einen Auftrag zu kommen?

Mein Moralempfinden sagt mir: nein. Du sagt ja, argumentierst aber rein ökonomisch (die Moralfrage also ausklammernd). Stellt sich die ökonomische Frage: würde das Unternehmen nicht möglicherweise bei freiem Marktzutritt (ohne Korruptionsbarriere) in dem Land mehr verdienen können? Das Land wäre volkswirtschaftlich besser dran, es würde mehr investiert & mehr ausländische Güter würden nachgefargt. Dann wäre Korruption kurzfristig sinnvoll aber mittelfristig ein Schuss ins Knie...
 
Da diese Kosten aber offenbar sehr hoch sind (siehe Wagner), sollte sich der Kampf gegen Korruption eigentlich lohnen. Bleibt also die Frage: ist es okay zu bestechen, um an einen Auftrag zu kommen?

Mein Moralempfinden sagt mir: nein. Du sagt ja, argumentierst aber rein ökonomisch (die Moralfrage also ausklammernd). Stellt sich die ökonomische Frage: würde das Unternehmen nicht möglicherweise bei freiem Marktzutritt (ohne Korruptionsbarriere) in dem Land mehr verdienen können? Das Land wäre volkswirtschaftlich besser dran, es würde mehr investiert & mehr ausländische Güter würden nachgefargt. Dann wäre Korruption kurzfristig sinnvoll aber mittelfristig ein Schuss ins Knie...

Wenn man Kostenrechnung und Soft Skills wie moralische Werte miteinander verbindet muß das mit gößter Sorgfalt geschehen. Denn Soft Skills zu bewerten ist eine schwierige Aufgabe. Deshalb besteht leicht die Gefahr, daß diese komplett ausgeklammert werden.
Eine der größten Herausforderungen hierbei ist es den moralischen Wert zu defininieren. Deshalb möchte ich hier zuerst einmal die Grundsatzfrage stellen:

Was ist Korruption?
 
So - jetzt mal wieder etwas konzentrierter von mir:

Eine gewagte Behauptung. Schau Dir mal den Korruptionsindex von TI an. Dort stehen reiche Staaten tenenziell eher oben, arme Staaten eher unten. Es scheint also eine gewisse negative Korrelation zwischen Wohlstand und Korruption zu geben.

Da ich jetzt Deine Aussage richtig verstanden habe, kann man dazu ja nur sagen: Das entspricht der Intuition und ist auch irgendwie logisch.

Warum könnte das so sein? Ein Aspekt ist sicher, dass ein korruptes Land mittelfristig keine Rechtssicherheit bietet. Es wird zwar einzelne Investionsprojekte geben (sonst würde auch nicht bestochen), doch es dürfte vermutlich noch viel mehr investiert werden, wenn es keine Korruption gäbe. Die Zusammenhänge breitet Wagner im Kurs "Kredit & Entwicklung" genauer aus.

Ja, mag sein. Bevor ich mit der nächsten Frage weiter mache, möchte ich hier aber noch einen Gedanken einwerfen:

Warum toleriert die Gesellschaft des Landes Korruption? Warum entscheidet sie sich nicht für alternativen resp. einen funktionierenden Rechtsstaat?

a) weil sie machtlos gegenüber den herrschenden Beamten ist?
b) weil sie die Kosten als zu hoch einschätzt?
c) weil sie nicht die sozio-kulturellen Werte und Ziele der westlichen Hemisphäre teilt?

ad a)
Daran glaube ich nicht, weil auch Schwarzafrika und Südostasien enorme Energien zum Erreichen irgendwelcher Ziele aufbringen kann (seien es Revolutionen gegen Kolonialherren oder gewaltige Völkermorde untereinander)

ad b)
Schon eher - offenbar werten eine Menge von Akteuren die Kosten einer (illegalen) Emmigration in westliche Länder als geringer als die von Veränderungen im eigenen Land.

ad c)
Auch das ist für mich ein Grund. Z.B. ist in vielen der Länder am Ende der TI-Skala der Kauf (folglich auch der Verkauf) von Wahlstimmen Usus, ohne dass sich einer aufregt (abgesehen von den westlichen Wahlbeobachtern). Hier kommt wieder mein Freiheitsgedanke ins Spiel: Vielleicht sollten wir einfach mal aufhören, Ländern mit anderen Kulturen als den unseren den Opferstatus zu verleihen und ihnen unsere Sicht der welt aufzuzwingen. Wer in einem korrupten Staat sich zu Hause fühlt, soll halt dort bleiben. Wer es nicht tut, wandert eh aus und sucht sein Glück (resp. sein Geld) anderswo. Wer seine Wahlstimme verkaufen will, freut sich über die Kohle und fertig, so what? Wer seinen korupten Bürgermeister im Ort toleriert, hat offenbar seine Kosten berechnet - was soll die westliche Zwangsbeglückung?

Wenn ein Angolaner uns fragt, was er gegen die aus seiner Sicht unerwünschte Korruption tun soll, kann man ihm antworten - nachdem man ihn darauf hingewiesen hat, dass alles, was als Antwort folgen wird, eine Transformation unserer Weltsicht und unserer sozio-kulturellen Werte auf sein Land voraussetzt. Meine These: Nach diesem Hinweis wird er abwinken und wieder seine eigenen Wege gehen......

ist es okay zu bestechen, um an einen Auftrag zu kommen?

Mein Moralempfinden sagt mir: nein. Du sagt ja, argumentierst aber rein ökonomisch (die Moralfrage also ausklammernd). Stellt sich die ökonomische Frage: würde das Unternehmen nicht möglicherweise bei freiem Marktzutritt (ohne Korruptionsbarriere) in dem Land mehr verdienen können? Das Land wäre volkswirtschaftlich besser dran, es würde mehr investiert & mehr ausländische Güter würden nachgefargt. Dann wäre Korruption kurzfristig sinnvoll aber mittelfristig ein Schuss ins Knie...

Getreu meinem Nicknamen denke ich schon sehr lange über Folgendes nach: Wird man nicht nach (in Anlehnung an Peter Clevers Mathelehrer...) "lange genuchem Nachdenken" zu der Auffassung kommen, dass

ökonomisch = moralisch

ist?

Achtung an alle schnell-falsch-Versteher: Mit 'ökonomisch' ist in diesem Kontext gemeint: Rationale Nutzenmaximierung unter Berücksichtigung von monetären und nicht-monetären Größen. (Arrows-Unmöglichkeitstheorem halte ich - nachdem ich es nun auch erfasst habe - für nicht relevant, weil ich die Unabdingbarkeit seiner vier Axiome nicht teile, insbesondere die des Nicht-Diktators.)

Wenn nämlich das:

Rationale Nutzenmaximierung unter Berücksichtigung von monetären und nicht-monetären Größen.

nicht das oberste Ziel menschlichen Handelns ist, was dann? Was kann dann Maßstab für Moral sein?
 
.....
....
....

Wenn nämlich das:

Rationale Nutzenmaximierung unter Berücksichtigung von monetären und nicht-monetären Größen.

nicht das oberste Ziel menschlichen Handelns ist, was dann? Was kann dann Maßstab für Moral sein?

Klingt gut und im ersten Moment auch einleuchtend. Das Problem dabei ist der Mensch ist alles aber nicht rational. Das zweite Problem ist der Standpunkt moralischer Grundwerte im Umfeld. Zum Beispiel im islamischen Kontext ist der Umgang mit Schweinen moralisch verwerflich und mit schweren Strafen bedroht. Bei uns hingegen ist es ein gewöhnliches Lebensmittel. Sogar innerhalb eines Kulturkreises kann es zu unterschiedlicher moralischer Bewertung ein und des selben Vorgangs kommen. Nehmen wir mal drei Personen (Hr. O, Hr. S und Hr. F). Hr. O appeliert an Hrn. S er solle doch Hrn. F erschiessen, was Hr. S dann auch tut. Die Folge: Hr. S wird, weil moralisch ja so verwerflich, wegen Mordes und Hr. O wegen Anstiftung verurteilt.
Jetzt ziehen wir den drei Herren Uniformen an und stellen fest,
Daß der O ffizier seinem S oldaten befohlen hat den F eind zu erschießen.
Diesmal ist der ganz gleiche Vorgang höchst moralisch und kann sogar in eine Belobigung in Form einer Auszeichnung enden.

Deshalb halte ich deine Therie für sehr gewagt.
 
Klingt gut und im ersten Moment auch einleuchtend. Das Problem dabei ist der Mensch ist alles aber nicht rational. Das zweite Problem ist der Standpunkt moralischer Grundwerte im Umfeld. Zum Beispiel im islamischen Kontext ist der Umgang mit Schweinen moralisch verwerflich und mit schweren Strafen bedroht. Bei uns hingegen ist es ein gewöhnliches Lebensmittel. Sogar innerhalb eines Kulturkreises kann es zu unterschiedlicher moralischer Bewertung ein und des selben Vorgangs kommen. Nehmen wir mal drei Personen (Hr. O, Hr. S und Hr. F). Hr. O appeliert an Hrn. S er solle doch Hrn. F erschiessen, was Hr. S dann auch tut. Die Folge: Hr. S wird, weil moralisch ja so verwerflich, wegen Mordes und Hr. O wegen Anstiftung verurteilt.
Jetzt ziehen wir den drei Herren Uniformen an und stellen fest,
Daß der O ffizier seinem S oldaten befohlen hat den F eind zu erschießen.
Diesmal ist der ganz gleiche Vorgang höchst moralisch und kann sogar in eine Belobigung in Form einer Auszeichnung enden.

Deshalb halte ich deine Therie für sehr gewagt.

sorry Ritschi - aber den Beitrag verstehe ich jetzt gar nicht:

1. Die Rationaltitätsannahme dürfen wir nicht aufgeben, weil wir sonst das Nachdenken über jegliche Fragen einstellen müssen...

2. Wieso zeigt Dein Soldatenbeispiel, dass meine Theorie gewagt ist??

Soweit ich hier ne Theorie aufgestellt habe, besagt diese, dass wir unter annahme von Freiheit und Rationalität keinen Grund haben zur Annahme, dass andere Kulturen unsere Maßstäbe fraglos übernehmen.

Überspitzt: Wir Westeuropäer und Nordamerikaner finden Korruption doof, andere mögen sie oder haben keine Lust, in ihre Beseitigung zu investieren, so sollen sie damit glücklich werden, wenn sie nicht anders wollen!

Sicher biegt sich jeder seine Moralmaßstäbe hin, wie's ihm passt (siehe Dein Soldatenbeispiel). Aber ist nicht genau das das Wesen von Moral? Da man ja im wissenschaftlichen Kontext eine göttliche (somit übermenschliche) Autorität ausblenden muss, bleiben nur die Maßstäbe irgendwelcher sterblicher Individuen. Sollen also die einen Soldaten werden und Frauen und Kinder in die Luft sprengen, in der Hoffnung, dass schon irgendwer weiß wofür's gut ist - und die anderen lassen's lieber, weil sie ahnen, dass da nix außer eine posttraumatische Belastungsstörung bei rum kommt.
 
Ich weiß nicht, René; wie Du so über die westlichen Werte hinweggehst, finde ich bedenklich. Meiner Auffassung nach lohnt es sich, für Demokratie, (Meinungs-)Freiheit und Menschenrechte zu werben und gelegentlich auch zu kämpfen. Wenn die Amerikaner 1940 gesagt hätten: "Ach, die Deutschen haben sich das selbst so ausgesucht, lassen wir sie mal machen", dann sähe es jetzt möglicherweise ziemlich düster aus in Europa. Vermutlich würden wir diese Disussion jetzt nicht führen.

Warum tolerieren Menschen Regierungssysteme, die nicht gut für sie sind, bzw. die den westlichen Wertvorstellungen entgegenlaufen? Einige Gründe hast Du genannt. Man kann weitere hinzufügen: Angst gehört dazu (Totalitäte Staaten verfügen über ausgeklügelte Terror- und Spitzelsysteme), möglichweise profitieren viele Leute auch von der allgegenwärtigen Korruption. Vergessen wir nicht, dass solche Systeme auch gut darn sind, Leute ideologisch aufzuladen (wir gegen die anderen). Gelegentlich ist ein externer Eingriff durchaus gerechtfertigt, wie der der Amerikaner im WKII.

Externe Eingriffe zur Wohlfahrtsmaximierung kennt auch die Ökonomie. Z.B. um externe Effekte zu internalisieren. Oder zur Abwägung langfristiger gegenüber kurzfristiger Effekte. Deshalb scheint mir der Schluss ökonomisch = moralisch auch nach lange genuchem Nachdenken nicht so ohne weiteres zulässig.
 
Menno - immer werd' ich missverstanden... 😀

Ich weiß nicht, René; wie Du so über die westlichen Werte hinweggehst, finde ich bedenklich.

Ich geh' nicht drüber hinweg. In vielerlei Hinsicht teile ich durchaus Deine Auffassung über westliche Werte.

Ich hab nur was gegen jede Form von Zwangsbeglückung. Angebote machen und Hilfe anbieten - ok. Aber die Argumetation: "Ich mache mit dir keine korrupten Geschäfte, weil das besser für dich ist!" finde ich eklig.

Wenn schon, dann: "Ich mache mit dir keine korrupten Geschäfte, weil das nicht meinen Moralvorstellungen entspricht" - das ist in Ordnung! Und eine solche Aussage ist IMO auch ökonomisch: weil meine internen Gewissenskosten für ein solches Geschäft zu hoch sind.

Externe Eingriffe zur Wohlfahrtsmaximierung kennt auch die Ökonomie. Z.B. um externe Effekte zu internalisieren. Oder zur Abwägung langfristiger gegenüber kurzfristiger Effekte. Deshalb scheint mir der Schluss ökonomisch = moralisch auch nach lange genuchem Nachdenken nicht so ohne weiteres zulässig.

Krieg und Gewalt sind nie gerechtfertigt - meine Meinung!!

Gewalt ist ein Zeichen von Schwäche.

Jedes totalitäre System wird über kurz oder lang an sich selbst zu Grunde gehen. Das kann man abwarten ohne sich selbst auf das Niveau gewaltorientierter Individuen herunter zu begeben.
 
sorry Ritschi - aber den Beitrag verstehe ich jetzt gar nicht:

1. Die Rationaltitätsannahme dürfen wir nicht aufgeben, weil wir sonst das Nachdenken über jegliche Fragen einstellen müssen...

2. Wieso zeigt Dein Soldatenbeispiel, dass meine Theorie gewagt ist??

Soweit ich hier ne Theorie aufgestellt habe, besagt diese, dass wir unter annahme von Freiheit und Rationalität keinen Grund haben zur Annahme, dass andere Kulturen unsere Maßstäbe fraglos übernehmen.

Überspitzt: Wir Westeuropäer und Nordamerikaner finden Korruption doof, andere mögen sie oder haben keine Lust, in ihre Beseitigung zu investieren, so sollen sie damit glücklich werden, wenn sie nicht anders wollen!

Sicher biegt sich jeder seine Moralmaßstäbe hin, wie's ihm passt (siehe Dein Soldatenbeispiel). Aber ist nicht genau das das Wesen von Moral? Da man ja im wissenschaftlichen Kontext eine göttliche (somit übermenschliche) Autorität ausblenden muss, bleiben nur die Maßstäbe irgendwelcher sterblicher Individuen. Sollen also die einen Soldaten werden und Frauen und Kinder in die Luft sprengen, in der Hoffnung, dass schon irgendwer weiß wofür's gut ist - und die anderen lassen's lieber, weil sie ahnen, dass da nix außer eine posttraumatische Belastungsstörung bei rum kommt.

Du hast die Frage gestellt, was ausser rationaler Nutzenmaximierung könnte der Maßstab für Moral sein. Das nenne ich eine Theorie zur Diskussion stellen.
Ich muß mich dafür entschuldigen, daß ich dich auf das Glatteis geführt habe auf dem du jetzt stehst.
Das was du als hinbiegen der Moral in meinem Beispiel bezeichnest, ist im Grunde auch nur rationale Nutzenmaximierung. Das Problem hierbei ist die Blickrichtung. Aus dem Blickwinkel einer Staatsgemeinschaft ist es in Friedenszeiten auf alle Fälle notwendig, daß die Spielregeln gesellschaftlichen Zusammenlebens eingehalten werden. Dies ist ein wesentliches Element zur Nutzenmaximierung und die Bestrafung von Vergehen eine rationale Entscheidung. Im Fall einer kriegerischen Auseinandersetzung liegt im Sieg der maximale Nutzen. Ein Faktor diesen Nutzen zu erreichen besteht nun einmal darin, die Anzahl feindlicher Soldaten zu reduzieren. Aus dem Blickwinkel einer Staatsführung ist diese Denkweise dann auch rational. Aus dem Blickwinkel des Individuums kann die Sache ganz anders aussehen.
Wenn man Moral für dieses Beispiel mit dem bibl. Gebot "Du sollst nicht töten" definiert, dann muß man den Tod seines Gegenüber auf alle Fälle verhindern, selbst wenn man selbst dabei stirbt. Hierbei sehe ich allerdings nicht wo der Nutzen maximiert ist. Die Handlung an sich ist bewusst gesteuert und somit rational.
Die Moral nur mit rationaler Nutzenmaximierung zu definieren ist meines Erachtens nicht ausreichend.
 
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