Studiengebühren für Langzeitstudenten verfassungsgemäß

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Daria

Dr Franke Ghostwriter
ftd.de, Mi, 1.12.2004, 16:43

Studiengebühren für Langzeitstudenten sind nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Münster rechtens. Es sei zulässig, mit einer Gebühr die Studierenden zu kürzeren Studienzeiten anhalten zu wollen.




Das entschied das Gericht am Mittwoch. Eine Revision gegen dieses Urteil ließ das OVG nicht zu. Geklagt hatten in der Berufung vor dem höchsten Verwaltungsgericht des Landes vier Studenten von Kölner Hochschulen. Das Land hatte am Februar 2003 ein Studienkontenmodell eingeführt. Es sieht unter anderem vor, dass ein Studierender ab dem Sommersemester 2004 eine Studiengebühr in Höhe von 650 Euro pro Semester zu zahlen hat, sobald sein Studium länger dauert als die 1,5-fache Regelstudienzeit. Bei Vorliegen bestimmter Sondertatbestände wie Kindererziehung, schwerer Erkrankung und Studienwechsel kommen dem Betroffenen zusätzliche gebührenfreie Semester zugute.



Die Kläger sahen durch die Gebühren ihre grundrechtlich geschützte Ausbildungsfreiheit beeinträchtigt. Das verneinten die obersten Verwaltungsrichter. Die Erhebung einer Studiengebühr für so genannte Langzeitstudierende sei "verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden". Da in der gebührenfreien 1,5-fachen Regelstudienzeit ein Studium grundsätzlich beendet werden könne, entstünden keine sozialen Barrieren.



[font=verdana, geneva, arial, helvetica, sans-serif]Richter billigen zwei gebührenfreie Semester zu





Es verstoße ferner nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes, wenn das Studienkonten- und -finanzierungsgesetz auch auf solche Studierenden Anwendung finde, die mit ihrem Studium bereits vor Inkrafttreten der Regelung begonnen hätten, entschied das OVG. Die Studierenden hätten nicht schutzwürdig darauf vertrauen können, ein überlanges gebührenfrei begonnenes Studium auch ohne Gebührenbelastung zu Ende führen zu können. Allerdings billigten die Richter drei Klägern bis zu zwei zusätzliche gebührenfreie Semester zu, weil sie das Studienfach gewechselt hatten. Auch wer vor Inkrafttreten des Gesetzes den Studiengang nach dem ersten oder zweiten Semester gewechselt habe, könne von der anrechnungsfreien "Orientierungsphase" in den ersten beiden Semestern profitieren, begründete das OVG die Entscheidung.
 
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Studiengebühr nicht beanstandet


Die Richter sehen weder einen Verstoß gegen die Ausbildungsfreiheit noch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Münster - Zufriedenheit herrschte gestern im Düsseldorfer Wissenschaftsministerium, Enttäuschung hingegen bei manchen Studentinnen und Studenten darüber, dass der 8. Senat des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) die Heranziehung von Langzeitstudenten zu Studiengebühren für verfassungsgemäß erklärt hat. Vier Klagen gegen die Gebühren wurden damit im Grundsatz abgelehnt. Das Gericht folgte mit den Entscheidungen in der Tendenz den Urteilen mehrerer Verwaltungsgerichte. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht ließen die Richter nicht zu. Die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft begrüßte das Urteil.

Das „Studienkonten- und -finanzierungsgesetz“ des Landes NRW sieht vor, dass ein Studierender seit Beginn des Sommersemesters 2004 eine Studiengebühr von 650 Euro pro Semester zu zahlen hat, sobald sein Studium länger dauert als die eineinhalbfache Regelstudienzeit. Bestimmte Sondertatbestände (etwa Kindererziehung, schwere Erkrankung, Studienwechsel) ermöglichen zusätzliche gebührenfreie Semester. So wurde die Klage einer Studentin gegen die Studiengebühr abgewiesen. Die Frau hatte bisher bereits 40 Semester studiert. Auch nach Anrechnung von Urlaubs-Semestern und Erziehungszeiten für vier Kinder blieben noch 18 Semester, mehr also als die eineinhalbfache Regelstudienzeit, urteilten die Richter.

Der Vorsitzende des 8. Senats, Max Seibert, stellte gestern in der mündlichen Urteilsbegründung unter anderem fest, die Erhebung einer Studiengebühr für Langzeitstudenten sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie verstoße nicht gegen die grundgesetzlich verankerte Ausbildungsfreiheit. Auch sei es zulässig, mit einer derartigen Studiengebühr die Studierenden zu kürzeren Studienzeiten zu veranlassen. Da in der gebührenfreien eineinhalbfachen Regelstudienzeit ein Studium grundsätzlich beendet werden könne, entstünden durch die Erhebung der Gebühren auch keine sozialen Barrieren.

Nach Ansicht des Gerichts liegt kein Verstoß gegen den Vertrauensschutz vor, wenn das Gesetz auch Studierende trifft, die mit ihrem Studium bereits vor Inkrafttreten der Regelung begonnen haben. Die Studierenden hätten nicht darauf vertrauen können, ein überlanges gebührenfrei begonnenes Studium auch ohne Gebührenbelastung zu Ende führen zu können. Zudem hätten sie nach Inkrafttreten des Gesetzes gut zwei Semester Zeit gehabt, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Für Härtefälle sei überdies ein Gebührenerlass vorgesehen.

Allerdings müssten die gesetzlichen Ausnahmetatbestände allen Studierenden zugute kommen, führte der Senatsvorsitzende weiter aus. Auch wer vor Inkrafttreten des Gesetzes den Studiengang nach dem ersten oder zweiten Semester gewechselt habe, könne von der anrechnungsfreien „Orientierungsphase“ in den ersten beiden Semestern profitieren. Deshalb, so entschieden die Richter, können in drei der vier nun entschiedenen Verfahren die Studierenden jeweils ein bis zwei zusätzliche gebührenfreie Semester beanspruchen.

Die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft (SPD) begrüßte die Urteile des OVG, weil „damit das Oberverwaltungsgericht Münster Rechtssicherheit für die Hochschulen geschaffen hat“. Auch für die über 450 000 Studierenden in NRW bestehe nun eine klare Orientierung: Das Erststudium bleibe bis zur anderthalbfachen Regelstudienzeit gebührenfrei. „Das Gericht hat die Linie der Landesregierung im Grundsatz bestätigt“,sagte die Ministerin. Sie verwies ferner auf den Richter-Hinweis, dass kein Studierender einen Anspruch darauf habe, ein gebührenfrei begonnenes Studium in jedem Fall auch gebührenfrei beenden zu können. Sie akzeptiere auch die Entscheidung, dass keinem Studierenden ein Nachteil entstehen soll, der in den ersten beiden Semestern den Studiengang gewechselt habe. „Damit besteht auch hier nun Rechtssicherheit", so Kraft.

Aktenzeichen: 8 A 3358 / 04, 8 A 3635 / 04, 8 A 3797 / 04 und 8 A 3878 / 04
 
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